"Es geht um Grund und Boden"

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Der Oberösterreicher Klaus Schnopfhagen ist für die Caritas als Wassertechniker im Westsudan. Zu Beginn der Regenzeit eskaliert in den Flüchtlingslagern die hygienische Situation. Die Auseinandersetzungen zwischen den arabischen Milizen und der afrikanischen Dorfbevölkerung in Darfur charakterisiert Schnopfhagen als einen Konflikt um Land.

Die Furche: Was machen Sie zurzeit in der Region Darfur?

Klaus Schnopfhagen: Caritas International kooperiert hier mit der Organisation ACT-Acting by Churches Together - das ist ein Netzwerk internationaler Organisationen, die Leute entsenden und das Geld in eine gemeinsame Operation einbringen. Zunächst wurde in Nyala, der Hauptstadt Süd-Darfurs, eine Delegation eingerichtet. Dort bin ich vorletzte Woche angekommen. Wir haben uns dann entschieden, das Projekt gleich 200 km westlich nach Zalingi auszuweiten, weil da bis jetzt nur ganz wenig passiert ist, denn es war bislang schwierig, von einem Ort zum andern zu kommen - oft waren Reisegenehmigungen nur schwer zu erhalten. Jetzt ist das leichter geworden. In Zalingi schaffen wir gerade nötige Rahmenbedingungen (Unterkunft, Kommunikation) und etablieren Kontakte zu Behörden und Organisationen vor Ort. In den nächsten Tagen wollen wir in zwei großen Camps bei Zalingi mit einem Sanitärprogramm - Verbesserung der Hygiene, Vorbeugung von Seuchengefahr etc. - beginnen.

Die Furche: Wieviele Menschen befinden sich im Umkreis der Stadt?

Schnopfhagen: Zalingi hat normalerweise 30.000 Einwohner, jetzt leben hier zusätzlich 80.000 bis 100.000 Flüchtlinge ...

Die Furche: ...ohne sanitäre Infrastruktur?

Schnopfhagen: Genau. Einiges ist zwar schon durch unsere lokalen Partner geschehen: ACT kooperiert schon seit einigen Jahren mit zwei sudanesischen Hilfsorganisationen, auf diese Ressourcen können wir auch jetzt zurückgreifen. Diese Organisationen haben etwa in den Camps schon 400 Latrinen errichtet, aber bei 100.000 Leuten heißt das, 40 Familien müssen eine Latrine benutzen. De facto tun sie das natürlich nicht, sondern viele gehen aufs Feld zwischen die Hütten. Das ist besonders in Hinblick auf die jetzt stärker werdende Regenzeit fatal, weil das Verteilen der Krankheitserreger über Fäkalien außer Kontrolle gerät. An einem normalen, heißen Sonnentag war es in den sehr dünn besiedelten Dörfern kein Problem, wenn jemand hinter dem nächsten Busch sein Geschäft verrichtet. Aber hier, in einer so dichten Situation mit durch Mangelernährung geschwächten Leuten und dem Regen ist das eine massive Verschlechterung der Situation.

Die Furche: Ist der Hunger das große Problem oder die Seuchengefahr?

Schnopfhagen: Mit der zweiten Lebensmittelverteilung via World Food Programme wurde hier massiv Druck heraus genommen. Grundsätzlich ist aber die ergänzende Nahrung für Kinder und Kranke dringend notwendig: Es kommt zu ernsten Problemen, wenn man da nur auf die einfachen Grundnahrungsmittel angewiesen ist.

Die Furche: Die Leute in den Camps sind vor den arabischen Milizen geflohen. Wie erleben Sie diese politische Lage?

Schnopfhagen: Entlang der Strecke von Nyala nach Westen sind wir an Dörfern vorbeigekommen, die wirklich niedergebrannt worden waren, da sind ganze Dörfer in diverse Flüchtlingslager umgesiedelt. Im Lager bilden diese Dörfer dann eine eigene Zelle. In den Lagern ist es einigermaßen sicher, aber außerhalb, wenn die Frauen Feuerholz sammeln, kommt es immer wieder zu Übergriffen. Wer da genau dahinter steckt, ist oft nicht leicht zu sagen, aber die Menschen sind so verunsichert, dass sie das Camp nicht verlassen wollen und sich nicht in ihre Dörfer zurück trauen.

Die Furche: Haben Sie selber Erfahrung mit den Milizen?

Schnopfhagen: Ja, man trifft sie entlang der Straße: Es gibt da nicht nur Regierungs-Checkpoints, sondern auch von den Dschandschawid, aber die winken uns durch. Mein persönliches Sicherheitsempfinden ist aber ein gutes.

Die Furche: Regierung und Milizen dulden Sie also?

Schnopfhagen: Hier in Zalingi geht es mit den Offiziellen relativ gut. Wenn es aber bei einem Konflikt notwendig ist, dass Hilfsorganisationen kommen, dann ist das gleichzeitig auch eine Anklage an irgendjemanden. Und diese Präsenz erzeugt natürlich Druck. Die Regierung hat da sicher gemischte Gefühle.

Die Furche: Und wenn gegen den Sudan internationale Sanktionen kommen?

Schnopfhagen: Das nehme ich auch nur über die Medien wahr. Mein Gefühl ist, dass Sanktionen oder noch drastischere Mittel das Arbeiten für uns nicht leichter machen. Druck erzeugt Gegendruck: das fürchte ich in dieser Situation. Wenn ich vergleiche, was sich in den letzten Monaten in diesem Konflikt getan hat, dann ist man, je stärker Druck ausgeübt wurde, desto geschickter dem ausgewichen oder hat Zusagen gemacht, die nicht gehalten wurden.

Die Furche: Was kann man von Österreich aus tun - außer die Caritas zu unterstützen?

Schnopfhagen: Ich möchte grundsätzlich positiv feststellen, dass die Hilfsorganisationen hier sehr eng zusammenarbeiten, das soll man nicht nur auf die Caritas reduzieren. Es ist schwer zu sagen, was man in Österreich machen kann: Ich weiß zu wenig, um einschätzen zu können, ob politischer Druck helfen kann oder nicht. Im Augenblick geht es sicher vor allem darum, Bereitschaft zu mobilisieren, das Ganze finanziell zu unterstützen.

Die Furche: Geht es bei den Auseinandersetzungen um den Islam oder um Religion?

Schnopfhagen: Ich würde sagen, es handelt sich hier nicht um eine ethnisch-religiöse Sache. Die Situation lädt zu einer vereinfachten Sicht ein, indem das Ganze auf eine Auseinandersetzung arabisch-stämmige Dschandschawid gegen die Bauern des Volkes der Fur reduziert wird. Die Ursache liegt meiner Beobachtung nach ganz banal im Grund und Boden, den die Leute brauchen, um zu wirtschaften. Offensichtlich wird für die nomadischen Araber mit ihrem Vieh der Platz weniger, auch vom Tschad her schreitet die Verödung fort: So entsteht ein Verdrängungswettkampf um Grund und Boden.

Und beide Gruppen haben einen unterschiedlichen Stil - die ansässigen Bauern mit ihrer Landwirtschaft und die Dschandschawid, die nicht ursprünglich Milizen sind, sondern Nomaden: Das reduziert man dann auf einen Konflikt Araber gegen Fur. Aber ganz banal geht es darum, was man für seinen Lebenserwerb braucht. Die einen haben eben Vieh und die anderen haben Grund. Erschwerend dazu ist die Rechtslage: Im Sudan ist derjenige Besitzer des Landes, der ihn bewirtschaftet. Wenn die Flüchtlinge jetzt von ihren Dörfern vertrieben sind und lange Zeit nicht zurück können, so erwächst, wer sich auch immer dort ansiedelt und es bewirtschaftet, dem das Recht auf die Nutzung des Landes. Darum ist es dringend notwendig, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Leute möglichst schnell in ihre Dörfer zurück können. Das ist auch ihr größtes Anliegen.

Wenn wir fragen, was die Leute brauchen, dann erwähnen sie schon beiläufig Wasser, Essen, Decken - aber im Vordergrund steht, dass sie Frieden haben und in ihre Dörfer zurückkehren wollen. Nur das können wir als Hilfsorganisationen natürlich nicht gewährleisten.

Das Gespräch führte Otto Friedrich.

Wasserstellen und Hygiene sichern

Mit Beginn der Regenzeit spitzt sich die Situation der Flüchtlingslager in der westsudanesischen Region Darfur dramatisch zu. Caritas-Mitarbeiter Klaus Schnopfhagen, Wassertechniker aus Steyr, versucht in der Stadt Zalingi hygienische Mindeststandards und Wasserstellen in den Flüchtlingslagern zu sichern. -

Letzten Freitag setzte der UN-Sicherheitsrat dem Sudan eine 30-Tage-Frist, um die arabischen Dschandschawid-Milizen, die für die Gräueltaten und Vertreibungen des im Westsudan sesshaften Fur-Volkes verantwortlich gemacht werden, zu entwaffnen. Die UN-Resolution droht nach Ablauf der Frist mit nicht spezifizierten "Maßnahmen", die Forderung der USA nach "Sanktionen" gegen den Sudan fand im Sicherheitsrat keine Mehrheit. Sudans Armeeführung erklärt, sie betrachte die UN-Resolution zur Darfur-Krise als "Kriegserklärung". ofri

Spendenkonten: Caritas PSK 7.700.004 KW "Sudan", www.caritas.at

Ärzte ohne grenzen Notfallfonds für Darfur

PSK 93.040.950, www.aerzte-ohne-grenzen.at

DIAKONIE PSK 2.313.300 KW "Sudan", www.diakonie.at

unicef PSK 1.516.500 KW "Kinder Sudan",

www.unicef.at

Rotes kreuz PSK 2.345.000 KW "Sudan",

www.roteskreuz.at

CARE PSK 1.236.000 KW "Sudan", www.care.at

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