Ein G'riss ums alte Fett

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Neben Raps wird Altspeiseöl als Rohstoff für die Erzeugung von Biodiesel immer begehrter.

Im kärntnerischen Arnoldstein herrschte Feierstimmung: Am 4. Juli wurde die vorläufig zweitgrößte Biodieselanlage Öster- reichs eröffnet. Nach dem geplanten Ausbau soll sie 2005 nicht nur die größte des Landes sein, sondern mit 50.000 Tonnen pro Jahr auch mehr Ökosprit erzeugen als alle heimischen Anlagen im Jahr 2002 zusammen.

Dabei wurde erst vor wenigen Monaten in Zistersdorf nahe Wien die bis dahin größte Anlage Österreichs in Betrieb genommen, die allerdings bei weitem noch nicht ausgelastet ist. Steht Österreich also vor einem Biodiesel-Boom? Eine heuer im Mai veröffentlichte Richtlinie der EU unterstreicht diese Vermutung. Ihr zufolge sollen Biotreibstoffe bis 2005 zwei und bis 2010 etwa 5,75 Prozent des gesamten Treibstoffverbrauchs jedes EU-Mitgliedslandes ausmachen.

Von der EU gepusht

Über die Höhe des derzeitigen Anteils in Österreich gehen die Meinungen auseinander. Die Spannweite der Expertenschätzungen reicht von 0,3 bis 0,7 Prozent. Eine große Herausforderung also für die Förderung jener Treibstoffe, die gegenüber mineralischem Benzin und Diesel viele Vorteile haben: Die Abhängigkeit vom Erdöl sinkt, die regionale Wirtschaft wird - vor allem bei Kleinanlagen - belebt, es wird weniger Treibhausgas CO2 emittiert und der Schadstoffausstoß kann zum Teil erheblich verringert werden (bei Biodiesel betrifft dies vor allem Ruß, Kohlenwasserstoffe und Kohlenmonoxid).

Wenn in Österreich von Biotreibstoffen die Rede ist, war das bis jetzt gleichbedeutend mit Biodiesel. Andere, wie der aus Mais, Weizen, Kartoffeln oder Zucker- rüben hergestellte Benzinersatz Bioethanol haben bei uns bisher so gut wie keine Rolle gespielt.

Das wird im Großen und Ganzen so bleiben, auch wenn im Landwirtschaftsministerium jetzt auch über Verwendungsmöglichkeiten von Bioethanol nachgedacht wird. Denn Österreich kann getrost als Biodiesel-Land bezeichnet werden: An der Uni Graz wurden bereits 1981 Versuche zur Herstellung von Biodiesel aus Rapsöl durchgeführt. Dies führte 1985 in der Steiermark zur Errichtung der weltweit ersten Pilotanlage zur Herstellung von Rapsölmethylester (RME = Biodiesel aus Raps).

"Frittendiesel" aus Graz

Als es ebenfalls 1985 in Graz gelang, versuchsweise Biodiesel aus Altspeiseöl herzustellen, ging dies als Kuriosität und Sensation durch die internationale Presse: Auch Science News und Geo berichteten vom "Frittendiesel". Industriell wird Biodiesel seit 1990 aus Raps, seit 1994 aus Altspeiseöl (Altspeiseölmethylester = AME) und seit 1998 auch aus Tierfetten von Schlachthöfen produziert. In Graz fahren heute bereits 40 Prozent aller städtischen Busse mit AME.

Durch Biodiesel wurde Altspeiseöl zum Paradebeispiel dafür, wie aus einem Problemstoff ein wertvolles Wirtschaftsgut werden kann: Früher wurden Altspeiseöle vor allem über den Abfluss "entsorgt". "Dies wirkt sich in der Kanalisation und in kleineren Kläranlagen negativ aus", erklärt Thomas Anderer, Geschäftsführer der "Bezirksabfallverbände Holding GmbH" (BAV Holding) in Oberösterreich. Bei zu geringen Durchflussmengen könnten sich Fette im Kanal ablagern, dort stocken und schließlich zur Verstopfung führen. Auch die Ablagerungsgefahr in den Pumpwerken sei groß, was zu vermehrten Wartungsarbeiten führe. Zu Belastungen für die Umwelt in Form von Überdüngung von Gewässern komme es jedoch nur, wenn Kläranlagen nicht ordnungsgemäß funktionieren, ergänzt Anderer.

Gefährliche Abfälle ...

Dennoch wurden Altspeiseöle bis vor kurzem bei den Abgabestellen als "gefährliche Abfälle" gesammelt, um danach entweder Tieren verfüttert oder mit großem Aufwand zu Seifen weiterverarbeitet zu werden.

Doch nun ist alles anders: "Die Errichtung der Biodieselanlagen in Zistersdorf und Arnoldstein führte zu einem Nachfrage-Boom", sagt Anderer. Von diesem profitiert auch die BAV-Tochter, die Landesabfallverwertungsunternehmen AG (LAVU AG). Sie errichtete im Vorjahr eine Anlage in Wels, in der gesammeltes Altspeiseöl aus Ober- österreich und - seit wenigen Monaten - aus Wien aufbereitet und danach an Biodieselhersteller verkauft wird.

"Der Verkaufspreis deckt derzeit den gesamten Aufwand für Sammlung, Logistik, Personal und Reinigung der Sammelkübel", erklärt LAVU-Vorstand Christian Ehrengruber. 1.000 Tonnen gereinigtes Altspeiseöl sollen heuer die Anlage verlassen, "aber wir könnten derzeit die dreifache Menge verkaufen". Die Sammelfreudigkeit sei in ländlichen Bezirken größer als in Städten. Die aus Haushalten und Gastronomiebetrieben österreichweit maximal erzielbare Menge schätzt Ehrengruber auf 20.000 Tonnen. Um dies annähernd zu erreichen, wird immer fleißiger gesammelt: "Öli" nennen sich die Mehrweggebinde für Altspeiseöle in Oberösterreich und Tirol, "Nöli" in Niederösterreich, "Wöli" in Wien und "Fetty" in der Steiermark. Letztere wurden mit dem Slogan "Wir Steirer schwimmen im Öl" intensiv beworben.

Das Interesse an Altspeiseölen ist aufgrund der Preisvorteile gegenüber Rapsöl inzwischen so groß, dass akuter Mangel daran besteht. Zistersdorf will nämlich ausschließlich und Arnoldstein zur Hälfte Altspeiseöle für die Biodiesel-Produktion verwenden. Bei voller Auslastung ergäbe das allein bei diesen beiden Werken ab 2006 rund 65.000 Tonnen pro Jahr, was einen erheblichen Importbedarf nach sich ziehen würde.

... nutzbar gemacht

Trotz allgemeiner Aufbruchstimmung liegt Österreich im Biotreibstoffverbrauch deutlich hinter Deutschland, das auf einen Anteil von etwa ein Prozent kommt. An diesem Umstand tragen die heimischen Anlagenbauer und Technologielieferanten jedoch sicherlich am wenigsten Schuld: So ist die steirische "Biodiesel International" (BDI), Erbauer des Werkes in Arnoldstein, in punkto Biodiesel anlagen Weltmarktführer.

Konkurrent "Energea" (Zistersdorf) liefert die Technologie für die größte Biodieselanlage der Welt, die in England gebaut wird. Und sogar bei der Erzeugung von Bioethanol hat ein österreichisches Unternehmen die Nase vorne: Rund 30 Prozent aller Anlagen weltweit laufen mit der Alkohol-Technologie der Wiener Firma "Vogelbusch".

Den Grund für das Nachhinken im Verbrauch sehen viele ähnlich wie Karl Totter, Geschäftsführer der Biodieselanlage im steirischen Mureck: "Die Energiepreise sind in Österreich zu niedrig - auch im Vergleich zu den Nachbarländern." In Deutschland ist der mineralische Sprit hingegen aufgrund der weit höheren Mineralölsteuer und der zusätzlichen Ökosteuer viel teurer als in Österreich.

Dadurch ist es möglich, Biodiesel um zehn bis 15 Cent pro Liter billiger als das Konkurrenzprodukt aus Erdöl anzubieten, was die Nachfrage innerhalb von vier Jahren vervierfacht hat. In dieser Boomphase war jedoch nicht immer alles eitel Wonne: "Es gab Qualitätsprobleme, vor allem mit billigem, aus osteuropäischen Ländern importiertem Biodiesel", erklärt Karin Retzlaff, stellvertretende Geschäftsführerin des "Verban- des Deutscher Biodieselhersteller". Dank strenger Qualitätskontrollen habe man aber wieder alles im Griff.

Wie Deutschland und Österreich die EU-Vorgaben erreichen wollen ist noch ungewiss. Eine angedachte Möglichkeit ist auch die (verpflichtende) Beimischung von Biodiesel zum mineralischen Diesel wie in Frankreich oder Italien.

Der Autor ist freier Journalist.

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