Essen, Strom und Alphabet

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Während der Präsident von Guatemala, der in einer Stichwahl Ende Dezember ermittelt werden muss, vor der schwierigen Aufgabe der Armutsbekämpfung stehen wird, kümmern sich einige Steirer bereits seit Jahren um die dortige Bildung und Infrastruktur.

Rund ein Drittel der guatemaltekischen Bevölkerung ist nicht in der Lage, einen einfachen Satz aus ihrem täglichen Leben zu schreiben oder zu lesen, heißt es in dem jährlich von den Vereinten Nationen herausgegebene Human Development Report (HDR). Anhand zahlreicher Indikatoren wie Bildung, Lebenserwartung und Durchschnittseinkommen ermöglicht er eine Reihung aller Länder nach ihrer Entwicklungsstufe. (Guatemala liegt an 119. Stelle, 103 Plätze hinter Österreich.)

Um die Bildungs- und somit die Entwicklungsmöglichkeiten in den Ländern der Dritten Welt zu verbessern, hat Österreich vor zwei Jahren gemeinsam mit den anderen 21 reichsten Ländern der Erde zugesichert, die nötigen Finanzmittel zur Verfügung zu stellen, um allen Kindern zumindest eine Grundschulsausbildung zu ermöglichen. 5,6 Milliarden US-Dollar (4,76 Mrd. Euro) wären dafür nötig, geflossen sind bisher nur 1,4 Milliarden. Der nun vorliegenden Report der "Global Campaign for Education", einem Zusammenschluss von Entwicklungshilfeorganisationen, evaluiert die bisher geleisteten Beiträge der einzelnen Länder. Österreich liegt auf dem 19. Platz - nur drei Staaten haben noch weniger für die Erfüllung ihres Versprechens getan.

Solidarität auf Steirisch

Gerade die Analphabetenrate zeigt jedoch deutlich, dass beispielsweise in Guatemala Hilfe seitens der reichen Länder dringend notwendig ist. Und es sind vor allem Nichtregierungsorganisationen wie Horizont3000 oder die Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar, die diesem Erfordernis seit Jahren mit Kofinanzierungsprojekten Rechnung tragen. Abseits dieser Projekte gibt es aber auch viele private Solidaritätsaktionen. Sie leisten trotz des meist geringeren Umfangs dort einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung, wo der Staat versagt.

Ein Beispiel für eine bereits jahrelang funktionierende Kooperation im Bildungs- und Infrastrukturbereich stellen die Projekte von Werner Römich in Zunil, einem Ort nahe der zweitgrößten guatemaltekischen Stadt Quetzaltenango, und in Chuimucubal im Hochland von Guatemala dar. Die Zusammenarbeit entstand aus dem persönlichen Bezug, den der Steirer zu diesem Ort hat: Er war in den siebziger Jahren als Entwicklungshelfer in Zunil und hat auch später als Lehrer an der Österreichischen Schule in Guatemala City intensive Beziehungen nach Zunil gepflegt. Vor allem im Bildungsbereich konnten in den vergangenen Jahren zahlreiche Projekte realisiert werden, was angesichts der hohen Analphabetenrate besonders wichtig erscheint. Für die fehlende Bildung gibt es zahlreiche Gründe: Lange Zeit gab es in vielen Dörfern keine Schulen, oder der Weg zur Schule war für die Kinder zu weit. Sehr oft fehlen auch heute noch Lehrer, und viele Eltern schicken ihre Kinder noch immer nicht zur Schule, weil sie für die Arbeit gebraucht werden: Mädchen müssen auf ihre kleinen Geschwister aufpassen oder den bescheidenen Haushalt führen, Buben müssen auf dem Feld helfen oder landwirtschaftliche Produkte auf dem Markt verkaufen.

In Zunil und in Chuimucubal wurde in den vergangenen Jahren massiv in die Bildung investiert. Sowohl die "Solidarität mit Lateinamerika", der Römich angehört, als auch andere Gruppen wie die "Amigos de Graz", die Freunde aus Graz, haben die notwendigen Mittel aufgebracht, um die Errichtung und den Ausbau von Schulen in beiden Orten voranzutreiben. Auch die Eltern haben tatkräftig bei der Realisierung des Schulbaus mitgeholfen: Sie haben Geld gesammelt und mit ihren Arbeitsleistung den Bau der Schulen unterstützt. Mit der Errichtung ist es jedoch selten getan. Oft werden junge Lehrer zwei oder drei Jahre lang finanziert, bevor sie vom Staat übernommen werden.

Das Vorhandensein einer Schule allein stellt jedoch oft noch zu wenig Anreiz dar, um die Häufigkeit des Schulbesuchs zu erhöhen. In Zunil wird den Kindern daher täglich eine Mahlzeit geboten. Damit sollen die Eltern motiviert werden, sie in die Schule zu schicken. Wie notwendig dies ist, zeigt der Bericht der Vereinten Nationen: 25 Prozent der Bevölkerung Guatemalas sind unterernährt.

Bildung wird aber nicht nur den Kindern geboten. In Chuimucubal finanzierte die Solidarität mit Lateinamerika aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden ein mehrjähriges Frauenbildungsprojekt. Die Frauen des Dorfes besuchten Kurse, die ihnen Grundlagen im Bereich Hauswirtschaft, Gesundheit und im sozialen Bereich vermittelten. Diese Kurse wurden von den Lehrerinnen der örtlichen Schule gehalten und waren beispielgebend: Ein Nachbardorf begann ebenfalls mit diesen Frauenbildungskursen, bei denen die Frauen lernen, wie sie selbst zu einer Verbesserung ihres Lebens beitragen können.

Aber nicht nur im Hochland unterstützt die Solidarität mit Lateinamerika Bildungsprojekte. An der Pazifikküste hat sich eine Frauengruppe der CODECA, einer Vereinigung von Bauern zur Landentwicklung, an die Solidarität mit Lateinamerika gewandt und um Unterstützung bei einem Promotorinnenprojekt gebeten: In zehn Dörfern wurden je zwei Frauen ausgewählt, die zu Promotorinnen ausgebildet wurden. Sie lernen, wie sie verstärkt für ihre Rechte eintreten können, wie sie sich als Frauen organisieren und wie sie ihre Lebenssituation verbessern können. Das Erlernte geben sie danach an die Frauen in ihren Dörfern weiter. Das Beispiel hat Schule gemacht und so wird nun bereits das dritte Projekt gestartet, zwei der Projekte wurden durch Kofinanzierung seitens des Landes Steiermark ermöglicht.

Neben Bildung wurde auch in bescheidenem Maß in den Ausbau der Infrastruktur investiert. Chuimucubal liegt hoch in den Bergen und war lange Zeit nur über schlechte Wege erreichbar und ohne Strom. Als Anfang der neunziger Jahre die Möglichkeit bestand, das Dorf an das Stromnetz anzuschließen, wurde diese Möglichkeit genutzt. Seit damals gibt es Strom und damit die Möglichkeit, kleine Heimwerkstätten zu betreiben.

An diesem Beispiel zeigt sich jedoch, wie zwiespältig eine Entwicklung sein kann: Mit dem Strom kamen Fernsehgeräte, die dazu führten, dass die Menschen ein wenig von ihrer Maya-Identität aufgaben...

Der Autor ist Unternehmensberater für Nachhaltigkeit, Umwelt und Entwicklungszusammenarbeit in Graz.

Weitere Informationen zur Solidarität mit Lateinamerika: www.sol-steiermark.at

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