Baptisten in Österreich: "Einheit in Vielfalt, Respekt voreinander“

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Staatliche Anerkennung für die "Freikirchen in Österreich“: Walter Klimt, Vorsitzender des freikirchlichen Zusammenschlusses im Gespräch.

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Staatliche Anerkennung für die "Freikirchen in Österreich“: Walter Klimt, Vorsitzender des freikirchlichen Zusammenschlusses im Gespräch.

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Am 26. August wurden die "Freikirchen in Österreich“ als Kirche staatlich anerkannt. Die FURCHE traf deren Vorsitzenden, den Baptisten-Generalsekretär Walter Klimt, zum Gespräch.

DIE FURCHE: Die "Freikirchen in Österreich“ haben nun die staatliche Anerkennung erreicht, die sie schon seit Jahren angestrebt haben. Was macht man eigentlich als erstes als anerkannte Kirche?

Walter Klimt: Ganz praktisch müssen wir sofort für das beginnende Schuljahr eine Übereinkunft - zumindest mit der evangelischen, möglicherweise auch mit der katholischen Kirche - für den Religionsunterricht finden. Wir werden im Lauf des kommenden Jahres unseren eigenen Religionsunterricht entwerfen, wollen aber schon jetzt ganz bewusst mit den anderen Kirchen zusammenarbeiten. Bisher konnten unsere Kinder ja den Religionsunterricht anderer Kirchen besuchen. Das geht jetzt eigentlich vom Gesetz her nicht mehr durch die Anerkennung. Wir wollen trotzdem sicherstellen, dass das auch weiterhin möglich ist, bis wir einen eigenen Unterricht haben.

DIE FURCHE: Wann soll der eigene Religionsunterricht starten?

Klimt: Unser Ziel ist das Schuljahr 2014/15. Wir führen derzeit Gespräche mit der Kirchlich-Pädagogischen Hochschule wegen der Lehrerausbildung. Und wir würden uns über eine Kooperation mit der evangelischen Kirche freuen, im Zuge derer wir uns in gewissen Regionen zusammentun, wo es sonst von beiden Seiten zu wenige Schüler gäbe.

DIE FURCHE: Was ist noch zu tun?

Klimt: Das Wichtigste ist jetzt zunächst einmal, zu feiern - auch mit jenen aus anderen Kirchen, die uns unterstützt haben. Wir werden daher demnächst einen öffentlichen Empfang haben, im Herbst planen wir mit dem Institut für Rechtsphilosophie, Religions- und Kulturrecht eine Veranstaltung auf universitärer Ebene und 2014 am 31. Mai einen großen Dankgottesdienst aller Freikirchen - wir haben das jetzt einmal Freikirchentag genannt. Auch das ist uns sehr wichtig, weil sich die Mitglieder der einzelnen Kirchen vermehrt kennen lernen müssen.

DIE FURCHE: Ein wesentliches Merkmal der Freikirchen ist die Autonomie der einzelnen Gemeinde. Widerspricht das nicht dem Gedanken einer übergeordneten Organisation? Sind die Gemeinden da nicht skeptisch?

Klimt: Unsere Gemeinden, in allen fünf Bünden, haben im Vorfeld der Anerkennung die Unterlagen bekommen und studiert. Das Fazit war, dass es in allen fünf Bünden über 98 Prozent Zustimmung gegeben hat. Da war ich selbst erstaunt. Ich war froh, dass bei uns wenigstens einer dagegen gestimmt hat, sonst hätten wir noch ein Problem mit der Glaubwürdigkeit bekommen. Also da wurden auch die kritischen Fragen wirklich durchgekaut, damit das auf einem möglichst breiten Fundament steht.

DIE FURCHE: Worum ging es dabei?

Klimt: Es geht zum Beispiel immer um die Frage der Leitung, auch um die Frage der Stellung der Frau - bei uns, bei den Baptisten und den Freien Christengemeinden, gibt es Gemeinden, in denen Frauen predigen, in anderen Bünden nicht - oder auch um die Frage, wie die charismatische Bewegung einzuordnen ist. Wobei letztere, denke ich, nicht mehr so akut ist, wie sie es in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten noch war. Alle Kirchen wurden weltweit charismatischer, und das ist gut so.

DIE FURCHE: Angesichts dieser Unterschiede: Wie kommt man dann zu gemeinsamen Positionen der "Freikirchen in Österreich“?

Klimt: In manchen Bereichen wird die gemeinsame Position dann eben sein müssen, dass wir das unterschiedlich sehen. Das ist mir aber lieber, als sich für den einen oder anderen Standpunkt zu entscheiden. Wir können nicht über Gewissen und über Erkenntnisse des anderen urteilen. Das sind wir nicht, wir ringen um unsere Standpunkte und wir sind uns auch bewusst, dass unsere Erkenntnis immer nur Stückwerk sein kann. Wichtig ist der gegenseitige Respekt vor anderen Meinungen, Einheit in Vielfalt.

DIE FURCHE: Die Freikirchen werden auch immer wieder von den Medien kritisch dargestellt, mitunter mit dem Sektenbegriff belegt. Wie gehen Sie damit um?

Klimt: Damit muss man sich auseinandersetzen. Wir werden immer auch ein Ärgernis bleiben für andere, und das darf auch so sein. Die Kirchen generell und daher auch wir vertreten einfach teilweise Standpunkte, die nicht immer der Mehrheit entsprechen, und da ist klar, dass man dann leicht als konservativ kritisiert wird. Was nicht sein darf, ist, dass Menschen verachtet oder verletzt werden. Das gilt auch für die Kirchen selbst. Für die eigenen Werte einzutreten, ist wichtig, aber immer mit Rücksicht darauf, was mit dem Einzelnen geschieht. Solche Dinge wird es sicher auch bei uns geben, und da finde ich kritische Fragen gut.

DIE FURCHE: Was wäre so eine Frage?

Klimt: Etwa das Thema Gruppenzwänge. Wir haben in unseren Gemeinden ein tolles Gruppenerlebnis. Aber was passiert, wenn jemand da aus irgendeinem Grund herausfällt? Was macht das mit dem Menschen? Das gilt nicht nur für die Freikirchen, sondern auch für andere Kirchen oder nicht-kirchliche Institutionen. Ich sehe diesen Fragen ganz nüchtern und gelassen entgegen, weil man das ja auch nutzen kann, um zu sagen: Ja, das ist problematisch, arbeiten wir daran.

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