Economy, nicht Politik

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Die neuen Akteure der Außenpolitik waren das Thema der Politischen Gespräche in Alpbach. Welchen Einfluss dieseneuen Mitspieler am politischen Parkett haben, zeigt sich in der aktuellen Kriegsgefahr.

Nicht Colin Powell, der amerikanische Außenminister, sondern die mit den wichtigsten Weltkonzernen in enger Zusammenarbeit stehende indische Software- und Computer-Industrie habe den Atomkrieg zwischen Indien und Pakistan verhindert. Mit dieser plausiblen These aus der New York Times ließ der frühere Generalsekretär im österreichischen Außenministerium, Albert Rohan, beim letztwöchigen Politischen Gespräch in Alpbach aufhorchen. "Die neue Außenpolitik" lautete die Überschrift, unter der man im Bergdorf über die neuen Themen, Ebenen und Akteure der Außenpolitik diskutierte.

Die am Beispiel Indien erwähnte Macht der Wirtschaft auf die Politik generell und die Außenpolitik im Speziellen ist sicherlich kein Spezifikum heutiger Zeit. Neu, anders, weitergehend sind die Außmaße dieser Macht. Haben früher vorwiegend einheimische Unternehmen Einfluss auf die jeweilige Politik eines Landes ausgeübt, so können in Zeiten der Globalisierung Großkonzerne in allen ihren Produktionsländern intervenieren. Da trifft es sich dann für den Rest der Welt ganz gut, dass ein Atomkrieg den Geschäftsinteressen widerspricht.

Anders, weniger löblich ist es aber, wenn international agierende Firmen den Sozialabbau vorantreiben, indem sie ein Produktionsland gegen das andere ausspielen. Genauso problematisch ist es, wenn Wirtschaftslobbying dazu führt, dass Umweltstandards desavouiert werden. Amerikas Ausstieg aus dem Kyoto-Prozess, der sich auf den Druck der US-Industrie zurückführen lässt, ist dafür das negative Paradebeispiel.

Druck verursacht Gegendruck - und da die Politik dazu allem Anschein nach zuwenig in der Lage ist, traten und treten zuerst im Umweltschutzbereich Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) auf den Plan. "Je weniger direkt-demokratische Institutionen es gibt, desto mehr NGOs entstehen, und desto wichtiger sind sie", meinte Liechtensteins Außenminister Ernst Walch in Alpbach.

Macht "schwarzer Listen"

Ein Blick zur UN-Nachhaltigkeitskonferenz in Johannesburg bestätigt Walch. Wenn gleichzeitig Anti-Globalisierungsgruppen wie die Schwammerl aus dem Boden schießen, ist das ein weiterer Beleg dafür, dass viele Menschen der anonymen Macht, die mehr und mehr unseren Globus zu beherrschen droht, eine Kontrolle entgegen stellen wollen.

NGOs seien nicht demokratisch legitimiert, lautete der Hauptvorwurf gegenüber diesen Organisationen auch in Alpbach. Außerdem seien sie oftmals radikale und aggressive "One issue"-Gruppen, die - im Gegensatz zu Regierungen - nicht auf einen gesellschaftlichen Interessenausgleich Bedacht nehmen müssten. Der Liechtensteiner Walch nannte in diesem Zusammenhang die Macht der sogenannten "schwarzen Listen", diese "moderne Form des an den Pranger Stellens von Staaten und Institutionen".

Für Gerd Leipold, Geschäftsführer von Greenpeace International, ist ein solches Vorgehen die berechtigte Waffe des Davids gegen den Goliath. Solange die auf den schwarzen Listen vorgebrachten Anschuldigungen beweisbar sind, ist ihm voll zuzustimmen. Dasselbe gilt für Leipolds Begründung der Legitimation seiner und anderer NGOs, die er in der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie dem Recht, sich zusammenschließen zu dürfen, begründet sieht. Außerdem, so Leipold, gebe es genügend Akteure, die aus wirtschaftlichen Interessen agieren und denen niemand auf die Finger schaue. Dass sich NGOs auf ein Thema konzentrieren, findet der Greenpeace-Vertreter nicht schlecht. Ganz im Gegenteil, Regierungen - besonders kleinerer Staaten - sollten davon lernen, wie man eine große Öffentlichkeit mobilisiert.

Das leitet über zu einem Gedanken, der in Alpbach die Gespräche beherrschte: Innenpolitik ist Außenpolitik und umgekehrt. Nichts wirklich Neues, doch bei fortschreitender EU-Intergration sicher eine Wahrheit, die zumindest für das zusammenwachsende Europa noch mehr an Bedeutung gewinnen wird. Temelín-Volksbegehren sowie das innenpolitische Ausschlachten der Diskussion um die BeneÇs-Dekrete zeigen, dass in Österreich die Verbindung zwischen Außen- und Innenpolitik sowieso gerade wieder eine Hochblüte erfahren hat.

Auch jenseits des Atlantiks entscheidet die innenpolitische Stimmung über das außenpolitische Vorgehen der USA und somit über Krieg oder Frieden am Golf. Der Rest der Welt wird gerade einflussloser Zeuge einer inneramerikanischen Auseinandersetzung. Da hilft kein - innenpolitisch und wahlkampfmotiviertes - Aufplustern da und dort in Europa. Wenn die Falken in der US-Regierung genug Rückhalt aus der Bevölkerung erfahren, wird gegen den Irak losgeschlagen.

Renten- versus Terrorangst

Kommt es nicht zum Krieg, dann war die weltweite Handshake-Tour des US-Außenministers gewiss nicht ausschlaggebend dafür. Mehr hat dann schon der sorgenvolle Blick vieler Amerikaner auf ihre fondsabhängige Rentenprognose genützt, der die Angst vor dem Terrorismus in den Hintergrund treten ließ und den Präsidenten zu einer forcierten Wirtschafts- anstatt Kriegspolitik verpflichtete. Neue Themen, Ebenen, Akteure in der Außenpolitik - allen voran die Wirtschaft. Es schaut so aus, als würden wegen ihr die Kriege der Zukunft geführt, aber auch vermieden werden.

wolfgang.machreich@furche.at

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