Ein überraschender Start

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Der neue Präsident Kolumbiens hat einen überraschend guten Start hingelegt, doch die Schatten der Vergangenheit belasten ihn und seine Politik stark.

Ohne die Unterstützung seines Vorgängers und politischen Mentors Álvaro Uribe hätte Juan Manuel Santos nie die Präsidentschaftswahlen Ende Juni gewonnen. Der Sprössling einer der einflussreichsten Familien des kolumbianischen Establishments hatte im Wahlkampf stets betont, die Linie von Uribe, der das Land acht Jahre nach Eigendefinition "mit großem Herz und harter Hand" regiert hatte, fortzusetzen.

Zum ersten Teil seiner Selbsteinschätzung gibt es nicht allzu viele Zeugen, außer die Günstlinge seiner Klientelwirtschaft; von der harten Hand hingegen können Tausende Angehörige von ermordeten Gewerkschaftern, MenschenrechtsaktivistInnen, Journalisten und anderen sozialen Gruppen ein trauriges Lied singen. Juan Manuel Santos hat am 7. August seine Präsidentschaft angetreten, und in den ersten Monaten seiner Amtszeit hat er überraschende Erfolge einfahren können. Mit Venezuela und Ecuador hat der frischgebackene Staatschef die diplomatischen Bande wieder aufgenommen und sogar freundschaftliche Beziehungen aufgebaut. In der politischen Diskussion hat sich ein Ton der Sachlichkeit und der Versöhnlichkeit breitgemacht - sehr zum Unterschied gegenüber dem Konfrontationskurs seines Amtsvorgängers. Santos hat auch die unter Uribe getrübten Beziehungen zur Justiz verbessert und begonnen, zahlreiche Skandale aus der UribeÄra aufzuarbeiten.

Doch hier beginnen auch schon die ersten Probleme. Einer der größten Skandale der letzten Regierungszeit von Präsident Uribe war der Skandal um die illegalen Machenschaften des direkt der Präsidentschaft unterstellten Geheimdienstes DAS (Departamento Administrativo de Seguridad). Fast die gesamte Regierungszeit von Álvaro Uribe - vom Amtsantritt 2002 bis zum Auffliegen des Skandals 2009 - bespitzelte dieser mächtigste Geheimdienst des Landes regimekritische Personen und Instanzen, vom Gewerkschaftsführer bis hin zum Obersten Gerichtshof, von den namhaftesten JournalistInnen bis hin zu Politikern usw. Nicht selten wurden die Daten dann paramilitärischen Mörderbanden oder militärischen Geheimdiensten weitergeleitet, was dann für die betroffene Person das Todesurteil bedeuten konnte - und häufig auch bedeutete. Ein Beispiel aus der Praxis. In der Tochterfirma des Schweizer Konzerns Nestlé schwelen seit Jahren wegen der Beschneidung von Kollektivvertragsrechten und der Löhne der Beschäftigten Arbeitskonflikte.

Angriffe gegen Gewerkschaften

Einer der Führer der Protestbewegung war Luciano Romero vom Werk in der nordkolumbianischen Stadt Valledupar. In der Schweiz waren mittlerweile mehrere Organisationen, darunter Attac, auf diese Situation in der kolumbianischen Nestlé-Firma aufmerksam geworden. Für Ende 2005 hatten sie in der Schweiz ein öffentliches Hearing vorbereitet und dazu auch Romero eingeladen. Durch das Abhören seiner Telefongespräche erfuhr der DAS von der geplanten Reise. Am 10. September 2005 wurde er von einem paramilitärischen Kommando entführt, noch in derselben Nacht an einem Baum festgebunden und langsam zu Tode gefoltert. Man zählte 56 Einstiche an seiner Leiche. Nach Angaben der Lebensmittelarbeitergewerkschaft SINALTRAINAL wurden bisher zwölf ihrer Aktivisten in Nestlé-Betrieben in Kolumbien getötet.

Der DAS-Skandal drückt auch der Innenpolitik von Präsident Santos seinen Stempel auf. Nicht nur, dass die gerichtlichen Ermittlungen noch in vollem Gang sind. Ex-Präsident Uribe hat es bis jetzt geschickt verstanden, seine direkte Verantwortung für die illegalen DAS-Bespitzelungen und viele andere Skandale zu verbergen. Kein einziger Befehlsempfänger belastete den damaligen Staatschef direkt. Als nun die Justiz im November gegen die ehemalige DAS-Direktorin María del Pilar Hurtado einen Haftbefehl ausstellte, läuteten beim Ex-Präsidenten die Alarmglocken. Schnell rief er den Präsidenten Panamas, Ricardo Martinelli, an - "mein bester Freund", so Uribe - und drängte ihn, der ehemaligen DAS-Direktorin politisches Asyl zu gewähren. Was dieser auch tat. Der Öffentlichkeit gegenüber erklärte Álvaro Uribe, in Kolumbien gäbe es keine Garantien für eine unparteiische Justiz, wobei sogar das Leben der Angeklagten gefährdet sei. Dieses Statement löste in Kolumbien einen Sturm der Entrüstung aus, sogar unter Uribes eigenen Parteigängern. Wobei der Ex-Präsident zweifellos recht hat. Was er allerdings verschwieg: Dass es diese Garantien unter seiner achtjährigen Amtszeit für seine politischen Gegner nicht gab, aber sehr wohl für seine Freunde.

Zusammenstöße Uribe - Santos

Dieser Schachzug dürfte Uribe allerdings wenig nützen, denn derzeit laufen gegen zahlreiche andere ranghohe Funktionäre des Ex-Präsidenten Ermittlungen, darunter gegen seinen Kabinettschef Bernardo Moreno, seinen Berater José Gaviria und den ersten DAS-Chef Jorge Noguera, der auch verhaftet wurde. Noguera ist eine Schlüsselfigur der tödlichen Zusammenarbeit zwischen Geheimdienst und dem Paramilitarismus.

Weitere Zusammenstöße zwischen Uribe und seinem einstigen politischen Ziehsohn Santos scheinen programmiert. Und für Santos, den Sprössling des kolumbianischen Establishments, dürfte es wichtiger sein, das durch Uribe stark angeschlagene internationale Image seines Landes aufzumöbeln, als seinen ehemaligen Mentor vor strafrechtlicher Verfolgung zu schützen. Ein Problem für den neuen Präsidenten ist dabei allerdings, dass er als Verteidigungsminister selbst zum innersten Machtkreis Uribes gehörte. Und sollte der Ex-Staatschef auspacken, so werden viele seiner einstigen Günstlinge und Mitstreiter ins Visier der Justiz geraten.

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