Ein schweres Ehrenamt

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Die einen sehen es als eine befreiende Personalentscheidung, die anderen bemängeln zu große Kirchen- und Parteinähe: Waltraud Klasnic, 64, wurde vom Wiener Kardinal Christoph Schönborn in der sonntäglichen ORF-Pressestunde als neue „unabhängige Opferbeauftragte“ in den kirchlichen Missbrauchs-Causen aus dem Hut gezaubert.

Damit gibt es nun auch eine österreichische Ansprechperson, die bundesweit im Auftrag der katholischen Kirche agieren kann und soll. Wie ihre Aufgaben und ihre Kompetenz konkret aussehen werden, soll bei einem ersten Gespräch zwischen Schönborn und Klasnic, das am Gründonnerstag stattfindet, geklärt werden. Bemühen des Kardinals war, eine Prominente, die keine katholische Amtsträgerin ist, für diese Aufgabe zu gewinnen. Anders als in Deutschland, wo ein Bischof – der Trierer Hirte Stephan Ackermann – eine ähnliche Aufgabe wahrnimmt, hat Schönborn gelernt: Man darf die Behandlung der Affäre auch auf der Ebene der öffentlichen Personen nicht mehr in den Händen von Kirchenmännern lassen.

Frau Alt-Landeshauptmann

Waltraud Klasnic scheint von daher für eine derartige Aufgabe prädestiniert: Die ehemalige Frau Landeshauptmann der Steiermark (1996–2005) hat als „Elder Statesman“ entsprechendes öffentliches Gewicht. Sie hat sich seit 1998 auch als Vorsitzende des „Dachverbandes Hospiz“, also als oberste „Sterbebegleiterin“ des Landes, in einem kirchenaffinen Umfeld und Metier engagiert. Außerdem fördert sie als – gleichfalls ehrenamtliche – Vorsitzende des „Zukunftsfonds der Republik Österreich“ Projekte zum Gedenken an Opfer des NS-Regimes.

Das neue Ehrenamt wird Waltraud Klasnic aber ungleich mehr abverlangen, nicht zuletzt Fingerspitzengefühl, um mit den Opfern, aber auch mit den Erwartungen der Öffentlichkeit umzugehen. Schon die Zahlen der letzten Tage zum Thema Missbrauch in der Kirche machen dies deutlich: 556 Missbrauchsmeldungen sind seit Jahresbeginn bei den kirchlichen Ombudsstellen eingegangen, bestätigte Johannes Wancata, Psychiater und Leiter der Wiener Ombudsstelle für Opfer sexuellen Missbrauchs in der Kirche. 174 Meldungen betrafen die Erzdiözese Wien, gefolgt von 115 Meldungen aus der vergleichsweise kleinen Diözese Innsbruck. Was da auch im heiligen Land Tirol aufzubrechen scheint, könnte gleichfalls ein Symptom dafür sein, wie sehr der katholische Kern im Land betroffen ist.

Die neue Opferbeauftragte der katholischen Kirche konnte sich bis Redaktionsschluss selbst noch nicht ausführlich zu ihren Plänen äußern. In einer ersten Stellungnahme ließ Klasnic erklären, es sei für sie eine „Ehrenpflicht“, dem Ruf Kardinal Schönborns zu folgen.

Als ehemalige Politikerin dürfte es Waltraud Klasnic nicht überraschen, dass ihre Bestellung nicht nur begrüßt wurde. Hans Peter Hurka von der Plattform „Wir sind Kirche“ sprach immerhin von einem „ersten Schritt, der ein Stück weit hinausführt aus dem engeren Kreis der Kirchenleitung“. Dagegen lehnte der streitbare Priester und Kirchenkritiker Rudolf Schermann die Bestellung rundweg ab, weil es sich dabei „um den typischen Versuch“ handle, „die Sache auf eine ungefährliche Schiene zu stellen“. Uneingeschränktes Lob für Klasnic, aber auch für Schönborn gab es dagegen vom Gründer der „Laieninitiative“ – und VP-Parteifreund – Herbert Kohlmaier.

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