Frankreichs verlassene Kolonie

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Frankreich setzt im Präsidentschaftskonflikt in der Elfenbeinküste auf Diplomatie. Das Interesse an der ehemaligen Kolonie hält sich in Grenzen. Eine Analyse von Sandra Knopp

Vor einem Monat erklärte die Wahlkommission Alassane Ouattara zum Sieger der Präsidentenwahlen in der Elfenbeinküste. Doch weiterhin weigert sich der bisherige Präsident Laurent Gbagbo abzudanken. Dass, obwohl die internationale Gemeinschaft Ouattara als Staatsoberhaupt anerkennt, von der Weltbank und EU Sanktionen gegen seine Regierung verhängt wurden und die Westafrikanische Staatengemeinschaft mit einem Militärschlag drohte. Die Gewalt zwischen seinen und Ouattaras Anhängern steigt. Der Côte d'Ivoire droht ein Bürgerkrieg. Gbagbo sieht sich als Opfer der USA und vor allem Frankreichs. Der ehemaligen Kolonialmacht wirft er ein Komplott vor.

Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Jacques Chirac, der zweimal militärisch bei Konflikten in der Elfenbeinküste einschritt, hielt sich der französische Präsident Nicolas Sarkozy bis dato zurück. Er konzentriert sich auf diplomatische Versuche, so legte er Gbagbo nahe abzudanken und forderte EU-Sanktionen.

Französisches Desinteresse

Andreas Ross kommentierte diese Zurückhaltung in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" mit einem Interessensverlust Frankreichs an seiner ehemaligen Kolonie. Diese sei nicht mehr das afrikanische Musterland, das französische Geschäftsinteressen gedeihen lasse. So ist die Elfenbeinküste von einem Bürgerkrieg 2002 schwer gezeichnet und de facto in einen muslimisch dominierten Norden und einen regierungstreuen Süden geteilt. Der Frieden ist zudem nicht stabil, wie Ausschreitungen 2004 zeigten. Nicht zuletzt wegen anti-französischer Protesten im Land verringerte sich die Zahl französischer Siedler von 40.000 Menschen vor dem Bürgerkrieg auf heute rund 15.000 Menschen.

Zudem relativierte Frankreich, das ökonomische Gewicht Afrikas, was Sarkozy mit der Aussage "Wirtschaftlich brauchen wir Afrika nicht" dokumentierte. Für einige französische Unternehmen, wie Peugeot machte aber Afrika über 20 Prozent des Auslandsgeschäftes aus. 2007 beschäftigten 140 französische Filialen in der Elfenbeinküste über 40.000 Menschen.

Die verhaltene französische Reaktion im aktuellen Präsidentschaftskonflikt beruht auch auf zwei problematischen Militäreinsätzen in der Elfenbeinküste. 2002 bat Präsident Gbagbo Frankreich um Mithilfe bei der Niederschlagung eines Rebellenputsches und pochte auf den Verteidigungspakt, der auf die koloniale Vergangenheit des Landes zurückgeht. Die Elfenbeinküste vertraute auch nach der Unabhängigkeit auf die französische Stärke und baute sich weitgehend keine schlagkräftige eigene Armee auf.

Aber erst als es um die Sicherheit seiner Landsleute in der Elfenbeinküste ging, griff Präsident Jacques Chirac militärisch ein. Seine Soldaten stoppten zwar den Vormarsch der Aufständischen zum Regierungszentrum Abidjan, schlugen aber die Rebellion nicht nieder. Stattdessen versuchten sie zu vermitteln. Der Friede zwischen den beiden Kriegsparteien hielt nicht lange, obwohl französische Soldaten im Land waren. 2004 griffen Regierungstruppen von Präsident Gbagbo Rebellen aus dem Norden des Landes an. Dabei wurden auch französische Soldaten getötet. Frankreich reagierte mit einem Militärschlag und zerstörte einen Großteil der ivorischen Luftwaffe. Im Regierungszentrum Abidjan kam es zu schweren anti-französischen Unruhen, bei denen 8000 Franzosen das Land verließen. Ab 2004 sicherten zusätzlich UN-Truppen den brüchigen Frieden.

Das Verhältnis zur Elfenbeinküste kühlte sich deutlich ab. So betont das französische Außenministerium, dass die Zusammenarbeit mit der Côte d'Ivoire sich auf die Begleitung des Stabilisierungsprozesses der Weltbank und der EU konzentriere.

Die Konzentration auf militärische Konfliktlösung zu Zeiten Chiracs führte nicht zu langfristiger Stabilität, wie der Afrikaexperte Andreas Mehler in seinem wissenschaftlichen Aufsatz "Der ewige Gendarm" analysiert. Nicolas Sarkozy setzt auf eine andere Afrika-Politik als sein Vorgänger. Frankreich habe nicht die Berufung auf ewig militärisch in Afrika präsent zu sein. Der EU soll mehr Verantwortung in der Sicherheitspolitik verliehen werden, ebenso der Afrikanischen Union.

Konzentration auf Demokratie

Während Sarkozy deutlich machte, dass Demokratie die ri chtige Staatsform für Afrika wäre, bezeichnete Chirac das noch als Luxus. Sarkozy betone die Mündigkeit seiner Gesprächspartner und reagiere so schnell, dass Mehlert fragt, ob sich Frankreich in Afrika aus der Verantwortung stehlen möchte. Das würde auch weniger Entwicklungshilfe und im Hinblick auf die koloniale Vergangenheit ein Ende der "Kolonialschuld" bedeuten.

Das neue Konzept sieht auch eine Abkehr von der "Francafrique" vor und der Absprache gegenseitiger Interessen afrikanischer und französischer Eliten.

Die Situation für die rund 15.000 Franzosen in der Elfenbeinküste bleibt auch in der neuesten Auseinandersetzung heikel. Sie könnten wieder von Gbagbo instrumentalisiert werden. Ein militärischer Angriff Frankreichs erscheint derzeit relativ unwahrscheinlich. Ein Großteil der mobilen Truppen ist in Afghanistan stationiert. Zudem könnte ein französischer Militärschlag die Position Gbagbos als "Bewahrer seines Volkes" gegen ausländische Interessen stärken. Eine Rolle, auf die er sich bereits jetzt beruft.

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