Alfred Gusenbauer hat jüngst erklärt, dass er die Ausgrenzungspolitik gegenüber Haider für einen strategischen Fehler halte. Auch wenn man dieser Ansicht zustimmt, ist sie doch gründlicherer Diskussion wert. Sie desavouiert ja nicht nur Franz Vranitzky, sie desavouiert die ganze Sozialdemokratie, die die FPÖ seit l986 zur faschistischen Gefahr dämonisiert hat.
Sachliche Übereinstimmun- gen jetzt als Grund für den Strategiewechsel anzuführen, wirkt wenig glaubwürdig; solche hätte es in der Vergangenheit bei etlichen Haiderschen Reformvorschlägen gegeben. Und dass sich die FPÖ grundsätzlich geändert hätte, will uns Gusenbauer hoffentlich nicht ernsthaft verkaufen. Das hieße die Intelligenz der Wähler sträflich unterschätzen. Bleibt als Argument die Absicht, den gemeinsamen Feind Wolfgang Schüssel zu stürzen.
Eines scheint Gusenbauer übersehen zu haben: dass der Wähler bei der letzten Wahl die FPÖ für ihre Regierungsunfähigkeit mit einem Stimmenminus von l8 Prozent gestraft hat. Will er nun das gescheiterte Experiment Wolfgang Schüssels mit einer FPÖ in Dauerkrise und Wählersinkflug wiederholen?
Die strategische Kehrtwende der SPÖ enthüllt nicht nur ihre antifaschistischen Parolen als hohle Propaganda, sie lässt auch an den analytischen Fähigkeiten ihrer Strategen zweifeln. Wenn die SPÖ die ehemaligen FPÖ-Wähler, die derzeit bei der ÖVP gelandet sind, wiedergewinnen will, bedarf es mehr als taktischer Manöver, die jede Glaubwürdigkeit untergraben. Will die SPÖ die Mehrheit gewinnen, braucht sie alternative Konzepte zu den großen Reformthemen Pension, Steuern, Gesundheit und Bildung - und Personen, die solche Konzepte glaubwürdig transportieren. Alles andere bleibt "dummer Populismus" (Peter Pilz).
Die Autorin war ORF-Journalistin und Dokumentarfilmerin.
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