Es brodelt an den Rändern

Werbung
Werbung
Werbung

Der Iran ist keineswegs der homogene Staat, als der er sich gerne präsentiert. Und die vielen Minderheiten an den Grenzen gehen ganz und gar nicht mit der persischen Mehrheit konform.

Hier stand Ghasemlou, als er nach der Revolution zurückkam und die erste Ansprache hielt!" Abdullah zeigt auf ein weißes Haus am Rande des Car-Cira-Platzes, der ansonsten nichts Besonderes zu sein scheint. "Sie wissen schon, der Führer der Demokratischen Partei Kurdistans, der dann bei euch, im Exil, vom Geheimdienst ermordet wurde." Ich weiß es und ich weiß auch, dass die österreichischen Behörden alles andere als eine rühmliche Rolle spielten, als der legendäre Kurdenpolitiker am 13. Juli 1989 vom iranischen Geheimdienst in Wien erschossen wurde. Auch Abdullah weiß das, ist aber zu freundlich, das Thema von sich aus anzusprechen. So frage ich ihn, ob denn das Verhalten Österreichs bei der Ermordung der drei Kurdenpolitiker - neben Ghasemlou starben auch sein Stellvertreter Abdullah Ghaderi und der Politikwissenschafter Fadel Rasoul - hier in Mahabad, der Hochburg des kurdischen Nationalismus im Iran, diskutiert worden wäre. "Selbst-verständlich" sagt Abdullah, während er etwas beschämt zur Seite blickt, "jedes Kind weiß hier, dass die Österreicher die Mörder einfach laufen ließen, um mit dem Iran weiter Geschäfte machen zu können."

Aufmüpfige Autonomisten

Bei der Wahl Mahmud Ahmadinedschads hatte es geheißen, der neue iranische Präsident wäre persönlich in die Morde verwickelt gewesen. "Das weiß auch hier jeder", sagt Abdullah. Er sei zwar nicht unmittelbar am vom damaligen Staatspräsidenten Rafsandschani beauftragten Mord, jedoch in einer zweiten operativen Gruppe beteiligt gewesen.

Auf dem Car-Cira-Platz wurde aber schon vor Ghasemlous Rückkehr aus dem Exil 1979 Geschichte geschrieben. Hier rief man am 22. Jänner 1946 im Windschatten der sowjetischen Besatzung des Nordiran mit der Republik von Mahabad den einzigen autonomen Kurdenstaat des 20. Jahrhunderts aus, dem allerdings schon im Dezember desselben Jahres nach dem Abzug der Sowjets von Truppen des Schahs ein Ende bereitet wurde. Und hier wurden schließlich am 30. März 1947 mit Präsident Qazi Mohammed und seinen engsten Vertrauten die Führer der Republik hingerichtet. Ihr Grab ist heute noch Pilgerstätte für kurdische Nationalisten und Autonomisten verschiedenster Couleurs.

Aufmüpfige Kurden

So verankert die Demokratische Partei Kurdistans auch heute noch in der Bevölkerung ist, so wenig kann sie darüber hinwegtäuschen, dass ihre großen Tage vorüber sind. In mindestens drei Teile hat sich die Führung der größten kurdischen Oppositionspartei im letzten Jahr gespalten und damit an der Basis für Irritation gesorgt. Auch Abdullah ist frustriert, wenn es um die Politik seiner Partei geht: "Wir verstehen nicht, dass die Parteiführung in der gegenwärtigen Situation nichts besseres zu tun hat, als sich zu spalten. Da geht es nur um Machtkämpfe. Wir fühlen uns von der Führung im Stich gelassen."

Die iranischen Kurden galten wie die von ihren sowjetischen Brüdern nördlich der Grenze beeinflussten Azeris schon zu Zeiten des Schahs als aufmüpfige Bevölkerungsgruppe. So wenig sie sich der Diktatur der Pahlewis unterwerfen wollten, wollen sie jetzt im schiitischen Gottesstaat leben. Verschärft wird diese Ablehnung der "islamischen Republik" noch durch die Tatsache, dass die Mehrheit der iranischen Kurden Sunniten sind und ein nicht geringer Anteil v.a. in der Region Hawraman an der irakischen Grenze der Sekte der Ahl al-Haqq angehört, die schiitische Einflüsse mit vor- und nichtislamischen Traditionen verbindet.

Aufmüpfige Balutschen

Sunnitisch sind auch die Balutschen im Südosten des Iran, deren Autonomiebewegungen nicht nur Kontakte zu extremistischen sunnitischen Gruppen wie den Taliban aus Afghanistan nachgesagt werden, sondern von denen viele auch vom Drogenhandel aus dem Nachbarland leben. Die ökonomische Vernachlässigung der Region, die Verdienstmöglichkeiten im Drogenhandel, die chaotischen politischen Verhältnisse in den Nachbarstaaten Afghanistan und Pakistan und die Guerillaaktivitäten der sunnitischen Islamisten der Jund Allah (Soldaten Gottes) ergeben eine brisante Mischung in Irans Südostprovinz Sistan und Balutschistan. Verbindungen der Jund Allah zu Al Kaida und den Taliban scheinen US-Geheimdienste nicht davon abzuhalten, diese gegen den Iran zu unterstützen. Im April berichtete der US-Sender ABC über die geheime Un-terstützung für die militante Sunnitengruppe. Einen Tag zuvor war Jund Allah-Führer Abdul Malik Rigi im US-Regierungssender Voice of America als "the leader of popular Iranian resistance movement" aufgetreten, was zu Protesten von Exiliranern in den USA führte.

Aufmüpfiges Khusistan

Zu den traditionellen Unruheregionen des Landes zählt auch die mehrheitlich arabischsprachige Südwestiranische Provinz Khusistan. Oppositionelle hatten mich davor gewarnt, dort zu viel Arabisch zu sprechen, man mache sich damit schnell verdächtig. Vor Ort sieht die Situation weniger dramatisch aus. Zwar ist die Militärpräsenz hier deutlich höher als im Zentraliran, dies dürfte aber nicht nur mit den in der Region tätigen arabischen Untergrundgruppen zusammenhängen, sondern auch mit der nahen irakischen Grenze.

Während der Iran selbst bewaffnete Gruppen im Irak unterstützt, ist hier auch die Angst bemerkbar, die ethnisierte Gewalt im Nachbarland könnte auf den Iran übergreifen. Dass er nicht nur mit der Regierung nichts anfangen kann, sondern sich als Araber überhaupt nicht mit dem Iran identifiziere, erzählt mir Hassan, ein junger Mann, vor dem für Muslime wie Juden heiligen Grab des Propheten Daniel in Shush.

Neben Arabern und Persern leben in Khusistan seit Jahrhunderten Lori, turksprachige Nomaden, Christen, Mandäer und Juden zusammen. Eine Ethnisierung politischer und ökonomischer Kämpfe wäre hier fatal und könnte ähnliche Zustände heraufbeschwören, wie sie aus dem Irak bekannt sind.

Der Autor ist Lehrbeauftragter an der Uni Wien, im Wadi-Vorstand und freier Journalist.

HINWEIS: Auch der Film "Children of the Prophet" setzt sich mit dem Iran auseinander (Seite 16 dieser Furche).

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung