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Ein elastisches Konzept

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In manchen Kreisen, in denen man sich sonst herzlich wenig um die Sorgen der Landwirtschaft kümmert, scheint es jetzt geradezu zum guten Ton zu gehören, gelegentlich warnend den Zeigefinger zu erheben und im mehr oder weniger mahnenden Ton vom ,,schärferen Wettbewerbswind“ zu sprechen, den die österreichischen Bauern auf dem Europamarkt verspüren würden und auf den sie sich vorbereiten müßten. Es wäre jedoch schlecht um die österreichische Agrarpolitik bestellt, hätte sie erst auf diese Stimmen gewartet.

Die besonders aktuellen Forderungen nach tgrarischer Strukturverbesserung, nach Rationalisierung und Qualitätserhöhung in der landwirtschaftlichen Erzeugung, die jetzt mancherorts als der Weisheit letzter und modernster Schluß verkündet werden, haben im Landwirtschaftsgesetz, bzw. in den Grünen Plänen der vergangenen Jahre längst Berücksichtigung und Niederschlag gefunden. Es handelt sich hier um jene Maßnahmen, deren Durchführung nicht nur viel Zeit, sondern auch Geld kostet. Für die Aufbringung dieses Geldes, für eine entsprechende Dotierung der Grünen Pläne hat man bisher in der Öffentlichkeit allerdings oft weithin recht wenig Verständnis gefunden.

Wer sich je die Mühe genommen hat, Landwirtschaftsgesetz, Grünen Bericht und Grünen Plan zu studieren, wird zugeben müssen, daß die österreichische Landwirtschaft hier über ein Integrationskonzept verfügt, wie man es für andere Wirtschaftszweige und Berufsgruppen vergeblich suchen wird.

Für die Verantwortlichen der österreichischen Agrarpolitik konnte nie ein Zweifel daran bestehen, daß die europäische Wirtschaftsintegration die Landwirtschaft noch vor sehr schwere Aufgaben stellen würde. Andererseits hat gerade die Bauernschaft die Bemühungen um diese Integration schon begrüßt, als die gewissen Mahner von heute meist noch recht unklare Vorstellungen davon harten. Der traditionelle agrarische Handelsweg verläuft nun einmal von Ost nach West. Die österreichische Landwirtschaft braucht diesen Weg und muß ihn weiter ausbauen. Rund 80 bis 8.5 Prozent unserer land- und forstwirtschaftlichen Exporte gehen in den Raum der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, vor allem nach Italien und Westdeutschland, was ein Blick auf die Landkarte leicht verständlich macht. Ein Ersatz für diese Absatzmärkte läßt sich schwer oder überhaupt nicht finden.

Nicht nur auf den Auslandmärkten, sondern •uch im Inland begegnen der Landwirtschaft wachsende Qualitätsansprüche. Das Hauptaugenmerk der agrarischen Förderung»- und Beratungstätigkeit gehört daher schon seit längerer Zeit nicht mehr der Produktionssteigerung, es gilt vielmehr vor allem der Qualitäts- und Produktivitätserhöhung. Schon vor nunmehr fast vier Jahren, als ich die Leitung des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft übernahm, stellte ich die Bedeutung der Agrarstrukturver-besserung und die Notwendigkeit einer marktkonformen Qualitätsproduktion in den Vordergrund meiner Erklärungen. Das damals bereits seit Jahren geforderte und dann im Juli 1960 verwirklichte Landwirtschaftsgesetz erstrebt mit

Hilfe des jährlich zu erstellenden Grünen Planes dasselbe Ziel.

Wie in allen modernen Industriestaaten innerhalb und außerhalb der EWG befindet sich auch in Österreich die Landwirtschaft in einem gewaltigen Umstellungsprozeß, den zu fördern und in die rechte Bahn zu lenken durchaus im Allgemeininteresse gelegen ist. Schwierigkeiten, die sich dabei ergeben, Anforderungen, die daraus an den Staat und die öffentliche Hand erwachsen, sind durchaus keine spezifisch österreichischen Erscheinungen. Spezifisch österreichisch ist es schon eher, daß — im Vergleich zu anderen Staaten — die Mittel, die zur Förderung der großen Umstellungsmaßnahmen bei uns zur Verfügung gestellt werden, sehr bescheiden sind. In der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft wurde zur Erfüllung derselben Aufgaben ein Fond errichtet, der aus reichen Quellen gespeist wird.

Das Integrationskonzept der österreichischen Agrarpolitik ist da. Es ist sicher nicht schlechter als das Integrationskonzept der meisten anderen europäischen Staaten. An Beobachtungen und Vergleichen fehlt es nicht, aber an den notwendigen Millionen, um das als richtig Erkannte auch in der österreichischen Landwirtschaft möglichst rasch zu verwirklichen.

Dabei soll freilich nicht geleugnet werden, daß sich vor allem die Auswirkungen einer intensiven Schulungs- und Beratungstätigkeit ebenso wie nachhaltige Betriebsumstellungen erst allmählich auf breiter Basis bemerkbar machen können und in vielen Fällen überhaupt eine Generationenfrage darstellen. Aber gerade die seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges herangewachsene und geschulte junge Bauerngeneration, die nun immer fühlbarer ins Wirtschaftsleben eingreift, ist keineswegs weniger befähigt, dem scharfen Konkurrenzwind des Europamarktes standzuhalten, als etwa die Jungbauern unserer Nachbarländer. Daß es hier wie dort kein Stehenbleiben geben kann, ist selbstverständlich; ebenso aber, daß in einem fairen Wettkampf die Startbedingungen nicht gar zu verschieden sein dürfen.

Obwohl eine in Jahrhunderten gewachsene Agrarstruktur nur sehr schwer und allmählich zu verändern ist, befindet sich die Strukturverbesserung, die Umstellung, Rationalisierung und Mechanisierung der österreichischen Landwirtschaftsbetriebe in vollem Gange.

In den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebje Österreichs um rund 30.000 vermindert, wobei vor allem zahlreiche Klein- und Kleinstbetriebe aus der Statistik verschwunden sind, während die Anzahl der mittelbäuerlichen Familienbetriebe zugenommen hat. Ein deutliches Zeichen für die Gesundung der Besitzstruktur. Im selben Jahrzehnt ist die Zahl der in der österreichischen Land- und Forstwirtschaft Beschäftigten von 1,079.000 auf 765.000 zurückgegangen. Da der Prozentsatz der Abwanderung wesentlich höher liegt als jener der Betriebsabnahme, läßt sich unschwer auf eine in den kommenden Jahren noch fühlbarere Veränderung der Betriebsstruktur schließen.

Arbeitskräftemangel und Rationalisierungsnotwendigkeit zwingen die Landwirtschaft zu fortschreitender Mechanisierung, die wegen der r

standig steigenden Kosten oft nur unter schwersten Opfern durchgeführt werden kann. Allein die Zahl der Traktoren ist in den letzten zehn Jahren von 30.000 auf rund 150.000 angestiegen. Im selben Zeitabschnitt hat sich die Zahl der Mähdrescher von 900 auf 16.000 erhöht. Obwohl durchschnittlich Jahr für Jahr rund 22.700 Vollarbeitskräfte aus der österreichischen Landwirtschaft abgewandert sind, ist die landwirtschaftliche Erzeugung in den letzten zehn Jahren um 36 Prozent gestiegen. Die Arbeitsproduktivität, das heißt die Erzeugung je Vollarbeitskraft, erhöhte sich gegenüber der Vorkriegszeit um nicht weniger als 73 Prozent. Sie ist in der Landwirtschaft stärker gestiegen als in allen anderen Wirtschaftszweigen.

Die Leistungen der österreichischen Landwirtschaft können sich also zweifellos sehen lassen und halten auch dem Vergleich mit der Landwirtschaft anderer Länder stand. Die agrarischen Strukturschwierigkeiten aber sind ebenso international wie die Bemühungen um deren Behebung. Mit den Bestimmungen des Landwirtschaftsgesetzes und des Marktordnungsgesetzes besitzt die österreichische Landwirtschaft ein Integrationskonzept, das ihr nicht nur den „Weg nach Europa“ erleichtern wird, sondern im gegebenen Zeitpunkt den ähnlichen Maßnahmen anderer Staaten beziehungsweise der EWG-Agrarmarktordnung sicher angepaßt werden kann.

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