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Schon nächstes Jahr soll die EU-Eingreiftruppe stehen. Mit der Eurofighter-Bestellung hat Österreich bereits eine entscheidende Vorleistung erbracht.

Die Partner für einen Kampfeinsatz, die Waffenbrüder und Verbündeten in einem kriegerischen Konflikt werden in Zukunft nicht mehr vorrangig nach politischen Kriterien, sondern nach der Art und Beschaffenheit ihrer Waffensysteme und militärischen Ausrüstung ausgewählt werden. So die These von Stefan Gose, Konfliktforscher in Berlin, der bei der letztwöchigen Internationalen Sommerakademie des Österreichischen Studienzentrums für Frieden und Konfliktlösung auf Burg Schlaining im Burgenland zur Thematik "Europäische Rüstungsindustrie" referierte. "Wer hat für diesen Einsatz jetzt und hier das passende Gerät?" nennt Gose die entscheidende militärische Frage der Zukunft. Gleichzeitig bedeutet das aber auch, dass Staaten mit Rüstungskäufen ihren späteren militärischen Einsatz präjudizieren können. In diesem Licht interpretiert Gose jedenfalls die Entscheidung der österreichischen Bundesregierung für den Eurofighter Typhoon. "Ein "starkes, ein wunderbares Symbol" für Österreichs Solidarität mit dem übrigen militärischen Europa werde mit diesem Kauf gesetzt, ist der deutsche Rüstungsexperte überzeugt. Jetzt käme es nur mehr noch auf die "richtige Bewaffnung" des Fliegers an, so Gose, um sich endgültig als Fixstarter in einem europäischen Luftkriegsgeschwader positionieren zu können.

Ein Gedanke, der Herbert Scheibner nicht fremd ist. "Wenn wir wie die Schweden Flugzeuge zur Verfügung stellen, brauchen wir weniger Soldaten einzubringen", erklärte der Verteidigungsminister gegenüber dem dieswöchigen profil. Während Österreich derzeit 2000 Soldaten bereitstelle, heißt es im Nachrichtenmagazin, biete Schweden der EU-Armee sechs Jagdflugzeuge und 900 Mann. Scheibner dazu: "Mir ist lieber, wenn ich weniger Soldaten in Einsätze schicke, weil dann die Wahrscheinlichkeit von Todesfällen oder Verletzungen geringer ist."

Keinesfalls eine "EU-Armee"

Bestechende Gleichung, die Frage ist nur, ob die Rechnung aufgeht. Eine Richtigstellung gleich vorweg. Auch wenn immer wieder, wohl auch wegen der Kürze und Einprägsamkeit des Ausdrucks, von einer "EU-Armee" die Rede ist. Keinesfalls soll jedoch vorerst im Rahmen der gemeinsamen Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) eine gemeinsame europäische Verteidigung etabliert werden. Fundament der kollektiven Verteidigung ist weiterhin die NATO für ihre Mitgliedstaaten und die angestrebten europäischen Streitkräfte bleiben unter nationalem Kommando. Lediglich für die Dauer einer EU-geführten Krisenmanagement-Mission würden sie einem gemeinsamen Oberkommando unterstellt.

In der neu erschienenen Publikation "Europas ferne Streitmacht", herausgegeben vom Beauftragten für Strategische Studien im Verteidigungsministerium, Erich Reiter, heißt es in diesem Sinne: "Die Staats- und Regierungschefs betonten beim Gipfeltreffen in Laeken im Dezember 2001 erneut, dass es beim Aufbau einer europäischen schnellen Eingreiftruppe gemäß dem European Headline Goal nicht um den Aufbau einer Europäischen Armee geht." Tenor der Beiträge von verschiedenen Sicherheitsexperten in dem gewohnt detaillierten und aufschlussreichen Band ist jedoch die Forderung, die "langfristig vorstellbare Entwicklung" in Richtung einer europäischen Streitmacht durch "Harmonisierung nationaler Streitkräfte", durch "Abbau der vorhandenen Modernisierungsdefizite und Fähigkeitslücken" und mit Hilfe "erheblicher finanzieller Aufwendungen" der EU-Mitgliedstaaten "frühestmöglich" zu konkretisieren und zu unterstützen.

Geringe Chancen für GASP

Wobei die Chancen auf Umsetzung dieser Forderung unisono als sehr gering eingeschätzt werden und die in- und ausländischen Kommentatoren mit Herausgeber Erich Reiter konform gehen, der weder den Willen der EU-Staaten für eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) die diesen Namen verdient, noch einen Willen zur Erhöhung der Verteidigungsanstrengungen erkennen mag. Daran werde auch die Erweiterung der Union, so Reiter, weder in die eine oder andere Richtung etwas ändern. Im ebenfalls gerade vorgelegten ersten Band des diesjährigen "Jahrbuchs für internationale Sicherheitspolitik" hält der Militärstratege mit seiner Skepsis nicht hinterm Berg: "Mit oder ohne Erweiterung sind die Chancen für eine wirkliche GASP und für eine verfestigtere, außenpolitisch handlungsfähige EU, die ihren staatstragenden Charakter weiterentwickelt, nach derzeitiger Beurteilung nicht gut. Das, was ohnedies auf absehbare Zeit wenig wahrscheinlich ist, wird durch die Erweiterung noch unwahrscheinlicher."

2003 soll die Truppe stehen

Dieser spürbare Pessimismus gegenüber der raschen Umsetzung einer gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik steht in einem gewissen Widerspruch zum Zeitplan, den die Politik, aber auch äußere Umstände diesem Projekt auferlegt haben. So steht der Schutz der internationalen Beobachter in Mazedonien an Stelle der NATO eventuell schon mit Herbst dieses Jahres ins Haus. Eine weitere Operation im Rahmen der ESVP wäre die Übernahme der Polizeitruppe in Bosnien-Herzegowina von den Vereinten Nationen ab Jahresbeginn 2003. Ein Datum, das auch mit der politischen Richtmarke für die Umsetzung des "Helsinki Headline Goal" korreliert. Bis spätestens nächstes Jahr sollen nämlich - 1999 beim Europäischen Rat von Helsinki beschlossen - die militärischen Kapazitäten für EU-geführte Operationen vorhanden sein: Streitkräfte im Umfang von 50.000 bis 60.000 Personen, die innerhalb von 60 Tagen und für mindestens ein Jahr den "Petersberg-Aufgaben" in ihrer ganzen Bandbreite gerecht werden können.

Damit schließt sich der Kreis zu Stefan Gose und Herbert Scheibner. Denn mit der Aufforderung nach Bereitstellung von militärischen Kapazitäten geht die Frage nach den benötigten Waffensystemen einher. Für Österreich und die anderen Neutralen im EU-Verbund stellt sich gleichzeitig aber auch die Frage nach dem Verhältnis zwischen den Loyalitätspflichten gegenüber der EU und den Neutralitätspflichten gegenüber der völkerrechtlichen Staatengemeinschaft. Franz Leidenmühler, Völkerrechtler in Linz, belegte bei der Tagung in Schlaining, dass "im Verbund der GASP bzw. ESVP durchaus Platz für dauernd Neutrale ist". Leidenmühler verweist auf Irland, dem beim letzten EU-Gipfel in Sevilla bestätigt wurde, dass die vergemeinschafte Sicherheitspolitik "seine traditionelle Politik der militärischen Neutralität unberührt lässt". Eine ganz andere Frage - die der Völkerrechtler derzeit negativ beantwortet - ist, "ob Österreich gewillt ist, die vorgefundenen Möglichkeiten wahrzunehmen bzw. auszuschöpfen".

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