EU exportiert Öko-Kosten
Jeder EU-Bürger verbraucht 50 Tonnen Material im Jahr. Was in der Herstellung besonders umweltbelastend ist, kommt in wachsender Menge aus Ländern der Dritten Welt.
Jeder EU-Bürger verbraucht 50 Tonnen Material im Jahr. Was in der Herstellung besonders umweltbelastend ist, kommt in wachsender Menge aus Ländern der Dritten Welt.
Eine Studie der "European Environment Agency", in der erstmals der "globale Materialverbrauch" (GMA) aller 15 EU-Staaten berechnet wurde, zeigt, dass trotz unzähliger Umweltschutzmaßnahmen der Ressourcenverbrauch von Jahr zu Jahr steigt. Der "globale Materialverbrauch" misst - mit Ausnahme von Wasser und Luft - alle notwendigen inländischen und eingeführten Primärmaterialien, die der Natur für Industrieproduktion, Transport, Energie und Nahrungsmittelversorgung entnommen werden.
Unter dem Materialverbrauch versteht man in erster Linie die fossilen Brennstoffe Kohle, Erdgas, Erdöl. Die Aufschlüsselung nach Rohstoffgruppen ergibt folgendes Ergebnis: Jeder EU-Bürger verbrennt pro Jahr 14,2 Tonnen an fossilen Brennstoffen. Baumaterialien machen 10,7 Tonnen aus. 10,1 Tonnen Rohstoffe verursacht der jährliche Verbrauch an Metallen. An Rohstoff "Biomasse" benötigt ein EU-Bürger pro Jahr etwa 11 Tonnen.
Rechnet man all das zusammen, so kommt man zu dem Ergebnis, dass ein EU-Bürger 1997 50 Tonnen Umwelt verbraucht hat. Das sind um fünf Tonnen mehr als 1994. Im Vergleich zu einem US-Bürger ist das allerdings immer noch recht wenig, da dieser mit 84 Tonnen um 68 Prozent mehr Material als ein EU-Bürger "konsumiert". Hochgerechnet auf die 373 Millionen EU-Bürger ergibt das einen jährlichen Rohstoffverbrauch von fast 19 Milliarden Tonnen.
Von den insgesamt 50 Tonnen Jahresverbrauch, entnimmt ein EU-Bürger etwa 30 Tonnen seiner eigene Umwelt. Zu berücksichtigen ist dabei, dass sich der innereuropäische Materialverbrauch durch den Rückgang des Braunkohlenabbaues in der ehemaligen DDR um 13 Prozent im Vergleich zur letzten Erhebung verringert hat. Die übrigen 20 Tonnen Material stammen großteils aus den Ländern der "Dritten Welt". Von diesen 20 Tonnen sind 56 Prozent Metalle und 28 Prozent fossile Brennstoffe. Zwischen 1995 und 1997 stieg der Materialimport in die EU um elf Prozent. Hauptverantwortlich dafür war die steigende Nachfrage nach Edelmetallerzen Umweltbelastende Metallerzeugung In den Metallimporten steckt überdurchschnittlich viel Umweltzerstörung: Im Schnitt verbraucht dieser Import 17 Mal mehr Umwelt als die Eigenproduktion. Die strengen EU-Umweltauflagen sorgen für materialeffiziente Produktion. Da jedoch in den EU-Staaten kaum Edelmetallerze abgebaut werden, sind wir bei Eisen, Aluminium, Kupfer, Platin, Gold oder Palladium von den Lieferungen außereuropäischer Staaten abhängig.
Auch der Import von Agrarprodukten ist deutlich gestiegen. Allein zehn Prozent des Umweltverbrauchs der EU-Staaten sind durch die zerstörende Wirkung der Landwirtschaft in den Anbauländern verursacht. Kaffee, Kakao, Soja und viele andere agrarische Produkte führen zur Erosion der Böden in den Entwicklungsländern.
Das Resümee der Studie: Wie auch schon zahlreiche CO2-Bilanzen gezeigt haben, ergibt sich auch beim Rohstoffverbrauch, dass die EU-Länder gegenwärtig die Umwelt insbesondere außerhalb Europas massiv schädigen. Durch die Auslagerung der Materialproduktion insbesondere bei Edelmetallerzen muss immer mehr Materialverbrauch den Entwicklungsländern zugerechnet werden. Für den Wohlstand Europas werden also dort Berge versetzt. Das erklärt auch, warum sich die Materialbilanz der EU nicht verbessert hat, obwohl der hauseigene Materialverbrauch der 15 Mitgliedsstaaten reduziert werden konnte. Zwar haben die EU-Staaten noch keine US-amerikanischen Verhältnisse, dennoch müssen wir uns viel mehr anstrengen, um das System der Ausbeutung zu überwinden.
Der Autor ist Mitarbeiter von Klimabündnis Kärnten.
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