#Es geht schon lange nicht mehr um Meinungsfreiheit#

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Nel van Dijk ist Direktorin des Instituts #Haus für Rechtsstaat und Demokratie#. Van Dijk war auch Abgeordnete zum EU-Parlament für die niederländische #GroenLinks#-Bewegung und im Ausschuss für Beziehungen zum Nahen Osten.

Die Furche: Wie ist das Verhältnis zwischen Wilders Partei PVV und seinem islamkritischen internationalen Netzwerk?

Nel van Dijk: Wilders ist tatsächlich sehr aktiv darin, Gruppen in anderen Ländern aufzusuchen. Dabei beschränkt er sich keineswegs auf Europa, er orientiert sich auch deutlich in die USA. Außerdem hat er in gewisser Weise auch einen Teil seiner Wurzeln in Israel. Er sucht diese internationalen Gruppen sehr nachdrücklich auf. Dadurch spielt er eine wichtige Rolle beim Organisieren des internationalen Netzwerks. Dennoch ist es nicht so, dass die PVV ausschließlich der Motor dieses Netzwerks ist. Sie hat sicherlich einen stimulierenden Effekt darauf, aber sie hält vor allem eine Bewegung zusammen, die ohnehin Gemeinsamkeiten hat und schon in verschiedenen Ländern besteht.

Die Furche: Hat die PVV eigentlich zwei verschiedene Agenden? Eine für den Hausgebrauch in den Niederlanden, eine auf internationaler Ebene? Und wie wichtig sind diese Standbeine für die Partei?

Van Dijk: Ich denke, die beiden Agenden unterscheiden sich nicht besonders voneinander. Und wenn Geert Wilders und die PVV längerfristig eine Rolle spielen wollen, müssen sie auch auf internationalem Parkett zeigen, dass eine gemeinsame Bewegung besteht. Im EU-Parlament gehören die PVV-Abgeordneten bisher keiner Fraktion an, das beschränkt ihren Einfluss natürlich sehr.

Die Furche: Vergleichen wir Wilders mit Rita Verdonk, einer weiteren niederländischen Rechtspopulistin, die vor einigen Jahren Erfolg hatte. Sie nannte ihre Bewegung #Stolz auf die Niederlande# und hatte nationalen Bezug, während Wilders einen weiteren Fokus hat und eher von Kulturkampf spricht.

Van Dijk: In diesem Sinn ist das richtig. Aber auch Wilders spricht von besseren Niederlanden, in dem die Niederländer sich wieder zu Hause fühlen. Wenn er diese Stimmen gewinnen will, kann er gar nicht anders, als an das Gefühl zu appellieren, dass Menschen dabei sind, ihr eigenes Land zu verlieren. Sein Gedankengut allerdings ist deutlich grenzüberschreitender als das von Verdonk.

Die Furche: Wie bewerten Sie denn Wilders Auftritt in Berlin?

Van Dijk: Was mir auffiel, ist gerade, dass er dort dieselbe Geschichte erzählt hat. Nämlich, dass Deutschland wieder deutscher werden muss. Was er in den Niederlanden über die Niederlande sagt, sagt er in Deutschland über Deutschland. Er findet offenbar auch, dass die Länder sich wieder auf ihre eigene Identität zurückbesinnen müssen, dass ein Unterschied besteht zwischen niederländischer und deutscher Identität und dass das so bleiben muss. In dieser Hinsicht ist das also eine sehr konservative Vision: Es muss wieder zurück dahin, wie es einmal war. Das Gemeinsame, was als Schicht darüber liegt, ist nur, dass die westliche Kultur gegen Einflüsse von noch weiter draußen beschützt werden muss.

Die Furche: Unterscheidet sich eigentlich Wilders niederländisches Publikum von dem auf internationaler Ebene? Hier richtet er sich an Henk und Ingrid, zwei fiktive hart arbeitende Durchschnittsbürger, draußen zieht er liberale Intellektuelle an.

Van Dijk: Sicherlich. Ich denke, das hängt damit zusammen, dass der Abstand die Perspektive auf ein Land verändert. In den Niederlanden denkt man schon lange nicht mehr, dass es Wilders nur um die Meinungsfreiheit geht. Die Meinungsfreiheit zu verteidigen ist vor allem für Intellektuelle sehr wichtig. Grundsätzlich aber denke ich, dass Strömungen, die man mit der PVV vergleichen kann, in allen Ländern dasselbe Publikum anziehen.

* Das Gespräch führte Tobias Müller

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