Erfolgsmodell eines Präsidenten

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Bescheiden, einer bürgerlichen Werthaltung verpflichtet, weltoffen-tolerant: Rudolf Kirchschläger prägte das Bild des Staatsoberhaupts, an dem sich auch seine beiden Nachfolger im Wesentlichen orientierten.

Rudolf Kirchschläger 1915-2000

Bundespräsident

Es war kein Zufall: Als wir unter Bundespräsident Klestil begannen, in der Hofburg eine kleine Bildergalerie der Staatsoberhäupter einzurichten, fehlte - von rührend-peinlichen Amateurgemälden abgesehen - jegliches Porträt von Rudolf Kirchschläger. Ausgerechnet er, der Diplomat und Staatsjurist, der Außenminister und Bundespräsident für zwölf lange Jahre, der als Christ und Mensch "wie Salz auf der Erde und wie Licht in vielen Dunkelheiten" (Bischof Krätzl) gewirkt hatte, ausgerechnet er hinterließ in der Hofburg fast demonstrativ kaum ein Zeugnis seines Lebens und Wirkens.

Bescheiden war er 1986 aus dem hohen Amt geschieden, um als Inbegriff demokratischer Tugenden in den Bürgerstand zurückzukehren. Nur selten noch erhob er in den folgenden 14 Jahren, die ihm gegönnt waren, seine Stimme. Und wenn, dann zu seinem Lebensthema: den Beziehungen zwischen Kirche und Staat, ihren Annäherungen und Verwerfungen - und ihrer beider Pflicht, den Menschen zuliebe "im selben Bergwerk" zu arbeiten.

Doppelte Loyalität

Immer wieder hat er über diese doppelte Loyalität nachgedacht: als Bürger und Christ, als Jurist und Christ, als Staatsmann und Christ. Und genau das war es auch, was ihn zwei Jahre nach seinem Rückzug ins Private trotz schwindender Sehkraft für die Furche zur Feder greifen ließ, um seine Gedanken über die göttliche und die menschliche - staatliche - Gnade niederzuschreiben.

Mehrfach hatte er das "Toleranzgebot des Staates" und das "Liebesgebot der Kirche" als jene Punkte bezeichnet, an denen sich die Dienste beider nicht nur berührten, sondern ergänzten und bereicherten. So war es für ihn logisch, dass es in Kirche und Staat ein unmittelbares Interesse am Wohlergehen des jeweils anderen geben sollte.

Viel hat Rudolf Kirchschläger seiner Heimat geschenkt: Als einer der "Väter" des Staatsvertrags und der österreichischen Neutralitätspolitik. Als Mitschöpfer des Konkordats und der Südtirollösung. Als "Gewissen der Nation". Und als "Erfolgsmodell" eines Präsidenten, das - bei aller Unterschiedlichkeit - noch seine beiden Nachfolger mehrheitsfähig machte: Alle aus bescheidenen Verhältnissen, bekennend katholisch und überdurchschnittlich fleißig. Alle im Dienst an Österreich bewährt und trotz bürgerlicher Werthaltung parteilos. Und alle auch als Spitzendiplomaten weltläufig, tolerant und auf Solidarität, Kompromiss und Diskretion verpflichtet.

Und doch war Rudolf Kirchschläger in dieser doppelten Treue zu Staat und Kirche ein Solitär. "Dem katholischen Glauben sehr ergeben" - so formulierte sein (neben Gattin Herma) wohl wichtigster öffentlicher "Lebensmensch", der Agnostiker Bruno Kreisky, das Unverwechselbare an Kirchschläger. Und wie ein fernes Echo klangen Kirchschlägers eigene Worte zurück: "Diejenigen unter uns, denen die Gnade des Glaubens gegeben ist ...".

Dass er für diese "natürliche Ausübung meiner religiösen Überzeugung" die Toleranz und das Verständnis der Mitbürger gefunden hatte, dafür bedankte er sich 1986 in seiner Abschiedsrede vor beiden Häusern des Parlaments nachdrücklich - bei Gott und bei den Mitbürgern.

Im Dreieck der "drei großen K's" (Kirchschläger, König, Kreisky) war er die entscheidende, harmonisierende Brücke - auch wenn der Volksmund bisweilen die republikanischen Tugendreden eher vom Kardinal und die Predigten vom Präsidenten zu erwarten schien.

Bis ans Lebensende hielt ihn die Sorge wach: Vor der Sinnentleerung des Lebens. Vor dem Zerfall der Ehen und Familien. Vor der um sich greifenden Enthemmung der Sexualität. Vor Drogensucht - und der zum Kürzel "Konsumismus" geronnenen materiellen Besessenheit.

Treu und Glauben

Kirchschlägers Welt: Rechtschaffenheit, Treu und Glauben, Gemeinwohl, Maßhalten. Verstaubte Begriffe für manche, die ihn zunächst aus Parteidisziplin, aus Mangel an Alternativen - oder doch aus einer uneingestandenen Sehnsucht nach einem überzeitlichen Wertekanon gewählt hatten; die ihn aber bald respektierten und schließlich bewunderten.

Die Botschaft, die er hinterließ, mag auch für nachfolgende Generationen bemerkenswert sein: Christlich motivierte Politik ist auch heute noch möglich. Mehr noch: Überzeugend und unerschrocken vorgelebt - ohne für Andere jemals aufdringlich oder gar verletzend zu sein - hat sie die Chance, die Achtung und Zustimmung einer Mehrheit der Mitbürger zu finden.

Der Autor war Pressesprecher der Bundespräsidenten Waldheim und Klestil und ist Herausgeber der Furche.

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