Erhard Busek  - © Foto: APA / Herbert Pfarrhofer

Erhard Busek - der prophetische Mundwerker

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Brillanter Intellektueller, begnadeter Redner, Verbinder, Visionär, Förderer der Jugend und der Künste – und guter Mensch: Erhard Busek war all das. Und noch viel mehr. Nachruf auf einen Freund.

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Brillanter Intellektueller, begnadeter Redner, Verbinder, Visionär, Förderer der Jugend und der Künste – und guter Mensch: Erhard Busek war all das. Und noch viel mehr. Nachruf auf einen Freund.

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Es war am 24. April 1989, als Erhard Busek, Josef Riegler, Wolfgang Schüssel und ich zu Ministern angelobt wurden. Wir kannten uns schon lange, denn wir kamen alle aus demselben „Stall“ – aus der Katholischen Hochschuljugend. Persönlichkeiten wie Prälat Karl Strobl, Monsignore Otto Mauer oder Kardinal König hatten uns geprägt. Unser Motto lautete: „Erfolg durch Leistung und nicht durch Beziehungen.“ An diesem Tag begann die letzte erfolgreiche Periode der damals noch großen Koalition, die hauptsächlich der Vorbereitung Österreichs auf die Mitgliedschaft in der Europäischen Union diente und im Juni 1994 mit dem fulminanten Erfolg beim EU-Referendum ihren Abschluss fand. Dass Erhard dann, am Abend im Festzelt der SPÖ, die Internationale mitsang, war jedoch nicht der Verehrung des Sozialismus geschuldet, sondern er wollte zeigen, dass er mehr Strophen auswendig konnte als die SPÖ-Spitze. So war er, der Erhard – wie wir ihn freundschaftlich nannten: ein brillanter Intellektueller, ein „begnadeter Mundwerker“, wie er selbst von sich zu sagen pflegte, ein Macher mit prophetischem Weitblick – aber auch ausgestattet mit jenem sense of humour, der ein gerütteltes Maß an Selbstkritik zuließ.

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Erhard Busek war ein Vollblutpolitiker. Für die ÖVP entdeckt wurde er wie Wolfgang Schüssel von Rudolf Sallinger, seine politische Karriere startete er zusammen mit Josef Taus, als nach dem tragischen Tod von Karl Schleinzer, kurz vor der Wahl, eine neue Parteispitze installiert werden musste. Erhard Busek wusste, dass die ÖVP gegen den damals in Hochform befindlichen Bruno Kreisky nicht die besten Chancen hatte.

Ihm war klar, dass es eine längerfristige Strategie brauchen würde, um die traditionelle Ökonomie-, Kommerzial- und Hofrätepartei in eine moderne Volkspartei umzuwandeln. Er verlangte eine radikale Öffnung und eine Reform an der Basis, mehr Bürgernähe und die Berücksichtigung grüner Themen, um zur „Kraft der Mitte“ zu werden.
Genau diese Ziele wollte er als erstes in der Wiener Kommunalpolitik umsetzen. Er wurde zum Stadtparteiobmann gewählt und begann mit seinen Freunden – allen voran Jörg Mauthe und Johannes Hawlik –, diese Ideen in die Tat umzusetzen. Das Programm „Pro Wien“, die Stadt- und Grätzelfeste befeuerten ein neues bürgerliches Selbstbewusstsein und wurden auch durch entsprechende Wahlerfolge belohnt.

Leidenschaft Mitteleuropa

Erhards besonderes Talent im Früherkennen von politischen Entwicklungen und sein unbändiger Wille nach mehr Gerechtigkeit in der Welt zeigte sich ebenfalls schon sehr früh in seinem Engagement für Mitteleuropa und den Balkan. Er baute intensive Kontakte zu den demokratisch gesinnten Kräften in diesen Ländern auf und stand bald mit Leuten wie Václav Havel, Władysław Bartoszewski , den Gründern der Solidarność und vielen Intellektuellen in Ungarn und am Balkan in Verbindung (s. re.). Er versuchte den aufkeimenden Demokratien zu helfen, wo er konnte – und das brachte ihm nach 1989 viel Vertrauen und große Anerkennung ein. Mit dem Institut für den Donauraum und durch die Einladung hunderter Studierender nach Alpbach versuchte er, bei uns mehr Verständnis für die Sorgen und Anliegen Mitteleuropas zu wecken und dort die jungen Intellektuellen und die demokratischen Bewegungen zu fördern.

Wie wäre Europas Entwicklung verlaufen, wenn wir weniger selbstzufrieden und dafür neugieriger geblieben wären?

Überhaupt waren ihm die jungen Menschen sein Leben lang ein besonderes Anliegen.

Was in seiner Jugend als katholischer Jugendfunktionär begann, fand seine Fortsetzung in seinem Engagement in der Wissenschafts- und Bildungspolitik, als Rektor der Fachhochschule Salzburg, als Vorsitzender von „Pro Scientia“, die der Förderung des besonders talentierten akademischen Nachwuchses dient, bis hin zum Präsidenten des Gustav Mahler Jugendorchesters.

Das führt mich zu einer weiteren Dimension dessen, was die Faszination des Erhard Busek ausmacht: sein großes Interesse an Kultur und Kunst. Aus zahlreichen Besuchen diverser europäischer Musikfestspiele gemeinsam mit unseren Frauen weiß ich, wie sehr Erhard Busek Musik für etwas Göttliches hielt, aber auch wie sehr er sie genoss. Doch es wäre nicht Erhard Busek, wenn er Musik nur konsumiert hätte. Er hat vieles möglich gemacht, Konzerte und Festspiele organisiert, das von Gidon Kremer gegründete Musikfest Lockenhaus präsidiert und zusammen mit Alexander Pereira die „Ouverture Spirituelle“ sowie die „Disputationes“ bei den Salzburger Festspielen entwickelt. Ganz besonders viele Kulturprojekte verdanken wir dem harmonischen Miteinander von Erhard Busek und Herbert Batliner.

Neben seinem politischen Talent war Erhard Busek vor allem sein kritischer Intellekt in seine Gene eingeschrieben. Nicht nur seine humanistische Erziehung auch seine Belesenheit, seine umfassenden Geschichtskenntnisse und sein unbestechliches Urteilsvermögen machten ihn zu einem begehrten Vortragenden und Gesprächspartner. Er blieb auch sein Leben lang ein kritischer Geist, der jedoch nicht nur Falsches richtig stellte und Unrecht kritisierte, sondern auch durchaus sehr selbstkritisch war.

Das war wohl auch der Grund, warum er schon vor einigen Jahren ein Buch mit dem Titel „Was haben wir falsch gemacht?“ herausbrachte. Darin hat er mit sich und seinen Zeitgenossen Mutmaßungen angestellt, wie die europäische Entwicklung gelaufen wäre, wenn wir weniger selbstzufrieden, dafür aber werteorientierter und noch engagierter und neugieriger geblieben wären.

Mutmacher und Initiator

Sein kritischer Intellekt ist aber nie seinem Bekenntnis zum Christsein im Wege gestanden. Dieses hat er sich selbst nicht leicht gemacht. Er hat um seinen Glauben und seine Liebe zur Mutter Kirche oft gerungen.
Nun ist er hinüber gegangen in eine neue Welt, in die Ewigkeit. Doch seine großartigen Leistungen, seine Faszination und sein Charme werden uns weiterhin an den begabten Politiker, an den Mutmacher und Initiator, an den prophetisch voraus blickenden Visionär, an den redlichen Intellektuellen, an den inspirierenden Gesprächspartner und vor allem an den guten Menschen Erhard Busek erinnern. Ich zähle ihn weiterhin zu einem meiner besten Freunde.

Der Autor war von 1989 bis 1994 Minister, 1995 bis 2004 EU-Kommissar und 2012 bis 2020 Präsident der Europäischen Forums Alpbach.

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