Eine Ordensfrau - gewohnt, gefährlich zu leben

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Ich bin überzeugt, dass mich der Herrgott für diesen Job maßgeschneidert hat", stellte Ruth Pfau vor sechs Jahren im Furche-Gespräch fest. Ein Blick auf ihren Lebensweg macht deutlich, dass die bekannte Lepra-Ärztin und Ordensfrau tatsächlich eine außergewöhnliche Berufung hat.

Am 9. September 1929, also vor 75 Jahren, in Breslau geboren, verbringt sie ihre Jugend in der schwierigen Kriegs- und Nachkriegszeit. Ab den späten vierziger Jahren studiert sie in Mainz, Marburg und Bonn Medizin. Über diese Zeit erzählt sie: "Ich komme aus einem protestantischen Elternhaus und wir hatten viel Freiheit, unseren Weg selbst zu finden. Im Studium habe ich mich taufen lassen, zunächst protestantisch."

Einige Zeit später tritt sie zum Katholizismus über und in den Orden der "Filles du cSur de Marie" ein, der sie noch als Novizin nach Karachi in Pakistan schickt. Dort soll sie den Gesundheitsdienst für eine Schule aufbauen. Betroffen vom Elend der Lepra-Kranken wendet sie sich der Bekämpfung dieser schrecklichen Krankheit zu.

Als Ruth Pfau 1960 ihre Arbeit in den Slums von Karachi aufnimmt, wurde Lepra vielfach noch als Fluch Gottes angesehen, die Patienten selbst für die Krankheit verantwortlich gemacht.

Dagegen beginnt die deutsche Ärztin anzukämpfen. Sie geht systematisch vor: Richtige Lepraherde im Land werden ausgemacht. "Dort versuchten wir, schon in den Frühstadien der Krankheit einzugreifen, um zu helfen, ehe diese grässlichen Verstümmelungen eintreten", kennzeichnet sie ihre Vorgangsweise. Es entsteht ein Mosaik von Hilfsstellen, das 1968 in ein nationales Lepra-Bekämpfungsprogramm übergeführt wird. Unter großen Gefahren reist Ruth Pfau auch einige Male nach Afghanistan, um dort Kranke zu versorgen. Rund 50.000 Menschen konnte bisher geholfen werden. Ein erfolgreicher Kampf also, denn die Lepra ist in Pakistan weitgehend im Griff, wenn auch noch nicht ausgerottet.

Mehr Sorge als die Lepra bereitet der Ärztin seit langem das Überhandnehmen der Tuberkulose im Land. Unterernährung und schlechte Wohnverhältnisse begünstigen die Ausbreitung dieser Krankheit, deren Bekämpfung weitaus aufwändiger ist. "Auf einen Lepra-Patienten kommen heute 15 Tuberkulosefälle. Und die Gesamtkosten im Vergleich zur Lepra sind etwa eins zu 100."

Sie habe nie das Gefühl gehabt, als Christin nicht akzeptiert worden zu sein, berichtet Ruth Pfau, obwohl sie stets ausschließlich im muslimischen Milieu gearbeitet habe. Allerdings habe sich das Klima im Lande seit den Attentaten vom 11. September verschlechtert: "Der Afghanistan-Krieg der USA hat einen religiösen Fatalismus und eine politische Unruhe ausgelöst, die unsere Arbeit nicht leichter machen", erklärt die Ordensfrau, die für ihr Lebenswerk Sonntag im Elsass mit der Albert-Schweitzer-Medaille in Gold geehrt worden ist.

Auch wenn die Unsicherheit zunimmt, denkt die pakistanische Ehrenbürgerin nicht daran, das Land zu verlassen. Einer der Gründe: die Not der 500.000 Flüchtlinge aus Afghanistan. Ruth Pfau ist daran gewöhnt, gefährlich zu leben: "Wenn ich unterwegs bin, dann ist es meist so, dass man nicht weiß, ob man zurückkommt oder nicht. So habe ich weite Teile meines Lebens im Angesicht des Todes gelebt. Das hat mir unheimlich zu einer persönlichen Gottesbeziehung geholfen. Ohne sie könnte man das nicht machen." CG

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