Ehe man sich trennt ...

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Es kommt selten etwas Besseres nach: Diese alte Volksweisheit wurde jetzt auch wissenschaftlich bestätigt. "Trennen Sie sich nicht, stehen Sie die Krise durch", appellierten Forscher der Universität Chicago kürzlich an scheidungswillige Paare. Denn ihre Langzeitstudie hat ergeben, dass geschiedene Menschen Jahre später im Durchschnitt keineswegs glücklicher sind als jene, die trotz gravierender Beziehungsprobleme durchgehalten haben.

Doch in Zeiten, da Wahlfreiheit und Konsum in wirklich allen Lebensbereichen als oberste Ziele erscheinen, wirkt der Rat der Wissenschafter seltsam antiquiert. Oder doch nicht? Alle Wertestudien zeigen, dass für Jugendliche Liebe und Treue ganz hoch im Kurs stehen. Natürlich hält die Beziehung zum ersten Sexualpartner selten ein Leben lang - aber Parallelverhältnisse sind zumindest bei den Jungen out.

Über Jahrzehnte mit einem Partner zusammenzuleben - das ist ein relativ neues Phänomen. Früher starben die Frauen bei Geburten, die Männer in Kriegen, kein Mensch hatte eine derartig lange Lebenserwartung wie heute. Nicht zuletzt müssen Frauen dank finanzieller Selbständigkeit längst nicht mehr bei einem ungeliebten Partner ausharren. Scheidung ist gesellschaftlich akzeptiert. Das ist auch gut so, nur hat es das Pendel in die andere Richtung ausschlagen lassen: Jede zweite Ehe geht in Brüche, in Wien sind es sogar 59 Prozent der Ehen - mit allen damit verbundenen Problemen, vor allem für die betroffenen Kinder, die manchmal ein Leben lang die Folgen dieses Traumas mit sich herumschleppen.

Keine Frage: Bei vielen Beziehungen ist tatsächlich eine Trennung für alle Beteiligten gesünder. Doch wer kennt sie nicht: die neuen Mosaikfamilien, in denen der Alltag noch viel komplizierter geworden ist, als er es vorher war. Das ist ein schwieriges Gepäck für die große neue Liebe, die die alte vielleicht zum Einsturz gebracht hat. Die Forscher mögen daher Recht haben: So schnell sollte man keine Ehe auf den Müll werfen - schon gar nicht, wenn Kinder da sind.

Die Autorin ist innenpolitische Redakteurin des "Standard".

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