Ein vorbildlicher Sachpolitiker

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Ein gewissenhafter Experten-Politiker, im Umgang mit den Medien eher spröde, strikt a-populistisch, zugleich umgänglich und bürgernah, ständig in Gewissen-Haft, abwägend zwischen wirtschaftsliberaler Grundüberzeugung und christlich-sozialer Wertebindung: Das alles war der am vergangenen Sonntag nach schwerer Krankheit im 86. Lebensjahr verstorbene Wolfgang Schmitz. Und weil er in seiner Bescheidenheit sich selbst unterschätzte und von anderen unterschätzt war, werden viele seiner Weichen stellenden Entscheidungen als Finanzminister (1964-68) und Notenbankpräsident (68-72) nicht mehr mit dem Namen ihres Initiators verbunden: Ihm ist die Einführung der Familienbeihilfe und des Karenzurlaubsgeldes zu verdanken, er setzte erstmals eine mehrjährige Budgetvorschau um, bekannte sich noch vor Erfindung des „Austro-Keynesianismus“ zu aktiver Konjunkturpolitik und bereitete mit disziplinierter Hartwährungspolitik den Boden für die spätere Währungsunion und den Euro.

Aus seinen vielen Publikationen bleibt ein politisches Lehrbuch in Erinnerung. Dessen titelgebende Frage „Was macht den Markt sozial?“ beschäftigte Wolfgang Schmitz sein Leben lang. In der Finanzmarktkrise ist sie aktueller denn je – und wenige haben darauf so klare ordnungspolitische Antworten gegeben wie er.

Wirtschaftsliberal und christlich-sozial

Marktfreiheit und Werteorientierung passten für den weltoffenen Nationalökonomen im Spannungsfeld der christlich-sozialen Werte-Triade widerspruchsfrei zueinander: Personalität als Ausdruck verantworteter unternehmerischer Freiheit; Subsidiarität als Grundsatz eigenständigen Handelns in klug gesetzten Rahmenbedingungen und Solidarität als Bekenntnis zur gesellschaftlichen Rückverpflichtung jeglichen wirtschaftlichen Handelns.

Wolfgang Schmitz war in den Sechzigerjahren einer der ersten nach US-Vorbild modernen Finanzpolitiker, der sein Denken und Handeln öffentlich begründete und zur Diskussion stellte. Mit Kurt Bergmann, seinem damaligen Pressesprecher, setzte er ganz neue PR-Akzente, wie etwa die Aktion Grüner Wimpel: Immer, wenn das Auto des Ministers die dreieckige grüne Standarte trug, konnte jeder Bürger den Wagen anhalten und mit dem Minister sprechen.

Beliebt machte ihn seine Standfestigkeit, mit der er ihm richtig erscheinende Maßnahmen durchsetzte. Zu einem nicht unwesentlichen Teil trug er so 1966 zum Alleinregierungs-Wahlerfolg von Josef Klaus bei. Dass er als einziges Regierungsmitglied das legendäre Rundfunkvolksbegehren unterzeichnete, aus dem Gerd Bacher als ORF-Generalintendant hervorging, zeugt von seiner Zivilcourage. 1968 übergab er Stefan Koren einen wohlgeordneten Staatshaushalt, ja mehr noch: einen denkwürdigen, weil seither nie mehr erreichten Budgetüberschuss.

Die FURCHE unterstützte der Verstorbene in einer schwierigen Phase zu Mitte der 1970er, als er mit Hanns Sassmann und Bertram Jäger für einen erfolgreichen Neustart sorgte. Von 1976 bis 2003 war er Mit-Herausgeber und engagierter Begleiter, wofür ihm alle, die mit der ältesten und zugleich jüngsten österreichischen Wochenzeitung verbunden sind, über seinen Tod hinaus dankbar sind.

In seiner für einen vorbildlichen Sachpolitiker bescheidenen Art war er außergewöhnlich.

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