Es dauert offenbar immer ein wenig länger mit den Reformen in der Volkspartei. Da hat man sich nun jahrelang mit allerlei Argumenten an einem teuren, zu wenig effizienten Schulsystem festgekrallt, entgegen allen Empfehlungen und Expertenratschlägen. Und nun plötzlich wird alles möglich. „Alte Rezepte reichen nicht mehr aus“, sagt VP-Parteichef Josef Pröll und fordert die Ganztagsschule.
Dieses Projekt und die weitreichenden Vorschläge zur Sanierung des Staates will Pröll seiner Partei und dem Land mit seinem „Projekt Österreich. Die Zeit. Das Ziel. Die Chance.“ verordnen, das er vor der versammelten Prominenz des Staates am Mittwoch in der Aula des Finanzministeriums vorgestellt hat. Was da präsentiert wurde, klang jedenfalls auch wie ein Programm für den nächsten Wahlkampf.
Zum einen hat Pröll vollständig den Weg Wolfgang Schüssels verlassen, der die Reformen immer wieder hintangestellt hatte (vielleicht mit dem Blick auf das Mögliche). Finnland und Schweden nennt Pröll nun als Vorbilder, Länder, welche die Vorgängergeneration in der VP stets als den Hort böser sozialdemokratischer Ideen abgelehnt hatten.
Zum anderen kommt der Vorstoß zu einer Zeit, in der die SPÖ inhaltlich schwer angeschlagen ist. Pröll hilft seinem Koalitionspartner aber nicht nur indem er nun bei der Bildung einlenkt. Er übernimmt gleichzeitig das Thema. Es würde der SPÖ bitter fehlen. Doch zuerst müssen die Pläne auch realisiert werden. Denn natürlich würde das Schulsystem besser mit dem neuen Kurs fahren. Doch verstehen das die schwarzen Personalvertreter das auch so, wie Pröll es meint? Fritz Neugebauers Wortmeldungen lassen Zweifel daran aufkommen.
Realismus oder Illusion
Es ist auch ein schöner Gedanke Prölls, davon auszugehen, dass die Lehrer nur das Beste wollen. Nur definieren eben einige der Lehrer dieses Beste ganz anders als Pröll. Ferner: Mit wem wird Pröll die Wiedereinführung der Studiengebühren erreichen? Mit der SPÖ? Wettbewerbsfähig will Pröll das Land machen über eine flexiblere Bildung und einschneidende Strukturreformen. Heilige Kühe will er schlachten etwa mit der Schaffung eines einheitlichen Beamtensystems. Es tut gut, das zu hören. Aber wer aus den Bundesländern wird ihm dabei helfen? Am Beginn seiner Rede hat Pröll am Beispiel USA davor gewarnt, zu viel zu versprechen und die Mühen der Ebene zu unterschätzen. Schnell wird sich herausstellen ob er nicht auch selbst am „Obamasyndrom“ leiden wird. Davon hängt viel ab. Unter anderem die nächste Kanzlerschaft. (tan)
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