Ein Hochfest für Donald T.?

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Die Hoffnung auf eine Vorbildfigur im Weißen Haus werden wir besser begraben. Europa ist groß und stark genug, um seine Ziele endlich in die eigenen Hände zu nehmen.

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Die Hoffnung auf eine Vorbildfigur im Weißen Haus werden wir besser begraben. Europa ist groß und stark genug, um seine Ziele endlich in die eigenen Hände zu nehmen.

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Dieser Tage habe ich wieder einmal mein politisches "Gedächtnis" besucht - in der Garage. Dort stapeln sich all die Kommentare, Reportagen und Interviews meiner 25 Kurier-Jahre. Da liegt viel Vergleichbares zum Nachlesen: Denn jahrzehntelang waren die Angelobungen neugewählter US-Präsidenten für mich fixe Amerika-Termine.

Was auch immer mich seit den Tagen Kennedys an Amerikas Politik enttäuscht hatte: Der "Inauguration Day" war stets das Hochfest einer in Europa nahezu undenkbar gewordenen patriotischen, ja beinahe religiösen Selbstdarstellung Amerikas als große, idealistische Demokratie.

Und wie sehr ein scheidender Präsident auch enttäuscht haben mochte - immer öffneten die Kirchenglocken, Hymnen und Reden die Herzen. Millionen Menschen waren an diesem Tag bereit, ihren Glauben an ein gutes Kapitel amerikanischer Geschichte zu erneuern.

Wie aber wird das morgen, Freitag, sein?

Mit Donald Trump sind die USA jetzt einer vermutlich beispiellosen Belastungsprobe ausgesetzt -nach innen und außen. Hier kommt ein Mann, der fast drei Millionen Wählerstimmen weniger erhalten hat als seine Gegenkandidatin. Einer, der im Wahlkampf gezählte 228 Personen und Institutionen beflegelt und beleidigt hat. Einer, der seinen Vorgänger Obama zum "schlechtesten Präidenten der US-Geschichte" degradiert und die halbe Welt (Muslime, China, Japan, NATO und EU, Mexiko, Iran ) vor den Kopf gestoßen hat.

Mehr noch: Donald Trump hat seine eigenen Geheimdienste - die überlebenswichtige Informationsquelle jedes Präsidenten - und kritische US-Medien öffentlich denunziert. Hat mit der Übergabe seines Riesenkonzerns an die eigenen Söhne und mit dem Einzug enger Familienangehöriger in politische Führungsrollen die etablierten ethischen Standards missachtet. Und läuft zudem Gefahr, durch kompromittierendes Verhalten erpressbar zu sein.

Angst vor Unberechenbarkeit der USA

Wie also wird dieser "Inauguration Day" morgen die dreifache Aufgabe erfüllen: ein vom Wahlkampf zerrissenes Volk zu versöhnen; der Welt die Angst vor der künftigen Unberechenbarkeit Amerikas zu nehmen - und die Hoffnung auf eine moralische Führung der freien Welt am Leben zu erhalten?

Bei allem berechtigten Zweifel an Donald Trump: Am Beispiel Obama haben wir - oft bedauernd - erlebt, dass auch die Bäume eines Präsidenten nicht in den Himmel wachsen. Dass die Verfassung der USA, die Medien und die inneren Widersprüche der republikanischen Kongress-Mehrheit auch Trump ihre Fesseln anlegen werden. Dass Amerika in den Krisen der Welt zwar noch immer eine wichtige, aber längst nicht mehr spielentscheidende Macht ist.

Nur die Hoffnung auf eine Vorbildfigur im Weißen Haus werden wir Europäer besser begraben und die Zeichen der Zeit erkennen müssen: Europa ist groß und stark genug, um seine Werte und Ziele endlich überzeugend in die eigenen Hände zu nehmen.

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