Textilveredlung in der Fahnenfabrik - Textilveredler lautet ein Berufszweig in der Fahnenproduktion – der Begriff beschreibt<br />
sehr gut, wie aus einfachen Stoffen mit Emotionen, Politik und Geschichte aufgeladene Symbole werden. - © Wolfgang Machreich

Fahnen sind mehr als ein Stück Stoff

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Im Rollregal der Fahnenfabrik "Fahnengärtner" in Mittersill lagert die Vielfalt der Länder und Nationen. Ein Streifzug durch die Welt der Flaggen – bis hin zur derzeit dringend notwendigen Friedensfahne.

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Im Rollregal der Fahnenfabrik "Fahnengärtner" in Mittersill lagert die Vielfalt der Länder und Nationen. Ein Streifzug durch die Welt der Flaggen – bis hin zur derzeit dringend notwendigen Friedensfahne.

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Die ganze Welt gefaltet und sortiert in einem zehn Meter langen und vier Meter hohen Rollregal. Horst Stadler, Produktionsleiter und Prokurist von Fahnengärtner, dreht an einer Kurbel und öffnet damit einen Globus aus Stoff voll mit Gemeinde-, Bundesländer- und Nationenfahnen. Darüber hinaus: Im Regal C, Einlagefach 5/A, lagert ein Stapel Europafahnen. Neben öffentlichen Institutionen wird die EU-Fahne gerne von Hotels bestellt, sagt Stadler, „um mit einer Fahne jeden Gast willkommen zu heißen“. Aber auch Firmen schätzen das Europablau mit dem Sternenkranz, „um Internationalität zu signalisieren“. Am Fahnenmast ist das Interesse an der EU also auf jeden Fall gegeben: „Im Format 100 mal 400 Zentimeter ist sie übers Jahr gesehen die Fahne, die wir am meisten verkaufen.“

Im Interview vor dem Rundgang durch die Fahnenfabrik in Mittersill beschreibt Geschäftsführer Gerald Heerdegen Fahnen als die „längsten Visitenkarten der Welt“ – und der Chef des Salzburger Traditionsunternehmens seit 1945 ist auch überzeugt: „Fahnen machen die Welt bunter, freundlicher und tragen ihre Botschaft in den Wind.“ Bunt und Botschaft stimmt, aber das Attribut „freundlich“ liegt im Auge des Betrachters: Fahnen können auch als Provokation bis hin zur Aggression empfunden und mit dieser Intention aufgehängt oder geschwenkt werden.

Bleiben wir bei der EU-Fahne: Auf Regierungsgebäuden in Schottland hängt seit einem Jahr neben der schottischen Fahne die Flagge der Europäischen Union – anstelle des britischen „Union Jack“. Dabei gehört Schottland seit dem Brexit nicht mehr zur EU, ist aber Teil des Vereinigten Königreichs. „Die EU-Fahne weht, um das überwältigende Votum der schottischen Bevölkerung widerzuspiegeln, in Europa zu bleiben, und als Zeichen der Solidarität mit den hunderttausenden EU-Bürgern, die Schottland trotz des Brexits weiter ihr Zuhause nennen“, lautet die Erklärung der schottischen Regionalregierung dafür. Die britische Fahne werde nur noch zu „bestimmten Daten und Anlässen“ gehisst. Eine Spitze gegen London und ein Symbol für die Unabhängigkeitsbestrebungen Edinburghs.

Tiroler sind am stolzesten

Im Fahnengärtner-Rollregal D, im Fach 5A stapeln Steiermark-Fahnen, auf 6A liegt Kärnten. Bei der Fahnennachfrage gibt es in Österreich ein starkes West-Ost-Gefälle, „was sicherlich auch dem Tourismus geschuldet ist“, erklärt Produktionsleiter Stadler dieses Ranking. Spitzenreiter bei der innerösterreichischen Fahnennachfrage sind die Tiroler: „Tirol ist das stolzeste Land in Österreich, die zeigen am meisten Flagge!“ Von der Zahl der Aufträge her ist die Verteilung zwischen Gemeinde-, Länder-, Nationenfahnen und Wirtschaftsfahnen bei Fahnengärtner pari, doch beim Auftragsvolumen liegen die Werbefahnen für Unternehmen, Hotels und Gastronomie sowie Events mit gut 80 Prozent weit über dem Interesse an Aushängeschildern für den Lokal-, Regional- und Nationalstolz.

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