"EU-15-Hilfe, und zwar schnell"

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UNHCR-Pressesprecher Roland Schönbauer zum drohenden Kollaps der Asylsysteme in den neuen EU-Ländern und über Maßnahmen dagegen.

Die Furche: Das UN-Flüchtlingshochkommissariat warnt vor einem Kollaps der Asylsysteme in den neuen EU-Ländern - was passiert dann?

Roland Schönbauer: Wir sprechen hier vom 1. Mai - so weit in die Zukunft schauen wir nicht. Wenn die Länder an der EU-Peripherie merken, ihre Asylsysteme kollapieren, werden sie den Zugang zum Asylverfahren einzuschränken - was nicht im Sinn des Flüchtlingsschutzes ist. Außerdem: Wenn die Registrierung von Asylwerbern in den neuen EU-Ländern nicht hinhaut, diese Menschen wieder in Österreich, Deutschland oder Großbritannien zum ersten Mal in Kontakt mit den Behörden kommen, wird man die Zuständigkeitsmechanismen in der EU nicht ernst nehmen.

Die Furche: Mit welchen Folgen?

Schönbauer: Damit gerät eine der wenigen EU-weit harmonisierten Asyl-Richtlinien in Gefahr. Es gibt für jeden Asylsuchenden ein EU-Land, das erste das er oder sie betritt, das zuständig ist. Diese Regelung ist nicht ideal, aber kein Flüchtling sitzt zwischen den Stühlen. Diese kleine, aber wichtige Errungenschaft wäre in Frage gestellt - mit unabsehbaren Folgen für die weitere Harmonisierung des EU-Asylrechts.

Die Furche: Gibt es Unterschiede bei der Asylkompetenz der EU-Beitrittsländer?

Schönbauer: Sie haben alle gemeinsam, dass sie keine lange Asyltradition haben. Unterschiede gibt es vor allem bei der Anerkennungsquote, obwohl die Asylsuchenden in Nachbarländern wie Slowakei und Ungarn ja nicht so unterschiedlich sein können. In Ungarn bekommen - vergleichbar mit Österreich - rund 38 Prozent der Schutzsuchenden Asyl, während es in der Slowakei nur etwas mehr als zwei Prozent sind.

Die Furche: Hat die UNHCR-Warnung in der EU Gehör gefunden?

Schönbauer: Es gab verhaltene Zustimmung - Österreichs Innenminister Ernst Strasser hat unsere Vorschläge beispielsweise ausdrücklich begrüßt. Ob sich das konkret in finanziellen oder operativen Unterstützungen niederschlagen wird, bleibt abzuwarten. Aber wir haben quasi einen Zentrifugaleffekt, der alle neuen EU-Länder an Österreichs Grenzen bis auf Tschechien - das keine EU-Außengrenze hat - trifft. Und Ungarn, Slowakei etc. haben - so unsere Befürchtung - nicht die Möglichkeiten mit deutlich mehr Asylwerbern fertig zu werden. Die Kapazitäten müssen schnell zur Verfügung gestellt werden, das geht nicht ohne zusätzliche Ressourcen.

Die Furche: Was sollen die EU-15 also Ihrer Meinung nach tun?

Schönbauer: .Im Sinn einer geteilten Verantwortung den neuen Mitgliedern unter die Arme greifen. So wie es auch bei Grenzkontrollen oder polizeilicher Verfolgung der Fall ist. Warum kann es in einem Menschenrechtsbereich nicht auch zu grenzüberschreitender Zusammenarbeit kommen? Man könnte sich auf ein gemeinsames Vorgehen einigen, mit der entsprechenden Signalwirkung an Schlepper und anderen, die mit den falschen Hoffnungen von Menschen Geschäfte machen.

Die Furche: Wie bewertet UNHCR die Asylprobleme in Österreich?

Schönbauer: Lösbar, absolut lösbar - man braucht dazu auch keinen Gutmenschenwillen, es genügt mehr Personal: Mehr Personal, um den Gewaltvorwürfen in Flüchtlingslagern auf den Grund zu gehen und mögliche weitere Opfer zu ermutigen, dass sie sich den Behörden anvertrauen. Wir haben dafür eine unabhängige Beschwerdestelle vorgeschlagen.

Mehr Personal in der Bundesbetreuung - damit die Asylwerber Vertrauen fassen können und sich im Asylverfahren öffnen. Und nicht zuletzt, und das ist der schlimmste Flaschenhals, qualifiziertes Personal für die eigentlichen Asylverfahren. Wir hätten viel weniger Probleme, wenn wir die Aufenthaltsdauer senken können. Das geht aber nur mit mehr qualifiziertem Personal für qualitativ gute Entscheidungen - das würde viele Betten freimachen.

Das Gespräch führte Wolfgang Machreich.

Weitere Informationen

www.unhcr.at

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