"Freedom Day" und Postenschacher: So ist kein Staat zu machen!

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Die Pandemie hat die "organisatorische Unterbegabung" der österreichischen Verwaltung belegt - und zahllose Chats ihre politische Steuerung. Es wäre Zeit für einen Österreich-Konvent.

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Die Pandemie hat die "organisatorische Unterbegabung" der österreichischen Verwaltung belegt - und zahllose Chats ihre politische Steuerung. Es wäre Zeit für einen Österreich-Konvent.

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„Krisen [...] sind Stunden der Nacktheit, in denen sich die Stärken und Schwächen von Organisationen und Institutionen in voller Deutlichkeit zeigen, da sie der schützenden Hüllen von Alltagsroutinen beraubt und großer öffentlicher Aufmerksamkeit ausgesetzt sind.“ Das schrieb der Public-Management-Experte Wolfgang Gratz am 30. November 2020 in der Wiener Zeitung. Es war ein brillanter und zugleich schonungsloser Essay über die Dysfunktionalitäten von Politik und Verwaltung, die schon damals im Zuge der Pandemie offenbar geworden waren. In einer idealen – oder zumindest besseren – Welt des Öffentlichen, so Gratz, hätte es nicht nur längst ein zeitgemäßes Pandemiegesetz gegeben; man hätte auch ein Bund-Länder-Verhältnis, das als lernendes (und nicht sich selbst torpedierendes) System ausgestaltet ist, ein arbeitsteiliges Krisenmanagement, das über das Heute hinausdenkt – und keine Mehrgleisigkeiten von Gremien und Erfassungssystemen. Zu dieser „organisatorischen Unterbegabung“ komme in Österreich noch eine „politische Steuerung der Verwaltung durch Generalsekretäre und große ,Kabinette‘ bis in operative Detailfragen hinein“. Personalbesetzungen inklusive.

Heute, gut ein Jahr, ein paar Coronawellen und zahllose Chatprotokolle später, fällt dieser Befund noch desaströser aus. „Verrottet“ sei die Verwaltung in diesem Land, befand Thomas Wieser, ehemaliger Sektionschef im Finanzministerium, am Wochenende gegenüber der Kleinen Zeitung. Ein scharfes Wort – aber angesichts dessen, was in den letzten Monaten, Wochen und Tagen ans Licht kam, wohl auch nicht ganz falsch. Da wäre etwa eine Impfpflicht, die zur Kalmierung der Geimpften über Nacht avisiert wurde, ohne deren organisatorische Abwicklung (Stichwort ELGA) am Schirm zu haben; da wäre ein Hospitalisierungsregister, das zwei Jahre nach Pandemie­beginn (!) als „Grundlage für ein effektives und effizientes Krisenmanagement“ installiert wurde; und da wäre eine Impflotterie, mit der man zuerst Geld (das offenbar nichts mehr kostet) verteilen will – bis man sich am Ende selbst verpokert. Dass die Regierung durch zig Expertengremien mehr Transparenz und Evidenz verspricht und dann erst recht wieder nicht nachvollziehbare politische Entscheidungen trifft (Stichwort Masken an Schulen und eine mit dem "Freedom Day" abermals für beendet erklärte Pandemie), verstört vollends.

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