Ein Lump, wer Schlechtes denkt

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Der Salzburger FP-Politiker Karl Schnell rechtfertigt seine Lump-Beschimpfung mit einem aktuellen Buch, in dem Thomas Klestil die Mitwirkung an den Sanktionen gegen Österreich nachgewiesen sein soll.

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Der Salzburger FP-Politiker Karl Schnell rechtfertigt seine Lump-Beschimpfung mit einem aktuellen Buch, in dem Thomas Klestil die Mitwirkung an den Sanktionen gegen Österreich nachgewiesen sein soll.

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Allen, die ihn wegen seiner Lump-Beschimpfung kritisieren, empfiehlt der Salzburger FP-Chef Karl Schnell, das Buch "Der Verrat" zu lesen. Er selbst habe das aktuelle Buch von "Klestils CV-Bruder Ernst Hofbauer" vor seinem umstrittenen Salzburger Auftritt aufmerksam studiert, erklärte Schnell. Mit Hofbauers Buch, "auf das bis jetzt nicht kritisch reagiert wurde, werden schwere Vorwürfe gegen Klestil erhoben, und auch ich meine, dass der Herr Bundespräsident sehr wohl zu kritisieren ist", rechtfertigte sich der mittlerweile auch parteiintern unter Beschuss geratene freiheitliche Lump-Wiederholungstäter.

Mit dieser Hintergrundinformation wird Schnells Lump-Beschimpfung des Bundespräsidenten erst als das erkennbar, was sie eigentlich war: eine gelungene Kürzestrezension des Hofbauer-Buchs. "Lump" ist eine geniale Zusammenfassung für dieses Werk. Allein, wem diese "harmlose Formulierung", diese "lockere, humorige Ansprache, die sicher nicht bösartig gemeint war", (Zitate Schnell) gilt, dürfte nach der Lektüre von "Der Verrat" umstritten bleiben. "Verrat" ist der falsche Titel für diese Hetzschrift gegen Thomas Klestil. "Der Verräter" wäre ehrlicher gewesen, geht es Hofbauer ja nur vordergründig um den angeblichen Verrat, der zu den Sanktionen der EU-14 gegen Österreich geführt haben soll. Mit der gleichen Vehemenz, mit der er den früheren Bundespräsidenten Kurt Waldheim in seiner Apologetik "Der Waldheim-Komplott" verteidigte, verfolgt er jetzt den amtierenden Bundespräsidenten und dessen angebliche sozialistische Helfershelfer.

Bis Hofbauer auf die Regierungsbildung und die damit einhergehenden Sanktionen zu sprechen kommt, schildert er Thomas Klestil als verabscheuungswürdige Person ohne Charakter und von Ehrgeiz getrieben. Hofbauer bedauert, dass, anders als in den Vereinigten Staaten, die österreichischen Medien pikante öffentliche Geheimnisse in ihrer Berichterstattung ausklammern. Dieses von ihm so empfundene Manko versucht der Autor auf den ersten Seiten seines Buch auszugleichen. Angelangt beim politischen Abschnitt des Buches ist der Leser dann dementsprechend präpariert, Klestil - dem "chinesischen Mandarin" in der Hofburg - und "seiner jungen Frau" alles erdenklich Böse zuzutrauen.

Der Feind im Land Diese Präparierung, diese Klestil-Verächtlichmachung tut auch not. Denn - soviel sei vorweggenommen - die Suppe der Verratsvorwürfe ist aufgewärmt und bleibt dünn. Neue Ingredienzen fehlen. "Ein Mensch, der wie Thomas Klestil in den letzten Jahren so viele wuchtige seelische Einschläge erfuhr, neigt zu abrupt wechselnden Stimmungen zwischen haltlosem Überschwang und dunkler Niedergeschlagenheit. In solchen Phasen philosophiert einer nicht über den Sinn des Lebens oder den Lauf der Dinge, sondern über anderer Leute Undankbarkeit und Ungerechtigkeit, über lauernde Hinterhalte und Fallen, Dolchstoßlegenden und drohende Verschwörungen. Das Böse ist immer und überall. Jedes Sehen wird zum Spähen und Deuten; jede Einbildung zur heimlichen Wahrheit."

Autor Hofbauer vermeint mit diesem Psychogramm eine überzeugende Darstellung der Gedankenwelt des Bundespräsidenten zu bieten. In Wirklichkeit beschreibt er jedoch detailreich sich selbst und seinen Umgang mit der österreichischen Causa prima dieses Jahres. Die Schuld an den Sanktionen sei nicht bei österreichischen Politikern und deren Politik und deren Sagern und deren ausländerfeindlichen Wahlkämpfen zu finden. Einzig der Feind im eigenen Land kann das Ausland aufgehetzt haben: Dolchstoßlegende-neu, und Hofbauer ist nur einer von vielen Proponenten, die diese Geschichtsschreibung forcieren.

Deswegen ist die Auseinandersetzung mit Hofbauers "Verrat" wichtig. Die angeblichen Beweise auf denen die Dolchstoßlegende-neu beruht, sind auf ihre Hieb- und Stichfestigkeit abzuklopfen. Nicht weil nicht sein kann, was nicht sein darf und ein amtierender Bundespräsident und abgetretene Regierungsfunktionäre von vornherein über jeden Zweifel erhaben wären. Wichtig ist die Beschäftigung damit, weil die zersetzende Kraft von Dolchstoßlegenden nicht zu unterschätzen ist, weil Ressentiments auf diese Weise jahrelang gezüchtet werden, um zu unpassender Zeit, bei unpassendem Anlass hervorzubrechen und großes Unheil anzurichten.

Als Anfang der Verschwörung entlarvt Hofbauer das Internationale Holocaust-Forum in Stockholm. "Dieses merkwürdige konspirative Treffen", bei dem - verdächtig! - "die Sitzordnung so bestimmt war, dass die anwesenden EU-Regierungschefs bei Lachs und Kalbsfilet ungestört verhandeln konnten", muss laut Hofbauer die Initialzündung für die Sanktionen gewesen sein. In dramatischen Bildern beschreibt Hofbauer den Auftritt Viktor Klimas bei dieser Veranstaltung: "Viktor Klima war zum Rednerpult unterwegs wie in einem Tunnel. In einer undurchdringlichen Hülle des Politikers verschwand der Mensch Viktor Klima tief in sich selbst", diagnostiziert der nicht in Stockholm anwesende Hobby-Psychologe Hofbauer. In diesem Zustand soll der frühere Bundeskanzler die anderen Regierungschefs dann um Hilfe beschworen haben.

Nicht entgegengestellt Die gleiche Situation beschreiben in ihrem Buch "Eine europäische Affäre" die beiden Kurier-Journalisten Margaretha Kopeinig und Christoph Kotanko. Bei ihnen liest sich Klimas angebliche Anstiftung zu den Sanktionen jedoch um entscheidende Nuancen anders: "Viktor Klima hielt eine zehnminütige Rede, in der er seine ,große Sorge' wegen der Entwicklung in Österreich bekundete. Mit der informellen Vereinbarung sozialdemokratischer Konferenzteilnehmer, Maßnahmen gegen eine schwarzblaue Regierung auszuarbeiten, hatte der Kanzler wenig zu tun - er war nur kurz bei der Konferenz anwesend. Er habe sich allerdings ,dem nicht entgegengestellt', wurde später (am 17. Juni bei einem Hintergrundgespräch in Wien) von einem deutschen Spitzendiplomaten berichtet." Bei Kopeinig/Kotanko findet sich aber auch der Verweis - und das würde Hofbauer bedingt Recht geben - dass die Konferenz in Stockholm eine "Tendenz zum Rituellen", eine Art "Beschwörungs-Religion" in Sachen Holocaust und Rechtsextremismus verursachte.

Laut Kurier-Journalistengespanns nahmen allerdings liberale und konservative Politiker die Hauptrollen beim Beschluss der 14 ein: "Neben dem Belgier Louis Michel waren Jacques Chirac und Jose Maria Aznar die treibenden Kräfte." Da die europäischen Sozialdemokraten ähnliche Überlegungen angestellt hatten, sei deren Vorgehen begünstigt gewesen. Die Version einer roten Verschwörung sei abwegig, zitieren Kopeinig/Kotanko ein Kurier-Interview mit dem christdemokratischen Premierminister Luxemburgs, Jean-Claude Juncker: "Die Sozialistische Internationale kann Konservative nicht über den Tisch ziehen".

Die Sozialistische Internationale vielleicht nicht, aber der österreichische Bundespräsident mit Sicherheit. Davon ist zumindest Ernst Hofbauer überzeugt. Was bleibt jedoch von seinen Vorhaltungen, zieht man die angeblichen Telefonate, von denen nur Hofbauer - fantasievoll und detailgetreu - zu berichten weiß? Übrig bleiben jene Berichte ausländischer Medien, die schon in den ers-ten Februarwochen dieses Jahres für Aufregung sorgten.

So wie "Stille Post"?

Die dänischen Zeitungen Jyllands-Posten und Extra-Bladet meldeten, Klestil habe laut streng vertraulichen Angaben, die der dänische Regierungschef Poul Nyrup Rasmussen vor dem außenpolitischen Ausschuss seines Parlaments gemacht haben soll, die EU-Staaten zu den Sanktionen gedrängt. Rasmussen erklärte nach Bekanntwerden der Vorwürfe, er habe in dieser Sache weder mit Kles-til noch mit Klima Kontakt gehabt, und auch dänische Oppositionspolitiker zeigten sich über die Angaben verwundert. Zuvor hatte es nämlich geheißen, Rasmussen sei als letzter der 14 informiert worden und habe keine andere Möglichkeit gehabt, als sich der Aktion anzuschließen. Dass Dänemark auf Grund der bevorstehenden Euro-Abstimmung die Sanktionen relativieren wolle, wurde als ein weiteres Argument, das die Ungereimtheiten erklären sollte, genannt.

Die österreichische Präsidentschaftskanzlei dementierte diesen Vorwurf und ähnliche Berichte aus Deutschland, Schweden und Frankreich. Auch die französische Präsidentschaftskanzlei stellte fest, Klestil habe bei Chirac "keinerlei konkrete Bitte" deponiert. Kopeinig/Kotanko schreiben, dass laut Klestils Darstellung, dieser nicht die Sanktionen verlangt, sondern nur die Veröffentlichung des Boykottbeschlusses durch die EU-Präsidentschaft erwirkt habe. Bei allem anderen was an Behauptungen und Mutmaßungen herumgeistert, könne es sich allenfalls um ein Missverständnis gehandelt haben, heißt es aus der Hofburg. Als "Stille Post" auf höchster Ebene, als ein Hin und Her zwischen 15 und mehr Telefonen könnte der wohlmeinende Beobachter das Ganze dann wohl kommentieren.

Der andere wird weiterhin von Verrat sprechen. Eines sollte dabei aber nicht vergessen werden. Nicht - wie Hofbauer in seinem Buch fälschlich behauptet - die Freiheitlichen forderten einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss in dieser Causa, sondern die Grünen. Und während die SPÖ am 10. Februar knapp nach Mitternacht diesem Antrag der Grünen zustimmte, sprachen sich die beiden Regierungsparteien dagegen aus. Und das obwohl Noch-Parteichef Jörg Haider kurz davor verkündet hatte: Sofern die Berichte über die Mitwirkung Klestils und Klimas an den Sanktionen substantiell seien, werde sich das Parlament damit beschäftigen. Man müsse für volle Aufklärung sorgen, forderte FP-Klubobmann Peter Westenthaler, bis zur Abstimmung im Parlament. Und dann? Ein Lump, wer dabei Schlechtes denkt!

Der Verrat. Von Ernst Hofbauer, Ibera Verlag, Wien 2000, 294 Seiten, geb., öS 348,-/e 25,39 Eine europäische Affäre. Von Margaretha Kopeinig und Christoph Kotanko, Czernin Verlag, Wien 2000, 111 Seiten, geb., öS 178,-/e 12,95

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