Flüchtlingsvolksbegehren

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Innenminister Ernst Strasser hofft, dass den Kritikern an seiner Asylpolitik die Luft ausgeht. Damit dem nicht so ist, braucht es ein demokratisches Zeichen des Widerstands.

Es gibt kriminelle Politiker, dass weiß jeder und jede, es wird aber nicht ständig nur über diese paar Ausnahmen geredet. Es gibt irgendwo ganz sicher auch unfähige Innenminister, auch das ist allgemein bekannt, aber auch hier wird nicht dauernd mit dem Finger vorwurfsvoll auf diese wenigen Ausreißer gezeigt. Bei Asylwerbern ist das ganz anders: Wie in jeder gesellschaftlichen Gruppe gibt es auch unter Asylwerbern Menschen, die aus verschiedenen Gründen kriminelle Handlungen begehen - im krassen Unterschied zu den sonstigen Gepflogenheiten wird bei Asylwerbern aber nur über diese paar Ausnahmen geredet, nur auf diese wenigen Ausreißer vorwurfsvoll mit dem Finger gezeigt.

Es sei "unverständlich, wenn sich jemand zu einem Verteidiger von straffälligen Asylwerbern machen will", antwortet Innenminister Ernst Strasser auf die Kritik von Menschenrechtsorganisationen an seiner neuerlichen (der wievielten eigentlich?) "Verschärfung des Asylrechts". Zur Verständlichmachung: Keine Menschenrechtsorganisation verteidigt Kriminelle - dazu gibt es Rechtsanwälte. Menschenrechtsorganisationen verteidigen Asylwerber, weil das die schwächste Gruppe in unserem Land ist, weil die keine andere Lobby haben. Und nur für einen Innenminister, der Asylwerber generell ins kriminelle Eck stellt, kann der Eindruck entstehen, Menschenrechtsorganisationen würden Kriminelle verteidigen. Nicht die Menschenrechtsorganisationen handeln also unverständlich, Unverständnis muss einzig Ernst Strasser attestiert werden.

Eine Wette: Der Herr Innenminister mischt sich ein Jahr lang nicht mehr in das Asylwesen im Land ein. Er schaut einzig darauf, dem Finanzminister ein wenig Geld für mehr und endlich ausreichend Personal im Bundesasylamt zu entlocken. Den Rest machen seine Beamten, die sich gerne von den Experten aus den Menschenrechtsorganisationen unterstützen und beraten lassen. Der Herr Innenminister kann sich derweil um seine Polizei kümmern, er kann sich auf europäischer Ebene profilieren, ab und zu eine Spritztour nach Washington machen - wetten, das Asylwesen wird sich in diesem Jahr hervorragend entwickeln.

Leider wird Ernst Strasser die Wette nicht eingehen. Er wird diese böse Suppe weiterkochen. Er wird keinen Kärntner Landeshauptmann neben sich als Scharfmacher hochkommen lassen. Er wird sich weiter mit der Krone arrangieren, das Asylgesetz noch oft "verschärfen" und den bass Erstaunten mimen, wenn ihm der Verfassungsgerichtshof seine rechtsstaatlichen Unverfrorenheiten zurückschmeißt. Rechtzeitig zur Christmette wird er einen "Weihnachtsfrieden" mit den Hilfsorganisationen schließen, der sich aber schon zu Silvester als kurzer Waffenstillstand entpuppt haben wird.

Leider wird Ernst Strasser bei seiner Asylpolitik einen sehr langen Atem haben - nicht nur, weil es bis zu den nächsten Wahlen noch dauert, sondern weil er damit rechnet, dass den Kritikern an seiner Asylpolitik die Luft ausgeht. Und leider könnte er mit seiner Taktik Erfolg haben. "Nützt ja doch nichts", sagen sich in besonders resignativen Momenten vielleicht nicht nur Leitartikel-Schreiber, sondern auch Menschenrechtssprecher im Parlament, Vertreter der Hilfsorganisationen, Asylanwälte und alle anderen, die einen Rest an Rechtsstaatlichkeit und Humanität in diesem Staat bewahrt wissen wollen.

Demokratischer Widerstand gegen eine als unrichtig erkannte Politik funktioniert nur über Mobilisierung. Es muss Schluss sein mit einer Asyldebatte im Land, bei der Ernst Strasser die schweigende Mehrheit hinter sich zu haben meint. Farbe bekennen ist angesagt: Wie soll mit jenen Menschen umgegangen werden, die nach Österreich flüchten, weil sie meinen, hier stehe das Recht über der Macht, Menschlichkeit über eigennützigem politischen Kalkül?

Antwort darauf kann nur ein Volksbegehren geben. Die Österreicher sollen zeigen, auf welcher Seite sie stehen - im Jubiläumsjahr. Ob sie die Freiheit, für die sie gekämpft, die sie aber letztlich geschenkt bekommen haben, anderen vorenthalten wollen. Niemand wird offiziell gegen so ein Flüchtlingsvolksbegehren sein. Die entscheidende Frage ist jedoch - wie generell in der Flüchtlingsdebatte: Wer ist dafür?

wolfgang.machreich@furche.at

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