"Es gibt keine gemäßigten Taliban"

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Ich möchte zunächst einmal die Rolle Pakistans in den letzten Jahren herausgreifen, vor allem die wichtige Rolle Pakistans bei der Schaffung der Taliban. Für die Zukunft Afghanistans ist es nach über 20 Jahren Krieg wichtig, dass ein Staat geschaffen wird, den alle befürworten. Aber solange Pakistan nicht akzeptiert, dass Afghanistan ein eigenes Land ist und weiterhin versucht, Afghanistan zu kontrollieren, wird das Land nicht zur Ruhe kommen.

Oft spricht man heute von den Taliban, von Bin Laden und von Pakistan - und man trennt da oft die Dinge. Aber alles gehört zusammen: Ohne Pakistan gibt es keine Taliban, ohne Taliban gibt es keinen Bin Laden. Und dann spricht man auch oft von moderaten und von strengen Taliban. Mich schockiert das. Denn in all den Jahren in denen Männer und Frauen - vor allem Frauen - so leiden mussten, dass sich viele, um dem Elend zu entkommen, ihr Leben nahmen, habe ich von keinem Taliban gehört, der sich dagegen aufgelehnt hätte. Es gibt keine gemäßigten und keine harten Taliban - es gibt Taliban, Schluss aus.

Ein weitere wichtige Klarstellung: Afghanistan wird seit eh und je von vielen ethnischen Gemeinschaften bevölkert. Man spricht von diesen und jenen Prozentzahlen, benennt die Mehr- und Minderheiten. Diese Zahlen werden dann im Interesse der einzelnen Gruppierungen aufgeblasen beziehungsweise von anderen wieder in Frage gestellt. Aber all das ist unehrlich. Diese ethnischen Gruppierungen werden instrumentalisiert - das ist faschistisch und führt nur noch zu größeren Problemen.

Und wenn im Westen immer von Ethnien gesprochen wird, dann schockiert mich das. Mit solchen Thesen von Ethnien kann man keinen Frieden schaffen. Alle Afghanen sind primär Afghanen. Alle haben die gleichen Rechte - Männer und Frauen. Wenn von der Volksversammlung, der "Loye Jirga", die Rede ist, spricht man immer von den verschiedenen Ethnien. Aber diese These gehört in Frage gestellt. Denn es leidet doch die afghanische Bevölkerung als Ganzes.

Was nun die Frauen in Afghanistan betrifft: Sie müssen in Zukunft die gleichen Rechte wie die Männer genießen dürfen. Das muss ein integraler Bestandteil des Friedensprozesses werden. Die Frauen in Afghanistan werden heute schlechter behandelt als Tiere. Sie haben überhaupt keine Rechte. Frauen sind vollkommen wertlos - dem muss nun ein für allemal ein Ende gesetzt werden.

Choukria Haidar ist Präsidentin der afghanischen Frauenrechtsorganisation NEGAR.

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