Freie Sicht auf die Wahlurne

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Das theoretische Wahlrecht für afghanische Frauen in die Praxis zu übersetzen: Dieses ehrgeizige Ziel hat sich das österreichische Demokratisierungsprojekt "Empowerment von afghanischen für afghanische Frauen" gesteckt. von veronika thiel

Afghanische Frauen haben das Wahlrecht: theoretisch - in der Praxis ist es jedoch eine besondere Herausforderung, afghanische Frauen, die jahrelang von sämtlichen Aspekten des öffentlichen Lebens ausgeschlossen waren, auch tatsächlich in den demokratischen Willensbildungsprozess einzubinden. Viel Zeit bleibt dafür nicht: Für den Juni 2004 sind in Afghanistan Wahlen anberaumt.

Um den Frauen den Weg zu den Urnen zu ebnen, hat in Afghanistan u.a. das Pilotprojekt "Empowerment von afghanischen Frauen für afghanische Frauen" begonnen. Das Projekt wird von der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit finanziert und durch die Ludwig Boltzmann Forschungsstelle für Politik und zwischenmenschliche Beziehungen durchgeführt. Ziel dieses Projekts ist es, den afghanischen Frauen Bedeutung und Ablauf von demokratischen Wahlen zu vermitteln.

Ohne Stimme kein Einfluss

Georgina Nitzsche, Projektkoordinatorin und Mitarbeiterin von Frauen ohne Grenzen, unterstreicht die Notwendigkeit dieses Unternehmens: "Ohne das Wahlrecht, ohne eine direkte Stimme, haben afghanische Frauen keinen Einfluss auf für sie relevante Bereiche wie Gesundheits- und Bildungspolitik. Allerdings bleibt das Wahlrecht nutzlos, wenn Frauen nicht um seine Bedeutung wissen oder gar nicht erfahren, wie sie Zugang dazu haben."

Schneeballeffekt

30 afghanische Frauen aus 15 besonders schwer erreichbaren Provinzen werden ausgebildet, um ihr Wissen an andere Frauen weiterzugeben. Dieses "civic-training" beinhaltet neben konkreter Wahlvorbereitung auch allgemeine politische Bildung und Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch. Als Veranstaltungsorte dienen die vom afghanischen Frauenministerium betriebenen Frauenzentren. Diese Räumlichkeiten haben den Vorteil, dass sie bereits von der weiblichen Bevölkerung genutzt und akzeptiert werden - und die nötige Sicherheit bieten.

Nitzsche rechnet mit mindestens 3.000 Frauen, die an den Trainingseinheiten teilnehmen werden. "Wir gehen außerdem davon aus, dass die Teilnehmerinnen über ihre Erfahrung mit ca. vier weiteren Frauen oder auch Männern sprechen - so wird sich die Botschaft weiter verbreiten", hofft Nitzsche. Auf diese Weise werden die Inhalte selbst bis in Haushalte gelangen, die internationale Mitarbeiter nie erreichen könnten.

Ein bedeutender Schritt auf dem Weg zur gesetzlichen Verankerung der Rechte von Frauen stellt auch die noch in Arbeit befindliche Verfassung dar. Edit Schlaffer, Vorstandsmitglied und Mitbegründerin des Vereins Frauen ohne Grenzen, meint dazu: "Afghanistan befindet sich derzeit in einer kritischen Situation: Der Verfassungsentwurf sieht eine völlige Gleichberechtigung der Frauen vor, doch die Balance zwischen Islam und Demokratie muss erst gefunden werden." Strittig bleibt die Frage, ob die Scharia, das islamische Recht, in die Verfassung implementiert wird.

Sogkraft der Tradition

Afghanistans Frauenministerin Habiba Sarabi sieht das Problem nicht so sehr in der Scharia, sondern in der Sogkraft der Tradition, die schriftlich vorhandene und bei weitem liberalere Interpretationen des Islam überschattet. Ein Prüfstein für die Akzeptanz der Verfassung wird die Reaktion der Führer und Stammesältesten sein. "Wir glauben, dass langfristig gesehen eine Enttalibanisierung der männlichen Köpfe stattfinden muss und dass man die Bildungsprogramme nicht bloß auf Frauen abstimmt, sondern verstärkt versucht, auch Männer zu erreichen", so Schlaffer.

Nitzsches Eindruck von der Situation der Frauen in Kabul ist durchwegs positiv: "Ich habe motivierte und aktive Frauen getroffen, die fest entschlossen sind, beim Wiederaufbau Afghanistans mitzumachen. Die meisten dieser Frauen werden von ihren Ehemännern und Familien unterstützt."

Todesdrohungen von Taliban

Die Aufbruchsstimmung in Kabul kann nicht über die Situation in den Provinzen, die sich nach wie vor unter der Kontrolle der Warlords befinden, und das Erstarken der Taliban in manchen Grenzgebieten hinwegtäuschen. Erst kürzlich gab es Todesdrohungen der Taliban an alle Frauen, die mit westlichen NGOs kooperieren. "Die Ergebnisse in den Provinzen werden bescheiden sein, aber Projekte wie dieses sind wichtig, weil Frauen dadurch im Blickpunkt bleiben", betont Schlaffer und fährt fort: "Der Weg Afghanistans hin zu einer demokratischen Zivilgesellschaft ist ein langsamer Prozess, aber zumindest dabei zu sein und eine Stimme zu haben ist ein erster Schritt in die richtige Richtung."

1. int. Frauen ohne Grenzen Konferenz:

Women Included! 13./14. 11. 2003

Siemens Forum, 1030 Wien,

öffentliche Veranstaltung, Eintritt frei.

Info unter: Tel.: 01 - 533 455 1,

www.frauen-ohne-grenzen.org

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