Ein Riesen-Gipfel für zwei (zu) große Aufgaben

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Der UN-Gipfel "Millennium + 5" widmet sich Armutsbekämpfung und UNO-Reform gleichzeitig - und er könnte genau wegen dieser Verquickung scheitern.

Kofi Annan, der derzeit krisengeschüttelte un-Generalsekretär, hat mit seinem Dokument "In größerer Freiheit" die Grundlage für die Diskussionen zum dieswöchigen Millenniumsgipfel in New York geliefert. In seinem Bericht erweitert Annan die Kernthemen der Millenniumsziele auf Frieden und Sicherheit, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie und verknüpft sie mit dem umfangreichsten Reformprogramm in der Geschichte der Vereinten Nationen. Und hier besteht für den Gipfel die große Gefahr, in das Gehader um die Eigeninteressen der Nationen bei dieser Reform hineingezogen zu werden.

Schon vor dem Amtsantritt des neuen amerikanischen un-Botschafters John Bolton - dessen negative Meinung über die uno mittlerweile allseits bekannt ist - hat das Weiße Haus seine Position festgelegt, wonach es alle wesentlichen Reformvorschläge Annans torpedieren will. Die Frage der Reform des Sicherheitsrates hat Annan deswegen schon freiwillig ausgeklammert, um die Konferenz nicht noch mehr zu belasten. Doch die verbleibenden Punkte sind gewichtig genug, um die Opposition der usa auf den Plan zu rufen. Allgemein gesagt, will die vom Generalsekretär forcierte Reform des un-Systems eine Basis schaffen, um den neuen Herausforderungen effizienter und schneller entgegentreten zu können. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Umwandlung des un-Wirtschafts- und Sozialrates, in dem die Entwicklungs- und Schwellenländer ein stärkeres Gewicht einnehmen sollen. Weltbank und Internationaler Währungsfonds sollen zudem durch eine Demokratisierung mehr Transparenz und Legitimität erhalten; die un-Menschenrechtskommission soll zu einem handlungsfähigeren Menschenrechtsrat aufgewertet werden. Und auch das un-Umweltprogramm soll durch die Umwandlung in eine un-Umweltorganisation eine Aufwertung erfahren.

Alles Punkte, die den us-Hegemonialinteressen zuwiderlaufen. Deswegen hat sich die us-Regierung nach Ende des Diskussionsprozesses um das Gipfeldokument eingeschaltet, um die Schlusserklärung in ihrem Sinne zu beeinflussen. Das Gerangel um die Endversion hielt bis kurz vor die Eröffnung der Konferenz an. In der Frage der Erhöhung der Entwicklungshilfe spricht sich Washington gegen eine verbindliche Steigerung und gegen prozentuelle Festlegungen aus. Auch in der Frage nach gerechteren globalen Wirtschafts- und Handelsbeziehungen - ein Grundelement zur Umsetzung der Millenniumsziele - legen sich die usa quer und wollen stattdessen das Hauptaugenmerk auf eine Reform des un-Managements nach den Regeln der Privatwirtschaft legen. Auch die Erneuerung des Wirtschafts- und Sozialrates und die Aufwertung der Menschenrechtskommission werden von den usa bekämpft.

Eine Konfrontation mit den Staaten der so genannten Dritten Welt ist vorprogrammiert. Diese sind organisatorisch in der g77 zusammengefasst, der inzwischen 132 Länder angehören, also eine große Mehrheit der 191 un-Mitgliedsstaaten. Sie wollen Fragen wie Entschuldung, Handel, Zugang zu Technologie und den Märkten im Norden den Vorrang einräumen. Bei der Entwicklungshilfe wollen die g77, dass der Gipfel das 0,7-Prozent-Ziel mit dem Zeithorizont 2015 bekräftigt.

Offen ist noch die Frage, wie sich die eu und andere Industrieländer in dieser Auseinandersetzung positionieren werden. Die Europäische Union möchte auf diesem Gipfel als Vorreiter der internationalen Entwicklungspolitik auftreten. Bei Treffen im Mai und im Juni wurde bereits ein Stufenplan zur Erhöhung der Entwicklungshilfe auf 0,7 Prozent im Jahre 2015 festgelegt. Es handelt sich dabei jedoch nur um Zusagen, die noch keinen Niederschlag in der langfristigen Budgetplanung der Staaten gefunden haben.

Für Österreich, das ja seine Position mit der der Europäischen Union koordiniert hat, sind alle Teile des Gipfels gleich wichtig: die Entwicklungshilfe, die Managementreform der uno, die Menschenrechte und die Sicherheitsfragen. "Wir gehen positiv und optimistisch in den Gipfel", meint Helmut Böck, Leiter der Abteilung Internationale Organisationen im Außenministerium. Die österreichischen Nichtregierungsorganisationen teilen diesen Optimismus nicht. Sie fordern Österreichs Verhandlungsdelegation - die von Bundespräsident Heinz Fischer geleitet wird - auf, sich vehement für die Umsetzung der Millenniumsziele einzusetzen und auf den Verpflichtungen zur Steigerung der Mittel für die Entwicklungshilfe zu beharren.

Die "Millennium+5"-Konferenz ist eine große Chance für die Staatengemeinschaft, eine zukunftsweisende Friedens- und Entwicklungspolitik voranzutreiben. Auf Grund der umfassenden Vorarbeiten der uno können heute die Regierungen der Welt weniger denn je sagen: Wir haben nichts gewusst. Aber eigentlich ist es eine müßige Frage, ob es besser ist, sehenden Auges oder blind ins Unheil zu laufen.

Der Autor ist Redakteur der Monatszeitschrift "Südwind".

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