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Fahrplan in den Jänner

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Wird der VP-Klubobmann in diesem, für das Schicksal der Volkspartei bei den kommenden Nationalratswahlen so mitentscheidenden Herbst in der Präsidialsitzung des Parlaments weniger Kompromißbereitschaft, die auf Tradition gründet, und mehr Härte, die das formale Kräfteverhältnis im Nationalrat in Erinnerung brächte, zeigen? Kurz und gut: Diktiert die VP-Fraktion in diesem Herbst dem Parlament das Arbeitstempo?

Versucht sie das, und nichts anderes bleibt ihr angesichts einiger Gesetzentwürfe, die noch der Beschlußfassung harren, übrig, dann gibt es so sicher wie den nächsten Winter einen heißen parlamentarischen Herbst. Zwar fürchtete man noch vor wenigen Monaten in der Kämtner- etraße, die sozialistische Opposition werde in der letzten Session dieser Legislaturperiode insbesondere im Parlament zu viel Großmütigkeit gegenüber den Gesetzesvoxhaben der Regierung zeigen. Doch diese Furcht hat sich inzwischen gelegt. Denn just sechs Monate vor den Wahlen neigen jene drei Viertel der SPÖ, die dem Kreisky-Kurs etwas mißtrauen, zu einer Politik der Stärke. SPÖ- Klubobraamn Dr. Pittermann wird diesen Weg im Parlament weitergehen. Dies um so sicherer, als des passionierten Parlamentariers Verbleib im Hohen Haus am Ring nach dem 1. März 1970 in der SPÖ noch keine ausgemachte Sache 1st. Aus diesem Grund wird Pittermann noch intensiver als je zuvor bemüht sein müssen, seiner Partei seine Unersetzbarkeit im Pariament nachzuweisen. Deshalb wird die SPÖ in der Wahl der Mitte sicherlich nicht zimperlich sein. Was das zu bedeuten hat, kann sich die Volkspartei, ohne die Phantasie über Gebühr zu strapazieren, ausrechnen: eine parlamentarische Kampf session!

Soweit in der Politik vor Wahlen überhaupt etwas sicher ist, scheint gewiß, daß die kommende Herbst session am 1. Oktober in den parlamentarischen Ausschüssen beginnen wird:

• Im Verstaatlichtenausschuß wird die streikbedrohte ÖIG-Gesetz- novelle behandelt.

• Im Justizausschuß das Depotgesetz (Schutz der Wertpapiersparer durch verschärfte Kontrollmaßnah- men) und ein Gesetz über die Verwendung von Schallträgem im straf- und zivilgerichtlichen Verfahren.

• Im Verfassungsausschuß ein Paßgesetz, das neue und handlichere Pässe an Stelle des aktuellen Großformats ebenso wie die Gültigkeitsverlängerung von Pässen an den Grenzsteilen vorsieht und ein Grenz- kontrollgesetz.

• Im Unterausschuß des Verfassungsausschusses soll das Bundesvergabegesetz beraten werden. Dieses Gesetz enthält klare Richtlinien für alle Organe des Bundes, die für den Bund privatwirtschaftlich tätig werden.

• Im Unterausschuß des Finanz- und Budgetausschusses soll zudem über ein Postsparlkassengesetz beraten werden. Dieses Gesetz weist dem österreichischen Postsparkassenamt eine eigene Rechtspersönlichkeit sowie eine wichtige Funktion in einer mit der Bundesregierung und der Nationalbank koordinierten Geld- und Finanzpolitik zu.

• Schließlich und nicht zuletzt wird sich der Sozial au sschuß mit einem fünfteiligen Sozialpaket zu beschäftigen haben: es enthält den Entwurf eines Bauernpeinsionsgesetzes, Novellen zum ASVG und zum GSPVG, die die Erhöhung der Witwenpension um ziehn Prozent und die Anhebung der Ausgleichszulagenricbtsätze enthalten.

Ursprünglich hatte die ÖVP gehofft, diese Gesetzentwürfe noch bis Jahresfrist durch die Ausschüsse und das Plenum bringen zu können. Diese Hoffnung hat sich schon vor Sessionsbeginn gründlich zerschlagen, wofür Vizekanzler Withalms jüngste Erklärung, daß „Gesetzentwürfe, die bis Weihnachten nicht verabschiedet worden sind, auch danach, im Jänner beschlossen werden können”, steht.

Wie die Dinge liegen, dürfte die SPÖ, von der ÖIG-Gesetznovelle einmal abgesehen, insbesondere gegen das Bundesvergabegesetz und gegen das Postsparkassengesetz Sturm laufen. Gegen letzteres deshalb, weil es nicht in die sozialistischen Vorstellungen eines zweckmäßigen Kredit-, Finanz- und Geldmarktgesetzes paßt. Ein möglicher Stein des Anstoßes, die Kodifikation eines Teils des Arbeitsrechtes, dürfte die Bundeswirtschaftskammer sehr zu Sozialminister Rehors Arger durch heftige Kritik aus dem parlamentarischen Feld geräumt haben. Die SPÖ wird sich daran aus vielerlei Gründen (immerhin haben sich ihre Sozialminister an dieser Materie jahrelang und vergeblich versucht), nicht sonderlich stoßen.

Was dazukommt, ist die Budgetdebatte Ende Oktober, das entscheidende Kräftemessen der Parlaments- fralktionen. Die Volkspartei hofft, dafür gut gerüstet zu sein; und in der SPÖ rechnet man mit einer günstigen, weil effektvollen Gelegenheit, die Bundesregierung wieder einmal an ihre politische Sterblichkeit aa gemahnen.

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