Shirin_Ebadi_-_Fronteiras_do_Pensamento_São_Paulo_2011_(5839607998) - © Wikimedia - Fronteiras do Pensamento

Shirin Ebadi: Faustpfand für die Ajatollahs

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Der Streit zwischen Amerika und Iran um dessen angebliche Atomwaffenpläne wird auf dem Rücken von Menschenrechtsaktivisten ausgetragen. Sie fürchte um ihre Sicherheit, sagt Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi im FURCHE-Exklusivinterview.

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Der Streit zwischen Amerika und Iran um dessen angebliche Atomwaffenpläne wird auf dem Rücken von Menschenrechtsaktivisten ausgetragen. Sie fürchte um ihre Sicherheit, sagt Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi im FURCHE-Exklusivinterview.

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Shirin Ebadi ist das "Gewissen der iranischen Nation". Hinter ihrem sanft-distanzierten Auftreten, ihrer milden Stimme verbirgt sich ein entschlossener Geist, ein leidenschaftlicher Charakter im Einsatz für Gerechtigkeit und zum Schutz der Unterdrückten. Nun gerät Irans erste Friedensnobelpreisträgerin (2003) selbst zunehmend in den Strudel von Schikanen und Repressionen durch die herrschenden islamischen Despoten in Teheran. "Ja, ich mache mir sehr große Sorgen um meine Sicherheit", gesteht die 57-jährige Juristin, einst, zur Zeit des Schahs, Irans erste Frau im Richterstuhl, im Gespräch mit der Furche offen ein.

Zum zweiten Mal seit Januar erhielt Frau Ebadi eine Vorladung als Angeklagte von einem Gericht, vor dem sie kommenden Mittwoch, 23. Februar, aus vorerst ungeklärten Gründen erscheinen soll. Im Januar hatte sich die von Irans Erzkonservativen dominierte Justiz öffentlich dafür entschuldigt, dass die prominente Menschenrechts-Anwältin vor das gefürchtete Revolutionsgericht zitiert worden war, ebenfalls aus ungeklärten Gründen. Frau Ebadi hatte sich damals geweigert, der Vorladung zu folgen. Sie sei gesetzeswidrig gewesen, so das Argument der Juristin, da sie auf einer unbekannten Privatklage beruht hätte und die Vorwürfe gegen sie geheim geblieben seien.

Khatamis Schutz zählt nichts

Die Revolutionsgerichte gehen auf die ersten Zeiten der islamischen Revolution zurück, als Regimegegner in Geheimverfahren wegen Spionage oder Bedrohung der nationalen Sicherheit ohne Beistand eines Anwaltes, abgeurteilt wurden. Diese Praxis lebt fort. Sie habe, berichtet Ebadi, sich in einem Brief an Präsident Mohammed Khatami gewandt, der ihr nach der ersten Vorladung im Januar versicherte, er würde persönlich für ihre Sicherheit garantieren. Sie hätte nichts zu befürchten und könne in Freiheit ihre Menschenrechtsaktivitäten fortsetzen. Doch Khatami konnte oder wollte schon wiederholt selbst seine engsten Mitstreiter und Vertrauten nicht vor den Fängen der aggressiven iranischen Justiz bewahren. So drangen denn auch in der Vorwoche Polizisten ohne richterliche Genehmigung in Ebadis Teheraner "Zentrum zur Verteidigung der Menschenrechte" ein. "Sie drohten unserer Sekretärin, dass sie sie verhaften würden." Später leugnete die Polizei laut Ebadi jede Verwicklung in diesen Zwischenfall.

Zu Isolations-Haft verurteilt

Shirin Ebadi hat sich durch ihr Engagement für die Rechte der Frauen, der Kinder und politische Verfolgter schon lange den Hass der despotischen Gottesmänner zugezogen, die sie auch schon zu Isolations-Haft ins gefürchtete Teheraner Evin-Gefängnis verdammt hatten. Die Verleihung des Friedensnobelpreises im Dezember 2003 verschärfte die Animositäten des erzkonservativen Establishments gegen Ebadi. Selbst Khatami fand nach langem Schweigen nur die mageren Worte, dass der Nobelpreis für Literatur oder Wissenschaft dem Iran weit mehr Ehre erwiesen hätte als der Friedenspreis.

Wiederholt, so gesteht Ebadi, erhielt sie auch Todesdrohungen über das Telefon, offensichtlich von Angehörigen der berüchtigten Schlägertrupps, ermutigt durch offene Beschimpfungen von Freitagspredigern gegen sie. In diesen erzkonservativen Kreisen des Regimes sieht man die Verleihung des Nobelpreises als "Komplott der Welt-Arroganz (usa)" zur Schwächung des iranischen Regimes. Vor diesem Hintergrund hat sich nun der Druck auf Frau Ebadi verschärft, seit die Vereinigten Staaten das iranische Regime als Teil der "Achse des Bösen" verschärft ins Visier nehmen und Teheran gar eine Militäraktion befürchtet. Erzkonservative Kreise in der Führung der "Islamischen Republik" sind nach altbewährter Methode offensichtlich bestrebt, diese international geachtete Frau zum Faustpfand - wiewohl einem sehr eigenwilligen und entschlossenen - im Konflikt mit der den Iran bedrohenden Supermacht zu machen. Manche iranische Dissidenten mussten in der jüngsten Vergangenheit auf diese Weise mit dem Leben bezahlen. "Jene, die mich bedrohen, sind gegen meine Überzeugungen und meine Ideen. Es sind dieselben Leute, die auch den (von Khatami eingeleiteten) Dialog der Zivilisationen" und damit bessere Beziehungen zur westlichen Welt "ablehnen", betont Frau Ebadi.

Shirin Ebadis Arbeit ruht auf der Überzeugung, dass internationale Menschenrechtsprinzipien nicht in Widerspruch zu den Grundsätzen einer islamischen Gesellschaft stehen. Die Juristin lässt keine Zweifel daran, dass eine militärische Attacke durch die Amerikaner - und sei sie auch von us-Präsident Bush im Namen der Menschenrechte initiiert - für jene, die im Iran um diese Menschenrechte ringen, "eine totale Katastrophe" bedeuten würde. Ebadi: "Die Geschichte zeigt, wenn ein Staat militärisch bedroht wird, dass dessen Regime die Gelegenheit nutzt, um im Namen der nationalen Sicherheit oder der Demokratie einige seiner Untertanen gesetzeswidrig unter Druck zu setzen." Internationale Menschenrechtsorganisationen sind tief besorgt: Wenn gar eine prominente Persönlichkeit wie Shirin Ebadi derart bedroht wird, haben andere gar keine Chance. "Das iranische Volk", fährt Ebadi fort, lehne einhellig jede militärische Attacke durch die Vereinigten Staaten ab. Im Falle eines von den usa angezettelten Krieges würden sich die Iraner geschlossen gegen die Okkupation des Landes wehren. "Ich habe mich immer dagegen gewehrt, dass us-Präsident Bush den Iran als Teil der "Achse des Bösen" klassifiziert, sagt die Friedensnobelpreisträgerin und führt weiter aus: "Leider haben die Fundamentalisten im Iran diese Politik als Vorwand missbraucht, um uns als Verbündete Bushs zu brandmarken. Wenn wir im Iran die Regierung kritisieren, dann sagen die Fundamentalisten, dass wir im selben Lager wie die Bush-Administration stehen. Die Ironie dieses Vorwurfes liegt darin, dass Menschenrechtsaktivisten und Bush niemals im selben Lager stehen können."

Keine Demokratie von außen

Keinerlei Verständnis kann Frau Ebadi auch dem Argument Bushs abgewinnen, durch militärische Attacken ein Land, wie den Iran etwa oder auch den Irak, mit Demokratie zu beglücken. "Die Errichtung der Demokratie ist ausschließlich die Angelegenheit des in dem betreffenden Land lebenden Volkes." Wenn ausländische Regierungen, etwa die Europäische Union, im Dialog mit dem Iran, einen Demokratisierungsprozess in einem Land fördern wollen, "dann sollen sie das insofern tun, als dass sie undemokratische Regierungen nicht unterstützen." Schon wiederholte Male hat Ebadi energisch den von den usa geführten "Kampf gegen den Terrorismus" verurteilt. "Wer Terrorakte ausübt, muss der Gerechtigkeit überführt werden. Doch leider hat Amerika und einige wenige andere Regierungen diesen Kampf gegen den Terror missbraucht, um selbst Menschenrechte zu verletzen.

Reformideen sterben nicht

Ebadi ist überzeugt, dass es nötig ist, "zuerst den Ursachen des Terrorismus auf den Grund gehen". Terror basiert ihrer Meinung nach auf zwei Hauptsäulen: "Der Ungerechtigkeit und der Überzeugung einzelner, dass ihre Version der Geschichte die einzig korrekte ist." Diese Denkweise entspringe mangelnder Bildung, sagt Ebadi: "Zudem müssen wir zugeben, dass gewisse Gruppen und Länder vom Kriege-Führen profitieren." Als Hauptgründe für die Misere des Mittleren Ostens identifiziert Frau Ebadi "die Ignoranz von Menschen in dieser Region und die Interessen der westlichen Welt am Erdöl". "Ich habe oft gesagt, ich wünschte, es gäbe im Mittleren Osten kein Öl und dafür mehr Wasser. Die Menschen wären dann viel glücklicher."

Trotz des verschärften Klimas der Repression gibt sich Shirin Ebadi optimistisch. Auch mit dem Ausscheiden Präsident Khatamis im Juni "werden die Reformideen nicht sterben. Die Menschen im Iran wollen Reformen, und sie werden diesem Weg folgen." Die Menschenrechtsaktivistin ist entschlossen, dem verstärkten Druck, dem sie ausgesetzt ist, zu trotzen: "Die iranische Gesellschaft lässt sich nicht zum Schweigen verdammen." Mutig und ehrlich gesteht sie ein, dass dieses grausame, von Geistlichen dominierte Regime auch ihr Angst einjagt: "Jeder, der sich im Iran für Menschenrechte engagiert, muss von Geburt bis zum Tod in Angst leben. Aber ich habe gelernt, meine Angst zu überwinden", schrieb sie einmal: Denn "es ist unsere Aufgabe, den Herrschenden die Wahrheit zu sagen."

Die Autorin ist Nahost-Korrespondentin.

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