Eine Serie unterschlagener Argumente

Werbung
Werbung
Werbung

Die Länder liegen mit der Bundesregierung in einem Streit über Kompetenzen. Die Länder-Studie wird unvollständig zitiert. DIE FURCHE behebt den Mangel.

Die Studie kursiert unter der Hand, wird nicht offiziell übermittelt und ist, für einige der heimischen Medien charakteristisch genug, Gegenstand einer unvollständigen und damit verzerrenden Wiedergabe. Die Landeshauptleute hatten das Papier "ALLE NEUNE - Gute Gründe für den Föderalismus" jedenfalls auf dem Tisch, als sie einander diese Woche in Langenlois zu ihrer Konferenz trafen. Diese Konferenz ist, ebenfalls charakteristisch, aber diesfalls für Österreich, fest in der Realverfassung verankert aber keineswegs im Bundes-Verfassungsgesetz. Eine gewisse Empathie zugunsten der Ländern ist dem Papier nicht abzusprechen. Es werden aber einige, in der Öffentlichkeit weitgehend unterschlagene Argumente für den Föderalismus gebracht, wie ein Blick in die Unterlagen des von mehreren Bundesländern finanzierten Instituts für Föderalismus zeigt.

Weltweit sei, heißt es in dem Papier, eine "deutliche Aufwertung dezentraler Strukturen" festzustellen. Die föderale Struktur Österreichs ermöglichen Bürgernähe und deren bessere Teilhabe an Verwaltung und Gesetzgebung. Sie würden zudem die Eigenverantwortlichkeit fördern, was effizienter sei als eine bloß ausführende Tätigkeit. Daher würden Studien zufolge dezentralisierte Staaten innovativere Regionen aufweisen. In ihrem zweiten Teil versucht die Studie, "neun populäre Irrtümer" zu widerlegen.

So sei, entgegen mancher Behauptung, der Föderalismus nicht teuer. Der Anteil der Länder an der Gesamtverschuldung des Staates betrage fünf Prozent. Die Kosten der die Landesregierungen kontrollierenden Landtage lägen im Durchschnitt bei 0,7 Prozent eines Landesbudgets. Die Landesbudgets würden, ohne jenes von Wien, nur 15 Prozent des Bundesbudgets ausmachen.

Föderale Struktur ist nicht teuer

Der Vorarlberger Landtag benötige nur fünf Bedienstete (ohne Klubbedienstete), im Bundesparlament waren hingegen 2007 mehr als 360 Bedienstete tätig - die Mitarbeiter der Abgeordneten und die Klubbediensteten nicht eingerechnet. Der Landtag Bayerns - welches hinsichtlich der Größe gerne mit Österreich verglichen wird (Anm.) - hat lediglich 217 Parlamentsbedienstete. Das Beispiel der Schweiz würde zudem zeigen, dass ein extrem kleinräumiger Föderalismus - es sind 26 Kantone - mit deutlich niedrigeren Verwaltungskosten vereinbar sei als jenen Österreich.

Allerdings, so räumen die Studienautoren ein, "kann es vorkommen, dass einzelne Institutionen versagen". Und weiter: "Dies passiert aber auf Bundesebene genauso und ist dort im Regelfall weitaus teurer."

Selbst große Länder seien in föderalen Staaten in sich nochmals gegliedert: In Bayern bestünden in jedem der sieben Regierungsbezirke und in jedem der 71 Landkreise auch Parlamente.

Der Föderalismus sei zudem nicht die Ursache aufwändiger Bürokratie. Österreich habe mehr Bundesbedienstete als dies in anderen föderalen Staaten üblich sei: In Österreichs Ministerien werken rund 9000 Bedienstete, in der Schweiz hingegen nur 2300 und im zehn mal so großen Deutschland 18.000, in dem nach innen stark dezentralisierten Finnland rund 5000 Bedienstete. Es sei die Zentralisierung der letzten Jahre, die mehr an Bürokratie gebracht habe, wie sich im Vergaberecht und bei Ökostrom gezeigt habe.

Eine "auf gleicher Augenhöhe" verhandelte Bundesstaatsreform würde seit Jahrzehnten nicht an den Ländern, sondern am Bund scheitern. Die Schulpolitik bot dafür ein aktuelles Beispiel.

Länderangebot abgeschmettert

In einer etwas ungewöhnlichen Form präsentierten Finanzminister Josef Pröll und vier Landeshauptleute der von ihm geführten Volkspartei vorige Woche gemeinsam einen Vorschlag zur Reform der Schulverwaltung: Einheitliche Gesetzgebung des Bundes, aber organisatorische Umsetzung durch die Länder. Werner Faymann, Bundeskanzler und SPÖ-Vorsitzender reagierte mit der Erklärung, er halte die Diskussion darüber für beendet, es bleibe alles, wie es sei. Genau darin liegen möglicherweise die Probleme. Nämlich jene, in der Sache und zudem in der Art, darüber zu debattieren.

Die Ländervertreter erklärten ausdrücklich, eine Verländerung der Bildungspolitik und des Schulwesens nicht zu wünschen, aber genau das wurde ihnen von Elternvertretern, Sozialpartnern und Bildungsexperten unterstellt. Sie wollen allerdings regional und örtlich eigenständig handeln - und sammeln Argumente.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung