"Ein anständiger Mann aus guter Familie"

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An seiner Gegnerschaft zum Saddam-Hussein-Regime besteht kein Zweifel: 1971 verließ Iyad Allawi den Irak, um nach Großbritannien zu gehen. Dort arbeitete er zunächst als Vorsitzender des Verbandes irakischer Studenten in Europa, trat aber 1975 aus der Baath-Partei aus. Das Regime versuchte, ihn mit schweren Drohungen ins Regierungslager zurückzuholen - vergeblich. Im Februar 1978 drang ein Attentäter in sein Haus bei London ein und verletzte ihn mit mehreren Axthieben schwer. Unter einem Decknamen lag er mehr als ein Jahr im Krankenhaus. Das Regime rächte sich auch Allawis im Irak lebenden Verwandten.

Von Saddam mit Axt gejagt

Seit Ende letzter Woche steht Iyad als erster Premier des Nach-Saddam-Iraks fest. Die Namen des künftigen Präsidenten des Landes änderten sich am Dienstag vormittag dieser Woche noch im Viertelstundentakt. Der Vorwurf der jedem der genannten Kandidaten gemacht wird, ist der, dem auch Allawi ausgesetzt ist: eine Marionette der USA zu sein.

Allawi werde "mit Sicherheit eine Marionette der CIA sein", meint der Geschäftsinhaber Sarmad Adel in Bagdad. "Wer sich an die CIA verkauft hat, ist nicht geeignet, die irakische Regierung zu führen", stimmt der Ingenieur Abdul Madschid Abdul Rahman zu. Abdul Rahmans Freund Munthir el Hadithi hingegen will dem neuen Regierungschef eine Chance geben: "Er ist ein anständiger Mann aus einer guten Familie", sagte der Pensionistgegenüber dem AP-Korrespondenten in Bagdad Anthony Deutsch. "Er ist gebildet und ein guter Arzt."

Allawi kommt aus einer prominenten schiitischen Familie im Irak, studierte in Bagdad Medizin und spezialisierte sich auf Neurologie. Heute gilt er als moderater schiitischer Moslem, mit engen Beziehungen zum britischen Geheimdienst MI6 und zur amerikanischen CIA. Vor dem Sturz des Saddam-Regimes galt er als Liebling des US-Außenministeriums, das ihn als Alternative zu dem vom Pentagon favorisierten, aber mittlerweile in Ungnade gefallenen Ahmed el Chalabi anpries.

Der 58-jährige Allawi gehört dem irakischen Verwaltungsrat an und hat sich nach Ansicht des amerikanischen Außenpolitikexperten David Phillips dort sehr verdient gemacht: "Allawi verdient Respekt und hat sich als eine Quelle der Stabilität erwiesen", sagt Phillips. Aber auch im Ausland hat der Übergangsregierungschef scharfe Kritiker. Die Nominierung Allawis bedeute nur, "dass die CIA den Irak für weitere sechs Monate regiert", meint die Expertin Laurie Mylroie in Washington. Auch bei den Vereinten Nationen wurden Bedenken laut, dass Allawi wegen seiner engen Beziehungen zu den USA von den Irakern nicht akzeptiert werden könnte.

Unbekannter Exil-Politiker

"Wir wollen jemanden, der mit uns zusammengelebt hat und mit uns ausgeharrt hat in den schwierigen Zeiten", sagt Saud Abbas in Bagdad. Ein Exil-Politiker werde nie von der irakischen Bevölkerung als ihr Vertreter angenommen, ist er sich sicher. Im Irak ist Allawi allerdings noch nicht sehr bekannt - das ist auch seine Chance: "Ich habe ihn bisher nicht gekannt", sagt Salwa Ahad im Bagdader Stadtteil Karrada. "Aber er scheint ein angenehmer Mensch zu sein." WM/APA

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