Entführung ausnahmslos verboten

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Der legendär gewordene Protest der argentinischen "Madres de Plaza de Mayo" war letztlich erfolgreich. Seit kurzem werden die anderen Mütter dieser Welt, die ihre Angehörigen vermissen, von einer UN-Konvention unterstützt.

In wenigen Wochen, am 30. April, feiern die argentinischen "Madres de Plaza de Mayo", die "Mütter des Maiplatzes" von Buenos Aires, den 30. Jahrestag ihrer Protestmärsche. Bis 2006 haben diese Mütter ihren weltberühmt gewordenen Protest gegen das staatliche Verschwindenlassen ihrer Kinder und Angehörigen fortgesetzt und in dieser Zeit rund 1500 Mal demonstriert. Während der argentinischen Militärdiktatur (1976 bis 1983) verschwanden nach Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen mehr als 30.000 Menschen. Die "Madres" waren in dieser Zeit großen Anfeindungen ausgesetzt. Von vielen Argentiniern wurden sie als Staatsfeinde oder zumindest als die Mütter von Terroristen angesehen - einige von ihnen wurden deswegen auch entführt und ermordet.

Präsident als Verbündeter

Als Grund für das Auslaufen der Protestmärsche nannte Hebe de Bonafini, die Sprecherin der "Madres" gegenüber der internationalen Presse, dass sie zum einen ihren Kampf gegen die "Henker" gewonnen haben und zum anderen: Mit Nestor Kirchner ist jetzt ein verbündeter Präsident im Amt. Kirchner, der selber zur Generation der Opfer der Militärdiktatur gehört, hatte nach seinem Amtsantritt 2003 die Amnestiegesetze für Militärs aufgehoben, was zu zahlreichen Festnahmen und Verurteilungen geführt hat.

Die 77-jährige De Bonafini gibt aber auch offen zu, dass sie und ihre Mitstreiterinnen schlicht zu alt für die regelmäßig abgehaltenen Märsche geworden sind, bei denen sie jeweils 24 Stunden lang den Obelisken auf der Plaza de Mayo im Zentrum von Buenos Aires umrunden. Zugleich haben sie aber nach wie vor ihre kürzeren wöchentlichen Protestrunden beibehalten: Die Mütter versammeln sich dazu jeden Donnerstag, viele von ihnen immer noch mit den Stoffwindeln ihrer Kinder am Kopf, auf der Plaza de Mayo, wo auch der Präsidentenpalast steht - auch als Zeichen des Protests, dass in vielen anderen Ländern das staatlich angeordnete Verschwindenlassen von missliebigen Personen nach wie vor auf der Tagesordnung steht.

Allein 2006 erhielt die Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen zur Frage des Verschwindenlassens von Personen über 300 neue Fälle aus weltweit zwölf Ländern. Seit ihrer Gründung 1980 hat diese Gruppe 51.000 Vermisstenmeldungen untersucht, von denen der Großteil von den 79 betroffenen Staaten bis heute nicht geklärt ist. Dabei zeigten diese Zahlen nur die Spitze eines Eisbergs, ist Louise Arbour, die Hohe Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte, überzeugt.

Zum Anlass einer im letzten Monat in Kraft getretenen neuen UN-Konvention zum Schutz aller Menschen vor Entführung und Verschleppung, berichtete Arbour von japanischen Familien, die darauf warten zu erfahren, was tatsächlich mit ihren Verwandten passiert ist, die in den 1970er-und 80er-Jahren von Nordkorea entführt wurden. Und in Nepal werden nach Angaben des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz auch nach dem kürzlichen Ende des fast zehnjährigen Maoisten-Aufstands noch rund 800 Personen vermisst. Ruanda, Angola, Sri Lanka oder in Europa: Zypern, Tschetschenien und der Balkan sind weitere Länder und Regionen, wo die Listen der verschwundenen Personen lang sind.

Besonders alarmierend und besorgniserregend ist für UN-Kommissarin Arbour "der kontinuierliche Versuch in Konfliktregionen, Amnestien für Täter von Verbrechen des Verschwindenlassens im Austausch für Friedensgarantien zu nützen".

15 Jahre hat die Vorbereitung der besagten neuen UN-Konvention gedauert - ein untrügliches Zeichen dafür, wie viele Staaten sich von diesen Regelungen gemaßregelt fühlen und nur sehr widerwillig oder gar nicht zugestimmt haben. Das Abkommen schließt eine wichtige Lücke im internationalen Schutz der Menschenrechte, weil sie das Verschwindenlassen erstmals als Verbrechen definiert, das von den Vertragsstaaten verhindert, untersucht, verfolgt und bestraft werden muss. Mehr als 50 Staaten haben bisher die Konvention unterzeichnet, zu ihrer In-Kraft-Setzung war die Zustimmung von mindestens 20 Regierungen erforderlich. Für Österreich unterzeichnete Außenamts-Staatssekretär Hans Winkler das Dokument. Da die Konvention den Signatarstaaten auch das Betreiben von Geheimgefängnissen verbietet, gehören die USA, die in ihrem "Krieg gegen den Terror" auch angebliche Verdächtige aus verschiedenen europäischen Staaten verschleppt haben, nicht zu den Unterzeichnern der Konvention.

Keine Ausnahme gestattet

In eindeutigen Worten, die das absolute Folterverbot widerspiegeln, legt die Konvention fest, dass "niemand dem Verschwindenlassen unterworfen werden darf". Dabei werden keine Ausnahmen akzeptiert: Keine Kriegsgefahr, kein Kriegszustand, weder innenpolitische Instabilität noch andere öffentliche Notstände rechtfertigen Verschwindenlassen. Wichtige Prinzipien, zweifellos; damit sie eingehalten werden, wird es aber wahrscheinlich noch den Protest vieler anderer "Madres" auf vielen anderen "Plaza de Mayo" dieser Welt brauchen.

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