Ein Knäuel menschlicher BEZIEHUNGEN
Nur jeder zweite bis dritte Job wird ausgeschrieben, Kontakte sind unbezahlbar. Doch Networking ist eine Geschichte voller Missverständnisse.
Nur jeder zweite bis dritte Job wird ausgeschrieben, Kontakte sind unbezahlbar. Doch Networking ist eine Geschichte voller Missverständnisse.
Gemeinsam schafft man mehr - zumindest sind 71 Prozent von 897 Unternehmen der IT- und Beraterbranche Österreichs dieser Überzeugung und gehen deshalb immer öfter zeitlich begrenzte Kollaborationen ein. Allerdings nicht mit irgendjemandem: Kooperationspartner finden meist über ein gemeinsames Netzwerk oder durch Empfehlungen zueinander. So lauten die Ergebnisse einer kürzlich veröffentlichen Studie der Fachgruppe Unternehmensberatung und Informationstechnologie Wien (UBIT). Sie überraschen wenig.
"Beziehungen sind das halbe Leben", bestätigt die deutsche Netzwerk-Expertin und Buchautorin Petra Polk. "90 Prozent aller Jobs werden auf Empfehlungen vergeben." Tatsächlich haben Kompetenz und Leistung einen recht geringen Anteil an beruflichem Erfolg. Entscheidender für die Karriere ist es zu immerhin 60 Prozent, wen man kennt und welche Fürsprecher man hat, wie eine Umfrage von IBM aus dem Jahr 2012 zeigt. Bereits in der Job-Findung macht sich dieser persönliche Bekanntheitsgrad bemerkbar: Nur jede zweite bis dritte Stelle wird überhaupt ausgeschrieben, so das Ergebnis des Instituts für Arbeitsmarkt-und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg. Gerade in kreativen Branchen etwa hängt die Vergabe von Aufträgen, Projekten und Jobs vor allem davon ab, ob man die Person kennt und ihr einen Vertrauensvorschuss entgegenbringt. "Deshalb kommen wir auch ums Netzwerken nicht herum", lautet für Petra Polk, Gründerin des internationalen Frauen-Businessnetzwerk "Win"(Women in Network), die logische Schlussfolgerung. Dabei ist es ihrer Meinung nach nicht entscheidend, ob es sich um eine Vernetzung über soziale Medien, um informelle Branchentreffs oder um formale Netzwerke wie Alumni-Vereine von Universitäten oder Business-Clubs handelt: "Netzwerken kann man in jeder Situation."
Keine Existenz ohne Networking
Auch für die Wiener PR-Beraterin Sabine Wolfgang spielt Netzwerken seit Beginn ihrer Selbstständigkeit vor sieben Jahren eine große Rolle: "Ohne Networking würde es mich als PR-Beraterin nicht mehr geben", ist sie sicher, "es ist für mich in meiner Branche die wichtigste Quelle, potenzielle neue Kunden kennen zu lernen". Dass Aufträge über persönliche Kontakte oder Empfehlungen zustande kommen, hat die Erfahrung unumstritten gezeigt. "Oft erhalte ich drei Jahre nach einem Gespräch einen Anruf: Jetzt brauche ich etwas", erzählt die in Wien lebende Geschäftsfrau.
Dabei muss das Networking nicht immer nur bei einer klassischen Business-Veranstaltung oder im Rahmen ihrer Mitgliedschaft bei der "Jungen Wirtschaft Wien" zustande kommen. "Es kann auch der Nachbar nach einem netten Gespräch im Lift sein", so Wolfgang, die seit ihrer Selbstständigkeit die Trennung zwischen beruflich und privat bewusst aufgegeben hat. Dementsprechend wichtig ist ihrer Meinung nach, so offen wie möglich ins Gespräch zu gehen. Die Mittdreißigerin hat gemerkt: "Je lockerer ich an die Sache herangehe, desto erfolgreicher bin ich."
Schlechter Beigeschmack
Nicht allen gelingt das Netzwerken so locker wie Sabine Wolfgang. Im Gegenteil: Professionelles Networking wird das Schauerimage von mühsamen Veranstaltungen, bei denen man Visitenkarten sammeln, über schlechte Scherze lachen und sich unecht verhalten müsse, nicht los. Dementsprechend hinterlassen solche Veranstaltungen bei Menschen schlechte Gefühle. Lieber verzichte man trotz des potenziellen Aufstiegs auf der Karriereleiter auf eine solche Qual. Das bestätigten 2014 auch Forscher der Universität Toronto. Die Hunderten Befragten der Studie fühlten sich schmutzig, unmoralisch, schuldig, vor allem dann, wenn sie meinten, (zu) wenig zum Erfolg eines Netzwerks beitragen und dem Gegenüber nichts Konkretes anbieten zu können.
"Netzwerken heißt nicht verkaufen", räumt Petra Polk mit einem der penetrantesten Missverständnisse auf. Es funktioniere nur, wenn man bereit sei, eine Beziehung aufzubauen und Menschen zu verbinden. "Wer gibt, wird automatisch zurückbekommen -wo auch immer her", ist Polk überzeugt. An diesem Vertrauen scheint es aber noch vielen zu mangeln. Sie erwarten sich Ergebnisse: Jetzt, sofort und vom Gegenüber -und können laut Polk dank dieser Einstellung nur enttäuscht werden. "Netzwerken braucht Zeit", so die Expertin. "Leute meinen, sie netzwerken ein halbes Jahr und hören dann wieder auf. Doch es hört nie auf. Ich tue immer wieder etwas dafür." Entscheidend sei außerdem nicht notwendigerweise, etwas vom Gegenüber zu bekommen, sondern wen er oder sie kennt: "Wir denken zu sehr in Schubladen. Das brauche ich, das brauche ich nicht -aber darum geht es nicht", plädiert die Expertin für "wertungsfreies" statt "nutzenorientiertes Netzwerken":"Wir wissen schließlich nicht, welche Menschen und Beziehungen hinter den Kontakten stecken und worin das Potenzial der Begegnung liegt."
"Den indirekten Weg verpassen die meisten beim Netzwerken", hat auch Martin Puaschitz, Geschäftsführer des Familienunternehmens "Puaschitz IT GmbH" festgestellt. "Ich verstehe mich mit wem gut, und der empfiehlt mich weiter." Kunden kommen vor allem auf diesem indirekten Weg, so der IT-Experte, der als Obmann der Fachgruppe Unternehmensberatung und Informationstechnologie Wien aktiv in einem formalen Netzwerk tätig ist. "Networking ist für mich Geschäftsanbahnung", so Puaschitzs Strategie: Im Vorhinein wird die Veranstaltung ausgewählt, um die relevante Zielgruppe zu treffen; vor Ort werden Visitenkarten gesammelt und im Nachhinein entschieden, wer vom Vertriebsmitarbeiter kontaktiert wird.
Männer netzwerken erfolgreicher
Die eigene Klarheit ist laut Expertin Polk entscheidend fürs Netzwerken. Man tut etwas für andere, aber muss sich auch selbst gut positionieren und präsentieren, damit andere etwas für einen tun. Genau darin seien Männer Frauen noch immer einen großen Schritt voraus: "Frauen netzwerken um des Netzwerkens Willen, verfolgen aber keine Ziele, sie fordern nicht genügend", kritisiert Polk, was Studien bestätigen: Das weibliche Geschlecht traut sich zu wenig, aktiv seine Ambitionen zu kommunizieren und um Hilfe zu fragen. Dementsprechend werden auch reine Frauen-Bündnisse laut einer Umfrage des "Harvard Business Managers" im Jahr 2016 ihren Erwartungen meist nicht gerecht. Während sich deren Mitglieder zwar erhoffen, Kolleginnen kennenzulernen, ein besseres Arbeitsumfeld für Frauen zu schaffen sowie im Unternehmen voranzukommen, wird das nur selten erreicht. Ein weiterer Grund für die Ineffizienz von Frauennetzwerken liegt darin, dass den Bündnissen Entscheiderinnen fehlen. Frauen, die den Aufstieg schaffen, neigen dazu, ihre Geschlechtsgenossinnen nicht zu unterstützen. "Männer ziehen ihre Mitstreiter mit nach oben, Frauen machen das nicht, das ist schade", bedauert Polk, die besonders das weibliche Geschlecht stärker verbinden möchte.
Ein allgemein funktionierendes Geheimrezept für erfolgreiches Networking kennt aber auch sie nicht. Dass die richtigen Kontakte aber unser Leben entscheidend bereichern und erleichtern, stellte schon der ehemalige US-amerikanischer Manager der Automobilindustrie, Lee Lacocca, fest: "Business ist nichts anderes als ein Knäuel menschlicher Beziehungen."