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Verheerende Regenfälle haben 60.000 Menschen in den Flüchtlingslagern der Westsahara obdachlos gemacht. nadjat hamdi von der Unabhängigkeitsbewegung Frente Polisario im Gespräch über die Lage nach der Flut.

Die Furche: Frau Hamdi, eine Flut in der Wüste - schwer vorstellbar. Können Sie die Lage in den überschwemmten Gebieten schildern?

Nadjat Hamdi: Anfang Februar haben sehr starke Regenfälle die Flüchtlingslager in der Westsahara getroffen. 12.000 saharauische Familien waren von heute auf morgen obdachlos. Es sind aber nicht nur diese Flüchtlingsfamilien betroffen, die anderen stehen jetzt vor zerstörten Wohnungen. Viele Lehmhäuser müssen wieder aufgebaut werden.

Die Furche: Und wie sieht es mit der öffentlichen Infrastruktur aus?

Hamdi: Die starken Regenfälle haben auch die Hälfte der Infrastruktur vernichtet: Schulen, Kindergärten, Verwaltungsgebäude, Krankenhäuser und Jugendzentren sind zerstört worden.

Die Furche: Wie sieht derzeit die Versorgung der Betroffenen mit Lebensmitteln aus?

Hamdi: Das ist das Schlimmste. Die Menschen, die in den Flüchtlingslagern leben, sind hundertprozentig abhängig von der internationalen Hilfe. Normalerweise werden Lebensmittel für einen Monat in zentralen Lagern aufbewahrt. Die Flut hat aber diesen Vorrat vernichtet, die Lebensmittel für den März waren weg- und das mitten in einer Steinwüste ...

Die Furche: ... die aber seit Jahrzehnten wild umkämpft ist. Seit 1975 hält Marokko die Westsahara besetzt.

Hamdi: Nichtsdestotrotz haben fast alle afrikanischen Staaten die Republik Westsahara anerkannt, weltweit sind es achtzig Länder. Westsahara ist auch Mitglied der Afrikanischen Union. Die afrikanischen Staaten haben somit getan, was sie konnten. Aber Druck auf Marokko kann nur wirtschaftlichen Druck bedeuten, und den können die afrikanischen Staaten nicht ausüben. Um im Klartext zu sprechen: Wer kann Druck auf Marokko ausüben? Das können die westlichen Staaten, die europäische Union.

Die Furche: Und tut die eu das in ausreichender Form?

Hamdi: Ein Beispiel: Es gibt reiche Fischvorkommen an der Küste der Westsahara. Die eu ist leider gerade dabei, ein Fischabkommen mit Marokko abzuschließen, inklusive der Westsahara. Das ist gegen internationales Recht. Die uno anerkennt die Besetzung der Westsahara durch Marokko nicht, und trotzdem macht die eu dieses Abkommen mit Marokko, ohne dass sie Westsahara ausnehmen. Da geht es einfach ums Geld.

Die Furche: Sind also ökonomische Vorteile der Grund für Marokko, die Westsahara weiterhin zu besetzen?

Hamdi: Die Wirtschaft, das ist mittlerweile wahrscheinlich der einzige Grund. Die Westsahara ist reich an Rohstoffen: Es gibt dort einen großen Vorrat an Phosphat, jetzt hat man Erdöl gefunden.

Die Furche: Seit Jahren wird von internationaler Seite um die Durchführung eines Referendums gerungen - bislang ohne Erfolg, glauben Sie noch an die Unabhängigkeit der Westsahara in absehbarer Zeit?

Hamdi: Wir erwarten nicht viel. Nur ein Referendum, damit wir unser Selbstbestimmungsrecht bekommen. Das ist alles. Und die erste Grundlage für dieses Referendum ist geschaffen: Die Registrierung der Wähler wurde von der uno abgeschlossen. Dann aber hat Marokko angefangen, mit verschiedenen Mitteln das Referendum zu verschieben, um Zeit zu gewinnen. Damit entfernt sich Marokko vom ursprünglich beschlossenen Plan, das Referendum so rasch wie möglich abzuhalten.

Die Furche: Sie sind gebürtige Saharaui und Sprecherin der Frente Polisario in Österreich - welche Unterstützung würden Sie sich von der österreichischen Regierung erwarten?

Hamdi: Obwohl es mühsam ist, versuche ich die Österreicher auf diesen vergessenen Konflikt aufmerksam zu machen. Was wir uns konkret von der Regierung wünschen, ist die Anerkennung der Demokratischen Arabischen Republik Sahara. Das wäre ein Zeichen, dass man unseren Kampf für die Unabhängigkeit unterstützt. Das saharauische Volk will das Selbstbestimmungsrecht - darauf warten wir seit dreißig Jahren.

Das Gespräch führte Stefan Hofer.

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