„Es wird Massen-Steuern geben“

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Der ehemalige Rechnungshofpräsident Franz Fiedler über den Ortstafelstreit und das Verhalten der Justizministerin, seinen Widerstand gegen die kommende Woche in Kraft tretende Korruptionsgesetz-Novelle und die möglichen Entschuldungsstrategien der Bundesregierung. Das Gespräch führte Oliver Tanzer

Franz Fiedler war Staatsanwalt, Rechnungshof-Präsident und Präsident des Verfassungsreform-Konvents. Derzeit ist er Leiter des Beirats der Antikorruptions-Organisation Transparency International.

Die Furche: Derzeit häufen sich Vorwürfe gegen Polizei und Justiz, der Rechtsstaat würde unterwandert, es gebe zweierlei Recht. Macht das auch Ihnen Sorgen?

Franz Fiedler: Die öffentlichen Organe kommen hier auf eine Weise in Diskussion, wie ich sie nicht schätze. Nehmen wir das Beispiel Krems (ein 14-Jähriger wurde bei einem Einbruch von einem Polizisten erschossen, Anm.). Es ist eine Vertrauenskrise feststellbar zwischen der Exekutive und Teilen der Bevölkerung. Auf der einen Seite stehen die Skeptiker, die nun nicht mehr nur traditionell staatskritische Gruppen umfassen, sondern weitere Kreise. Auf der anderen Seite gibt es eine Gruppe, die die Polizei von vornherein entschuldigt. Es gibt keine Stimmen mehr für einen objektiven Mittelweg.

Die Furche: Auch objektiv gesehen gibt es einiges Kritikwürdiges. Ein angeschossener Jugendlicher darf gleich nach seiner Operation verhört werden, die Einvernahme der Exekutivbeamten wird verschoben wegen psychischer Probleme. Die Rekonstruktion erfolgt überhaupt erst Wochen nach der Tat.

Fiedler: In diesem Zusammenhang gibt es tatsächlich ein unter Umständen sogar prozesstechnisch relevantes Problem, sollten die Polizisten die Möglichkeit gehabt haben, sich nach dem Vorfall abzusprechen. Trotzdem müssen einmal die Untersuchungen abgeschlossen sein, um sich ein Bild machen zu können.

Die Furche: Das Verfahren gegen den Kärntner Landeshauptmann Dörfler ist von Seiten der Staatsanwaltschaft abgeschlossen. Aber dennoch versteht kaum jemand, warum das Verfahren eingestellt werden konnte.

Fiedler: Die Schwierigkeiten in dieser Angelegenheit haben auch mit der Komplexität des Paragrafen zum Amtsmissbrauch zu tun. Ein bewusst schädigendes Verhalten ist schwer nachzuweisen.

Die Furche: Abseits der rechtlichen Komplexität – ist das Verhalten von Justizministerin Bandion-Ortner sehr glücklich gewesen?

Fiedler: Optimal war es nicht. Das beginnt mit ihrer ersten Reaktion, die sich darauf beschränkte, den „Verräter“ (den Informanten der Medien, Anm.) zu suchen, und endet bei ihrem zeitnahen Besuch Kärntens, im Zuge dessen sie sich lächelnd mit dem Landeshauptmann abbilden ließ. Das war nicht geschickt. Da entsteht wieder ein Eindruck, der Spekulationen nährt.

Die Furche: Auch das Weisungsrecht steht wieder in Diskussion.

Fiedler: Die größte Gefahr am Weisungsrecht ist nicht, dass es tatsächlich Weisungen gibt, wie etwa in den 70er Jahren, sondern dass der Staatsanwalt in vorauseilendem Gehorsam ein Verfahren einstellt. Dadurch haben die Gerichte als einzige weisungsfreie Instanz keine Möglichkeit mehr, über einen strittigen Fall zu entscheiden.

Die Furche: Dann sollte im Zweifelsfall das Gericht entscheiden?

Fiedler: Ja. Nach derzeitiger Rechtslage ist das Gericht die einzige unabhängige Instanz. Die Regierung hat es 2007 verabsäumt, die Antikorruptionsstaatsanwaltschaft weisungsfrei zu machen, wie das der ursprüngliche Gesetzesentwurf vorgesehen hatte.

Die Furche: Die unabhängigen Kontrollorgane in der Republik werden offensichtlich generell nicht gerne gesehen. Etwa der Rechnungshof in der Skylink-Affäre.

Fiedler: Wäre man der Empfehlung des Verfassungskonvents gefolgt, dürfte der Rechnungshof selbstverständlich prüfen, genauer gesagt ab 25 Prozent öffentlicher Beteiligung an einem Unternehmen (derzeit gilt eine 50 Prozent-Grenze, Anm.). Auch ein nicht umgesetzter Vorschlag.

Die Furche: Der Flughafen argumentiert, man wolle die Interessen privater Aktionäre schützen.

Fiedler: Das ist doch nur ein billiger Vorwand. Eine Prüfung durch staatliche Organe würde im Gegenteil mehr Sicherheit und Vertrauen geben – gerade für Privataktionäre. Übrigens hat der Rechnungshof den Flughafen vor zehn Jahren schon einmal geprüft und die gleichen Missstände aufgedeckt, bei genau jenem Unternehmen, das jetzt für den Skylink verantwortlich war: Kostenüberschreitung und schlechte Planung. Auch dass der Rechnungshof beispielsweise Gemeinden mit weniger als 20.000 Einwohnern nicht prüfen darf, ist nicht nachvollziehbar.

Die Furche: Die Republik schützt offensichtlich gerne ihre Bürgermeister. Sind diese besonders anfällig für Korruption?

Fiedler: Sehen Sie es so: Je kleiner das System, desto größer ist die Gefahr.

Die Furche: Ab kommenden Dienstag gilt das veränderte Korruptionsstrafgesetz. Nicht zu ihrer Freude.

Fiedler: Man kann die Sinnhaftigkeit von Gesetzen auch danach beurteilen, ob jene, die es treffen soll, besonders laut aufschreien. Das war beim geltenden Korruptionsgesetz der Fall. Mit der Revision hat man alle Fortschritte zunichtegemacht. Man hat das Anfüttern, also das Gefügigmachen eines Amtsträgers durch Geschenke, gekippt, indem man es ausgehöhlt hat. Jetzt kann ich als Unternehmer alle beschenken, solange das Dienstrecht des Betreffenden das nicht verbietet. Minister und Abgeordnete inklusive.

Die Furche: Wieviel Geld fließt in die Anfütterungs-Korruption?

Fiedler: Eine Milliarde Euro/ Jahr.

Die Furche: Rechnen Sie mit internationalen Rügen, etwa von Transparency International?

Fiedler: Die Bundesregierung muss bis Dezember zu einem Bericht des Europarates Stellung nehmen, der feststellt, dass das Bewusstsein für die Korruptionsproblematik in Österreich sehr schwach ausgeprägt ist. Das war noch vor der Novelle. Auf die Antwort der Regierung bin ich schon gespannt.

Die Furche: Wird die Wirtschaftskrise zu mehr Korruption führen?

Fiedler: Nein, da müsste es schon zu einer massiven Verarmung breiter Teile der Bevölkerung kommen. Ein zweiter Beweggrund wäre die Gefährdung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Beides ist in Österreich nicht der Fall.

Die Furche: Die Regierung bekämpft die Krise mit Milliardensummen und will das Defizit über eine Verwaltungsreform abtragen. Sie waren im Verfassungskonvent auch mit der Reform der Verwaltung befasst. Kann so eine Reform uns Steuererhöhungen ersparen?

Fiedler: Ich fürchte nein. Man sieht ja schon bei der Schulreform, wie die Länder zu blockieren beginnen, obwohl das Konzept noch gar nicht ausgereift ist. Schon bisher haben sie sich erfolgreich gegen Einsparungen gewehrt. All das trug dazu bei, dass die Vorschläge des Reformkonvents nicht umgesetzt wurden. Eine grundlegende Reform ist nur mit der Neuordnung der Verfassung möglich. Die Furche: Also neue Steuern?

Fiedler: Wir haben zehn Jahre gebraucht, um die Gesamt-Staatsverschuldung von 69 auf 60 Prozent zu drücken. Nun wird sie auf 80 Prozent steigen. Die EU wird enormen Druck machen, das zurückzuführen. Mit einer Verwaltungsreform allein sind die Schulden aber nicht abzutragen. Es wird also Einschnitte geben. Auch über Massensteuern. Derjenige, der das als erstes in der Regierung sagt hat natürlich den schwarzen Peter.

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