Eine Richterin wie von einem anderen Stern

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Ein bissiger Ausspruch vor acht Jahren hätte sich für Sonia Sotomayor bei ihrer Bestellung als Richterin für den Obersten US-Gerichtshof fast noch zum Karrierehindernis aufgebaut. Die Hispano-Amerikanerin hatte 2001 erklärt, eine „kluge Latina“ werde in der Regel bessere Schlussfolgerungen ziehen als ein männlicher Weißer ohne ähnliche Erfahrungen. Für ihre damalige Bemerkung heftig angegriffen, rechfertigte sie sich bei einer Anhörung vor dem US-Senat: „Ich glaube, dass jeder die gleiche Möglichkeit hat, ein guter und weiser Richter zu sein, unabhängig von seinem Hintergrund oder seiner Lebenserfahrung.“

Und übers Leben kann die 55-Jährige, die als zweite Frau und erste „Hispanic“ in das neunköpfige höchste US-Gericht einzieht, einiges berichten. Sotomayors sozialer Aufstieg erinnert an ein Märchen: Aufgewachsen ist sie als Tochter von puertoricanischen Einwanderern in der New Yorker Bronx. Der Vater starb, als sie neun Jahre alt war. Die Mutter arbeitete als Krankenschwester. Seit sie ein kleines Mädchen ist, leidet sie an Diabetes. Und seit dieser Zeit verfolgt sie ihr Ziel: Richterin zu werden. Als sie auf der Eliteuniversität Princeton studierte, fühlte sie sich dort „wie ein Besucher auf einem anderen Stern“. Doch sie biss sich durch …

Normalerweise für Drecksarbeit zuständig

Kein Wunder, dass sie Barack Obamas erste Wahl für das Richteramt gewesen ist. Noch dazu, wo Sotomayor ebenso wie der US-Präsident an der Yale Law School – mit summa cum laude – ihren Jus-Doktor machte. Kaum war Sotomayors Wahl im Senat beendet, beschwor Obama die „historische Abstimmung“ und schwärmte vom „einzigartigen amerikanischen Weg“ der Richterin.

Normalerweise erledigen die „Hispanics“, die Einwanderer aus Lateinamerika, die Drecksarbeit im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ und stehen auf der untersten Stufe der sozialen Leiter. Dabei stellen sie die größte ethnische Minderheit im Land. 45 Millionen leben zwischen Florida und Kalifornien. Und mit diesem Anteil von 15 Prozent an der US-Bevölkerung sind sie zum politischen Machtfaktor geworden. 67 Prozent der Hispanier unterstützten bei den Wahlen im November Obama. Kein Zweifel: So viel Zustimmung will belohnt werden.

Für die Republikaner hingegen war die Wahl Sotomayors ein mittleres Debakel. Sie hatten aus allen Rohren auf die Kandidatin geschossen, verurteilten sie als „Gerichtsaktivistin“, die durch ihre Urteile linke Politik durchsetzen wolle. Doch ihre Gegner waren in einem Dilemma: Allzu viel Opposition gegen den Aufstieg einer Frau, die einer Minderheit angehört, wäre ein hohes politisches Risiko gewesen. Schließlich sind nächstes Jahr wieder Wahlen in den USA …

Die „Rassenfrage“ wird Sotomayor auch in ihrer Amtszeit als Richterin im Obersten Gericht nicht los werden. Einen Vorgeschmack hat sie kürzlich erhalten: Weiße Feuerwehrmänner in New Haven hatten einen Test für die Beförderung bestanden, während ihre schwarzen Kollegen sowie die meisten Hispanos durchfielen. Um Ärger und Klagen zu vermeiden, beförderte die Stadt überhaupt niemanden. Die weißen Feuerwehrmänner zogen darauf wegen „rassischer Diskriminierung“ bis zum Berufungsgericht in New York – das ihre Klage ablehnte. Die Richterin dabei hieß Sotomayor. Doch jetzt hob der Supreme Court, das Oberste Gericht, das Urteil auf – eine erste Ohrfeige der höchsten Richter für ihre neue Kollegin.

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