"Es liegt jetzt an der Regierung"

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Bischof Rayappu Joseph über den blutigen Kampf in seiner mehrheitlich tamilischen Diözese Mannar/Nord-Sri Lanka.

Die Furche: Der vor fünfeinhalb Jahren geschlossene Waffenstillstand hat nicht gehalten. Was lief schief?

Bischof Rayappu Joseph: Von Anfang an wurde das Abkommen von beiden Seiten verletzt. Und es gab keinen Mechanismus, die Verletzungen abzustellen. Das Ergebnis war, dass beide Parteien das Vertrauen in die jeweils andere Seite verloren haben.

Die Furche: Seit den Wahlen im November 2005 herrscht praktisch wieder offener Krieg. Was war der Anlass?

Joseph: Die neue Regierung hat das Abkommen aufgekündigt. Sie war der Meinung, es gelte nur zwischen der vorigen Regierungspartei und der LTTE (Liberation Tigers of Tamil Eelam; Anm.). Außerdem wurden Vereinbarungen nicht eingehalten: über die Entwicklung des (tamilischen) Nordens und Ostens, die Auflösung der paramilitärischen Gruppen, die Wiederansiedlung der Vertriebenen. Nach dem Tsunami gab es eine weitere Vereinbarung, dass über Hilfsgelder für die zerstörte Tamilenregion gemeinsam entschieden werden sollte. Auch das hat die Regierung nicht eingehalten. Dann wurde auch noch die N8, die einzige Straße, die den Norden - durch Rebellengebiet - mit dem Rest des Landes verbindet, von der Armee gesperrt. Für mehr als 500.000 Menschen im Norden ist die Versorgung dadurch sehr schwierig geworden.

Die Furche: Die Regierung wirft der LTTE vor, den Waffenstillstand zur Aufrüstung missbraucht zu haben.

Joseph: Das mag sein, die "Tigers" haben jetzt Waffen, die sie früher nicht hatten. Aber auch die Regierung hat aufgerüstet.

Die Furche: Die Regierung hat die Einnahme der letzten LTTE-Position im Osten als großen Sieg gefeiert.

Joseph: Der Sieg wurde kampflos errungen. Die LTTE hat sich zurückgezogen, weil es sich nicht lohnte, zwei Felsen im Urwald zu verteidigen. Die Frage ist jetzt, kann die Armee diese auch halten?

Die Furche: Immer wieder hört man, die Zivilbevölkerung werde in Mitleidenschaft gezogen.

Joseph: Die Zivilbevölkerung hat 90 Prozent der Last zu tragen. Die Opfer der Luftbombardements und Artillerieangriffe der Armee sind vorwiegend Zivilisten. Und, wenn die LTTE Minen legt, werden oft Kinder verletzt.

Die Furche: Dokumentiert die Kirche die Menschenrechtsverletzungen?

Joseph: Kirchennahe Organisationen dokumentieren in jedem Bezirk außergerichtliche Hinrichtungen, Verschwindenlassen etc.

Die Furche: Was bringen Konflikttransformationsseminare für den Friedensprozess?

Joseph: Sehr viel. Vor einigen Jahren wurde auf so einem Seminar die Frage der Autonomie erörtert. Man unterschied zwischen externer und interner Autonomie. Externe Autonomie ist die Sezession. Interne gibt es unter Erhaltung der staatlichen Integrität. Das wurde an die LTTE weitergeleitet, die daraufhin ihr Ziel modifiziert hat und nicht mehr von einem eigenen Staat, sondern von interner Autonomie spricht. Es liegt jetzt an der Regierung, der LTTE entgegenzukommen.

Das Gespräch führte Ralf Leonhard.

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