"Es ist nicht Aufgabe der Kassen, Gewinne zu machen"

Werbung
Werbung
Werbung

Erwin Rasinger, ÖVP: Mit 1,5 Milliarden Schilling Überschuß sind die Krankenkassen nur sehr knapp im Plus. Wenn die Zahl der Krankentage wieder auf das bisherige Niveau ansteigt, sind 700 Millionen Schilling sofort wieder weg. Jetzt die Krankenscheingebühr aufzuheben, wäre daher sicher voreilig. Was aber in der Diskussion völlig untergeht: Es ist nicht die Aufgabe der Kassen, Gewinne abzuwerfen, sondern ausschließlich, eine Versorgung sicherzustellen.

In vielen Bereichen ist für Patienten der Zugang zu Leistungen erschwert worden. So ist es etwa für einen Krebspatienten sehr schwierig, eine Ernährung mittels Sonde zu erhalten. Auch die Schmerztherapie muß er sich selbst bezahlen. Natürlich kann man immer noch mehr sparen, indem man noch mehr streicht. Aber die entscheidenden Fragen werden dabei vernebelt: Was ist menschlich? Was ist notwendig und was überflüssig? Sparen ist nichts Schlechtes, nur darf es nicht auf Kosten der Menschlichkeit gehen.

Klara Motter, LIF: Daß die Krankenkassen einen Überschuß erwirtschaftet haben, ist löblich. Aber sie haben das durch Leistungskürzungen erreicht: bei den Kuraufenthalten, beim Krankengeld, bei den Arzthonoraren. Dazu kommt der Rückgang der Krankentage, sicher eine Folge der Angst um die Arbeitsplätze.

Eine echte Strukturreform ist ausgeblieben: Es gibt noch immer keine wirkliche Autonomie für die Kassen und die Pflichtversicherung statt einer Versicherungspflicht. Strukturell muß noch viel geschehen, das Verkrustete muß weg - darüber dürfen die Überschüsse nicht hinwegtäuschen.

Die Überschüsse müßten den Versicherten zugute kommen: Die Krankenscheingebühr müßte fallen, eine Beitragssenkung würde helfen, mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Alle Zahnärzte sollten Kassenverträge bekommen. Daß die Ambulatorien jetzt mehr Leistungen anbieten dürfen, sehe ich nicht grundsätzlich negativ. Mehr Wettbewerb ist gut - wenn für alle die gleichen Bedingungen gelten.

Theresia Haidlmayr, Grüne: Daß die Sanierungsmaßnahmen gegriffen haben, sieht man am Überschuß. Aber warum werden Selbstbehalte, Krankenscheingebühr etc. weiterhin aufrechterhalten? Daß dieser finanzielle Rückhalt nötig ist, um nicht bei der ersten Grippewelle gleich wieder ins Minus zu rutschen, ist dafür kein Argument.

Die Krankenscheingebühr war ursprünglich nur für ein Jahr geplant, nur will davon heute niemand mehr etwas wissen. Deshalb ist vielen der Wirbel um die Chipcard ganz recht - so kann die Krankenscheingebühr noch eine Weile aufrechterhalten werden. Die bisherigen Verteuerungen waren nur der Anfang. Auch bei Heilbehelfen und Hilfsmitteln sollen die Selbstbehalte angehoben werden. Sobald neue Verträge mit den Bandagisten ausgehandelt werden, wird wieder der Patient draufzahlen - obwohl der Rechnungshof feststellte, daß die Hilfsmittel in Österreich schon jetzt zu teuer sind. Leider wurde dieser Teil des Rechnungshofberichtes noch nicht zur Veröffentlichung freigegeben.

Alois Pumberger, FPÖ: Der größte Brocken der Einsparungen ist zu Lasten der Pflichtversicherten gegangen. Sallmutter kann doch dem mündigen Staatsbürger nicht vorgaukeln, die Einsparungen im Verwaltungsaufwand und im Medikamentenbereich hätten den Karren aus dem Dreck gezogen!

In Wahrheit waren es die Erhöhung der Rezeptgebühren um 20 Prozent, die Einführung der Krankenschein-Steuer und die Beitragserhöhung für Pensionisten.

Ausgabenseitig wirken sich die Chefarztpflicht bei vielen Medikamenten und Therapien, die Einsparungen im Kuraufenthaltsbereich und die Limitierung von ärztlichen Leistungen aus. Also lauter Maßnahmen auf dem Rücken der Patienten.

Es ist höchste Zeit für ein Ende der Monopolstellung der Krankenversicherung. Den Versicherten muß die Möglichkeit eröffnet werden, sich so wie in Deutschland ihre Krankenversicherung auf dem freien Versicherungsmarkt zu wählen.

Walter Guggenberger, SPÖ: Natürlich bin ich froh, daß die Kassen wieder liquid sind. Das Maßnahmenpaket des Gesetzgebers, aber auch die Krankenkassen im Rahmen ihrer Selbstverwaltung waren offensichtlich erfolgreich. Die Diskussionen um höhere Beiträge und Gebühren sind damit jedenfalls vom Tisch.

Die erfolgreiche Sanierung soll aber kein Anlaß für falsche Begehrlichkeiten sein.

Für jeden einzelnen von uns sind 1,5 Milliarden Schilling unvorstellbar viel Geld - für die österreichischen Krankenkassen ist das der Bedarf von wenigen Tagen.

Außerdem lauern hinter der nächsten Ecke schon wieder höhere Ausgaben: Die Plafondierung in der Krankenanstaltenfinanzierung gilt nur bis Ende 1999. Dann wird neu zu verhandeln sein, und die Ansprüche an die Kassen werden sicher wieder steigen. Von einem Anhäufen von Überschüssen kann keine Rede sein.

Die Interviews führte Christine Kary.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung