6681006-1961_44_04.jpg
Digital In Arbeit

Es gab keine vier Sieger

Werbung
Werbung
Werbung

Man könnte die oberösterreichi- sehen Wahlen, wenn man nur das Gesamtergebnis und die unveränderten Mandatszahlen betrachtet, rasch abtun und zur Tagesordnung fibergehen — ja, wenn nicht die Gesamtergebnisse, vor allem aber eine Fülle von Details, außerordentlich interessant und bezeichnend für die politische Entwicklung in Oberösterreich selbst, aber auch darüber hinaus wären.

Die Volkspartei selbst konnte die 1955 unmittelbar nach Abzug der sowjetischen Besatzungstruppen im Mühlviertel und der amerikanischen im Gebiet südlich der Donau wiedererlangte absolute Mehrheit in Landtag und Landesregierung nicht nur halten, sondern sogar noch festigen, indem sie zwei Reststimmenmandate in Grundmandate verwandelte und sämtliche 25 Mandate als Direktmandate erhielt. Mit den 315.957 Stimmen, die die Volkspartei erhielt, ist sie aber auch rein stimmenmäßig haarscharf an die 50-Prozent-Grenze gekommen; sie konnte auch gegenüber den ausgezeichneten Landtagswahlen von 1955 ihren Stimmenanteil von 48,1 auf 48,8 Prozent erhöhen.

Die Sozialisten, die auch in Hinkunft im Landtag über 19 Mandate und in der Landesregierung über vier Sitze verfügen werden, gewannen wohl gegenüber 1955 14.139 Stimmen, verloren aber gegenüber den Nationalratswahlen 1959 22.421 Stimmen, was zweifellos einem kleinen Erdrutsch gleichzusetzen ist.

Die Freiheitlichen — die eigentlichen Verlierer

Die eigentlichen Verlierer dieser Wahl waren trotz geringer Gewinne gegenüber den letzten Landtags- und gegenüber den Nationalratswahlen die Freiheitlichen, die bei den bisherigen vier Mandaten stehenblieben. Damit kamen sie nicht über die Situation des Jahres 1955 hinaus, und dieses Jahr bedeutete für die Freiheitlichen im Übergang vom Vdll zur FPÖ die Zeit ihręs gjrößjen Tiefstandes..’ Die neue Führung von Abg. Peter, Fleiß, Aktivität und nicht wenig Geld brachten sie nicht aus ihrem bisherigen Getto heraus; auch für die Zukunft entschwand die Hoffnung, wieder in der oberösterreichischen Landesregierung vertreten zu sein. Der Hinweis, den der Landes- und Bundesparteiobmann unmittelbar nach Bekanntwerden der Wahlergebnisse gab, die FPÖ habe ihre Position als „kontrollierende Opposition verstärkt”, ist kaum mehr als ein billiger Trost.

KP noch bedeutungsloser

Die Kommunisten schließlich, die 12.432 Stimmen, aber kein Mandat erhielten, rutschten auf 1,9 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen und kamen damit auf den niedrigsten Stand seit 1945.

Nicht allzu sichtbar wurde das Ansteigen der Wähler, das seit den letzten Landtagswahlen rund 100.000 Stimmen, seit den letzten Nationalratswahlen mehr als 40.000 Stimmen ausgemacht hätte. Schuld war die schlechte Wahlbeteiligung, aber auch die hohe Zahl der ungültigen Stimmen: mit 92,7 Prozent war es die niedrigste Wahlbeteiligung seit dem Jahre 1945. Die Gruppe der 52.077 Nichtwähler steht gleich hinter der Gruppe der FPÖ-Wähler und hätte ohne Schwierigkeiten drei Mandate erzielt. Das Emporschnellen der Zahl der ungültigen Stimmen ist vor allem auf die Neueinführung des amtlichen Stimmzettels zurückzuführen, zum Teil allerdings auch auf die Tatsache, daß gleichzeitig zwei Stimmzettel (für die Landtags- und für die Gemeinderatswahlen) auszufüllen waren und in sehr vielen Briefumschlägen nur ein gültiger und ein unausgefüllter Stimmzettel enthalten waren.

Spannende Wahlarithmetik

Die schwache Wahlbeteiligung ging erstmals entscheidend auf Kosten der Sozialisten. Besonders deutlich wurde dies im Wahlkreis Linz; hatten die anderen oberösterreichischen Wahlkreise im Durchschnitt den Anteil der Nichtwähler um 1,5 bis 3,0 Prozent erhöht, so war er im Linzer Wahlkreis gar um 5,6 Prozent gestiegen. Diesem Umstand war es übrigens zu danken, daß die Volkspartei hier völlig un erwartet — und erstmals überhaupt - ein viertes Grundmandat erhielt.

Auch sonst gab es bei den oberösterreichischen Wahlen wahlarithmetische Unika; in Gmunden zum Beispiel ist das letzte Mandat der Sozialisten an einer Stimme gehangen; im Traunviertel hätte die Volkspartei, hätte sie rund 300 Stimmen mehr errungen, ein sechstes Grundmandat erhalten. Es wäre dann die einmalige Situation entstanden, daß sämtliche 48 oberösterreichischen Mandate Grundmandate gewesen wären und rund 31.000 sozialistische Stimmen, die sonst etwa drei Mandate eingebracht hätten, völlig unberücksichtigt geblieben wären. Diese 300 Stimmen im Traunviertel hätten übrigens eine Zusammensetzung in der Landesregierung von sechs ÖVP- und drei SPÖ- Mitgliedern ermöglicht.

Es sind vor allem drei bezeichnende Merkmale, die, mehr noch als von der Gesamtsumme, von den Einzelergebnissen illustriert werden: So zeigt vor allem der sehr gleichmäßige Rückgang sozialistischer Stimmen auf dem Lande, daß man eher von einem sozialistischen „Rückmarsch” vom Land sprechen kann, der auch in der noch anhaltenden Landflucht keine Begründung findet. Vor alleig scheint sich diesmal die Masse der in Oberösterreich bedeutsamen „Pendler” von den Sozialisten abgewendet zu haben.

Nicht weniger bezeichnend ist, daß an zahlreichen politischen Brennpunkten, in kleineren Industriezentren, vor allem aber auch an den Stadträndern und nicht zuletzt am Linzer Stadtrand, die Volkspartei mancherlei Einbrüche zu erzielen vermochte.

Wem verdankt die Volkspartei ihre Erfolge?

Dem stehen bis auf ganz wenige Ausnahmen (wie etwa Braunau!)

keinerlei sozialistische Gewinne in den Industriezentren gegenüber.

Man kann wirklich nicht leugnen, daß es sich in Oberösterreich um eine Persönlichkeitswahl gehandelt hat. Von vornherein hat die ÖVP Landeshauptmann Dr. G 1 e i ß n e r ganz stark in den Vordergrund gestellt, der keinen entscheidenden Gegner hatte. Während der oberösterreichische Landtag leider — vom Obmann des Christlichen Landeslehrervereins, Nationalrat a. D. Prof. Rödhammer, abgesehen — keine allzu starken neuen Persönlichkeiten aufweisen wird, hat man wieder ganz unten, in den Gemeinden, überwiegend gute und viele junge Männer aufgestellt, von denen manche reine Durchbruchsschlachten schlugen und hier die ÖVP-Erfolge lokal noch weiter ausbauten.

Darüber hinaus scheint die starke Forcierung junger Kandidaten der Volkspartei Sympathien der Jungwähler eingebracht zu haben. Letztlich war die Propaganda der Volkspartei jener der anderen Parteien nicht nur an Intensität, sondern auch an Ideen voraus.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung