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Folgen der Doppelwahl

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Mit einem derartigen politischen Umsturz in der Steiermark und mit dem Knde der Ära Krainer hat an der Mur niemand gerechnet. Am wenigsten wohl der sozialdemokratische Spitzenkandidat Peter Schachner-Blazi-zek, der keine einzige Stimme hinzugewann, sich aber angesichts der erdrutschartigen Verluste der steiri-schen VP im Ausmaß von mehr als 70.000 Stimmen plötzlich als Sieger des Abends sah. Die grüne Mark steht jetzt vor einer äußerst prekären politischen Situation, denn der Gleichstand von je 21 Landtagsmandaten für VP und SP liefert das Land mehr denn je der Schiedsrichterrolle der Freiheitlichen aus. Sie konnten nur einen marginalen Zuwachs von einem Landtagsmandat erzielen, und ihre Hoffnungen auf einen zweiten Regierungssitz erfüllten sich nicht. Trotzdem verfügen sie nun über eine Schlüsselrolle im Landtag, die sie schon bei der Wahl des neuen Landeshauptmannes nützen werden. Da die steirische VP mittlerweile Waltraud Klasnic zur Nachfolgerin von Josef Krainer nominiert hat, ist zum ersten Mal in Österreich die Wahl einer Frau zum Landeshauptmann denkbar.

Schon Josef Krainer I. hatte vor mehr als 30 Jahren erkannt, daß in dem Industrieland Steiermark bei Bundeswahlen wohl immer die SP die Nase voran haben würde. Er trennte daher die Nationalratswahlen von den Landtagswahlen. Dadurch lag zuletzt die Landes-ÖVP um 17 Prozentpunkte über der Bun-des-ÖVP. Durch die jetzige Doppelwahl wurde dieser Effekt zunichte gemacht, die steirische ÖVP stürzte fast auf den Platz zwei ab.

Ursache dieser verheerenden Niederlage ist gewiß auch das Unvermögen der steirjschen VP, den Verlust der absoluten Mehrheit bei den Landtagswahlen 1991 durch eine adäquate Strategie auszugleichen. Die sozialdemokratische Taktik, die steirische VP zu keinem Erfolg kommen zu lassen, führte zu einer weitgehenden Lähmung des Landes, die von der VP nicht aufgebrochen werden konnte. Und wenn es auch Landesrat Gerhard Hirschmann gelang, den anfänglichen Flirt der steiri-schen SP mit den Freiheitlichen auszutricksen und das Projekt des Ö-Binges mit den Stimmen der FP durchzusetzen, erwies sich spätestens jetzt, wie doppelbödig die Wirkung bei den Wählern war: Nicht einmal im Großraum Knittelfeld-Zeltweg konnte die VP Stimmengewinne verbuchen.

Nicht weniger fatal war der Eindruck der Bundes-ÖVP während der Budgetkrise im Herbst: Sie gab sich streckenweise wie eine Wirtschaftsund Bauernpartei. Sorgen der Arbeitnehmer wurden von der VP kaum angesprochen, und nicht wenige Pensionisten fürchteten sich vor den Sparplänen der Volkspartei. Zu allem Überfluß blieben die Anstrengungen der ÖVP für die Bauern hinter dem erhofften Ergebnis zurück. Erwähnt muß auch die Enttäuschung nicht weniger bewußter Katholiken werden, die mit Bitterkeit registrierten, daß es ausgerechnet die ÖVP war, die den 8. Dezember „einkaufsfrei" gab. Gewiß war dies kein wahlentscheidender Faktor, aber ein Hinweis dafür, wie man von der VP eigene Kernschichten behandelt.

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