EsotErischE PolitikEr

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Ein "Esoteriker" ist in unserem Sprachgebrauch eine Person, die nicht ganz in der hiesigen Realität verankert ist. Auch im aktuellen Wahlkampf wurde Matthias Strolz wieder einmal auf seine "esoterische" Ader angesprochen. Der Parteichef der NEOS ist bekannt dafür, gern einmal zur Einkehr hinter Klostermauern zu verschwinden, Bäume zu umarmen und zu schwülstigen Gedichten hingerissen zu werden. Im ORF-Talk wies Strolz den ihm lächelnd zugedachten Begriff des "Esoterikers" von sich und wollte sich eher als "spirituell" verstanden wissen. Völlig zu Recht: Auch wenn dies, gelinde gesagt, unkonventionell erscheint, könnte man im Bäume-Umarmen eine tiefe Verbundenheit mit der Schöpfung erkennen - vielleicht sogar einen besonders "geerdeten" Weltzugang.

Heinz-Christian Strache hingegen wird kaum jemals mit dem Attribut "esoterisch" konfrontiert. Doch der FPÖ-Chef gibt immer wieder zu verstehen, dass er sich in einer Parallel-Realität bewegt, wenn er die globale Erderwärmung auf "ansteigende Sonneneruptionen" zurückführt. Tatsächlich gibt es eine periodische Veränderung der Sonnenaktivität. Diese jedoch hat in den letzten Jahrzehnten abgenommen -während die Temperatur der Erde steigt. Dass die Sonnenaktivität generell keinen relevanten Einfluss auf die Wärmemenge hat, die zur Erde gelangt, ist gerade in den letzten Jahrzehnten durch Satellitenmessungen gut belegt.

Insofern entpuppt sich H. C. Strache als Politiker, der wissenschaftliche Befunde nicht zur Kenntnis nimmt. Auch sein Parteikollege Norbert Hofer bringt ja bei jeder Gelegenheit seine Abneigung gegenüber wissenschaftlichen Experten zum Ausdruck und hat es im letzten Präsidentschaftswahlkampf sogar geschafft, der Verwendung des akademischen Professorentitels eine despektierliche Note beizumischen. Dass die FPÖ hier anti-intellektuelle Ressentiments schürt, ist schlimm genug. Angesichts der zentralen Zukunftsfrage des Klimaschutzes ist ein solches Verhalten aber auch gefährlich esoterisch, wenn man das Wort im obigen Sinn strapaziert. Politiker, die Bäume umarmen, bieten im Vergleich dazu nicht nur lustige Schrullen, sondern auch große Gesten.

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