„Ein Stück eigenes Leben und Sehnsucht nach Nähe“

Werbung
Werbung
Werbung

Führt die zunehmende Individualisierung zur Single-Gesellschaft und zum Ende der Familie, wie viele befürchten, zu egoistischen Einzelkämpfern in einer eiskalten Ellbogengesellschaft?

Die deutsche Soziologin Elisabeth Beck-Gernsheim nennt diesen Ansatz ein Missverständnis. Moderne Lebensentwürfe würden zugleich den „Anspruch auf ein Stück eigenes Leben und die Sehnsucht nach Bindung, Nähe, Gemeinschaft“ umfassen, schreibt die Autorin in ihrem nun neu aufgelegten und aktualisierten Buch „Was kommt nach der Familie?“. Die erste Fassung wurde 1998 publiziert. Wenn sie also die provokante Frage stellt, was nach der Familie komme, fällt die Antwort plausibel aus: „Die Familie! Anders, mehr, besser, die Verhandlungsfamilie, die Wechselfamilie, die Vielfamilie, die aus Scheidung, Wiederverheiratung, Scheidung, aus Kinder deiner, meiner, unserer Familienvergangenheiten und -gegenwarten hervorgegangen ist (...).“

Ringen um Lebensmodelle

Das Resümee ist also klar positioniert. Beck-Gernsheim setzt sich in ihrer Analyse tief gehend mit den unterschiedlichen Facetten heutiger Lebensformen auseinander, die die Soziologin mit dem Begriff „Bastler-Biografien“ umschreibt, also ein „Ringen um Lebens- und Beziehungsmodelle, die tauglich sind für die Niederungen des Alltags“. Dies bezieht sie vor allem auf die unterschiedliche Entwicklung von Lebensentwürfen von Männern und Frauen. Obwohl beide Geschlechter der heutigen Generationen Ähnliches als Ideal ansehen – Verwirklichung im Beruf und eine partnerschaftliche Aufteilung von Kinderbetreuung und Haushalt – gehen die Vorstellungen bei der Umsetzung auseinander. Männer halten eher an ihren bisherigen Modellen fest, während Frauen stark auf ihre Selbstständigkeit setzen. Für die Soziologin sind die Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Weiterentwicklung der Männer in ihren Lebensentwürfen sowie der Berufswelt, die zunehmend auf Mobilität und Flexibilität setzt, die Schlüssel für die Zukunft von Familie. In ihrem Buch behandelt sie auch zwei Aspekte, die meist zu wenig behandelt werden, wenn es um Familienformen geht: die Kinderwunsch-Problematik und interkulturelle Beziehungen. Ein lesenswertes Buch, das seinen Platz in der Diskussion um Familie einnehmen wird. (bog)

Was kommt nach der Familie?

Von Elisabeth Beck-Gernsheim. 3. aktualisierte Auflage. C.H. Beck 2010. 200 S., brosch., f 13,80

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung