„Es gibt kein Zurück mehr in einen neuen Bürgerkrieg!“

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Ex-Minister Mahdi Ibrahim hat die neuen Konflikte vorausgesagt – die Schuld daran gibt er dem Haager Kriegsverbrechertribunal. Friedensaktivist Light Aganwa will nicht schwarzmalen.

Die Geschichte des zweiten Bürgerkriegs zwischen dem Nord- und Südsudan (1983–2005) liest sich auf weiten Strecken zwar völlig anders, doch Mahdi Ibrahim beharrte auf seiner Meinung: Sudans Präsident Omar Hassan al-Bashir sei kein Kriegstreiber, sondern im Gegenteil: „Erst er hat es geschafft, dieses Friedensabkommen zustande zu bringen.“ Ibrahim, Ex-Kommunikationsminister und Berater Bashirs, kam letztes Jahr als Vorsitzender im außenpolitischen Ausschuss des sudanesischen Parlaments nach Wien – um Bashir gegen den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofes in den Haag zu verteidigen. Und Ibrahim warnte vor Journalisten in der Wiener UNO-City, dass mit dem Haftbefehl „ein neues Kapitel voller Chaos und Anarchie“ im Sudan eröffnet werde.

Die Haager-Anklage würde Rebellengruppen im ganzen Land die Rechtfertigung geben, sich gegen Khartum und Bashir zu erheben, so Mahdi Ibrahims Gedankengang. Mit dem Haftbefehl würde aber nicht nur Rebellengruppen eine „Card Blanche“, also ein Blankoscheck ausgestellt, Ibrahim sagte zudem voraus, dass damit auch die Implementierung des Friedensabkommens zwischen Nord und Süd und das für 2011 avisierte Unabhängigkeitsreferendum in Gefahr sind.

Monate später wird Ibrahims Ankündigung von der Wirklichkeit bestätigt: Die Gewalt im Süden nimmt zu, die anstehenden Wahlen und das Referendum geraten unter Druck. Dass daran aber der Haager Gerichtshof maßgeblich Schuld hat, werden nicht viele außer Ibrahim & Co. behaupten

Light Wilson Aganwa, Friedensaktivist und Direktor der Hilfsorganisation MRDA, kommt gerade aus Juba im Südsudan nach Khartum zurück, als ihn die FURCHE am Telefon erreicht. „Nur ein Krieg der Worte“, kommentiert er die Warnungen vor einem neuerlichen Gewaltausbruch zwischen Nord und Süd und er versichert: „Es gibt kein Zurück mehr in einen neuen Bürgerkrieg!“

Die von Aganwa geleitete „Mundri Relief and Development Association“ (MRDA) veranstaltet unter anderem Demokratiekurse für junge Wählerinnen und Wähler. Die letzten Wahlen liegen ein Vierteljahrhundert und länger zurück – da war ein Großteil des Wahlvolkes noch gar nicht auf der Welt oder im Kleinkindalter. Ohne demokratisches Wissen aber keine demokratischen Wahlen.

Ein Friedensabkommen ist wichtig, sagt Aganwa, aber entscheidend ist die Umsetzung, die Implementierung dieses Abkommens. Mit den jüngsten Fortschritte dabei erklärt er seinen zuversichtlichen Ausblick in die Zukunft. Zwei Tage vor dem Jahreswechsel konnte sich das sudanesische Parlament auf ein „faires Procedere“ für die Abhaltung des Referendums über die Unabhängigkeit des Südens einigen. Der Präsident der parlamentarischen Gruppe des Südsudan, Jasser Armane, sprach von einem „neuen Tag für die Herstellung von Vertrauen“. Hoffentlich müssen er und Aganwa sich nicht bald korrigieren und zu dem auch in Afrika geläufigen Spruch zurückkehren: Man soll den Tag nicht vor den Abend loben. (wm)

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