Eine Pensionsreform ist nötig, aber...

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... sie muss gründlich diskutiert und vorbereitet werden. Akuten Finanzierungsbedarf gibt es nicht.

Eine Pensionsreform ist notwendig. Aber nicht eine, die überfallsartig für Ältere schon zum zweiten Mal innerhalb von drei Jahren den Pensionstermin nach hinten verschiebt und für die Jungen nur mehr den zynischen Trost mit der Eigenvorsorge bereithält.

Eine Pensionsreform ist notwendig. Aber nicht eine, die wieder nicht die extrem ungleiche Verteilung der Pensionseinkommen angreift. Die obersten 2 Prozent der PensionseinkommensbezieherInnen erhielten 2001 mit rund 2,9 Milliarden Euro etwa 9,5 Prozent der gesamten Pensionseinkommenssumme, während die untersten 30 Prozent nur knapp über 7 Prozent des Kuchens bekamen.

Eine Pensionsreform ist notwendig. Aber nicht eine, die gleich darauf die nächste erzeugt und die solcherart verunsicherten Menschen der privaten Altersvorsorge zutreibt.

Alle Pensionsreformen der letzten zehn Jahre erfolgten in erster Linie aus Gründen der Sanierung des Budgets. Auch das kann legitim sein, doch eine Pensionsreform ist das noch lange nicht. Eine Pensionsreform sollte nach Ansicht der Grünen u. a. sicherstellen:

* die nachhaltige Finanzierbarkeit der Pensionen;

* die Harmonisierung der teilweise völlig unterschiedlichen Pensionssysteme;

* die Verhinderung von Altersarmut;

* den eigenständigen Pensionsanspruch für alle im Alter;

* die Abstimmung mit dem Arbeitsmarkt.

Interessanterweise bekennen sich faktisch alle Parteien zu den meisten der hier genannten Ziele. Warum also kommt es nicht zu einer umfassenden Pensionsreform, die vom größtmöglichen Konsens getragen wird?

Zum einen, weil wir - schon seit Jahren - eine schlechte politische Kultur haben. Pensionsreformen, die Budgetsanierungsmassnahmen sind, werden durchgezogen - "speed kills" ist nach wie vor das Motto. Eine breite, behutsame öffentliche Debatte ist unerwünscht. Die Schweiz hingegen diskutiert ihre Pensionsreformen so lange öffentlich, bis sie ziemlich alle verstanden haben. Schweden hat seine tiefgreifende Pensionsreform über mehrere Jahre öffentlich diskutiert, um sie dann von fast allen Parteien gemeinsam beschliessen zu lassen.

Zum andern ist mit dem von Schwarz-Blau euphemistisch "Pensionssicherungsreform" genannten Pensionsabbau zum ersten Mal der Systemwechsel intendiert. In den Erläuterungen des Entwurfs wird mehrmals unverblümt davon gesprochen, dass die Kürzungen ja durch die 2. und 3. Säule (Abfertigungskassen bzw. private Altersvorsorge) aufgefangen werden könnten. Das ist das offene und zynische Bekenntnis, dass die öffentliche und soziale Pensionsversicherung abgebaut werden soll.

Eine Pensionsreform ist notwendig - ist die Pensionsreform jetzt notwendig? Reformen sind notwendig, einen unmittelbaren Finanzierungsbedarf gibt es allerdings nicht. Die Erläuterungen zum Regierungsentwurf geben die Gesamtaufwendungen der sozialen Pensionsversicherung für 2003 mit 11,1 und für 2007 mit 10,7 % des BIP an. Auch die Bundesmittel, die für die Pensionsversicherung ausgegeben werden, stagnieren in den nächsten Jahren bei 2,9 % des BIP.

Kein Anlass zur Reform also? Natürlich ist eine Reform notwendig, aber nicht innerhalb von zwei Monaten, sondern innerhalb der nächsten Jahre. Sie sollte gründlich und möglichst breit vorbereitet, diskutiert und beschlossen werden.

Der Autor ist stv. Klubobmann und Sozialsprecher der Grünen.

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