Freiheitskämpfer, Wahlsieger, Organhändler?

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Hashim Thaçi ist ein beeindruckender Mann. Bei den Kosovo-Friedensverhandlungen in Rambouillet 1999 war er der politische Stern der Hoffnung, der über dem in Krieg und Blut getauchten Kosovo aufgehen sollte. Ein Mann, dem die Mächtigsten vertrauten. US-Präsident Bill Clinton beriet sich persönlich mit dem damals erst 31-Jährigen. Hashim Thaçi wurde in internationalen Kommentaren entsprechend mit der Aura des erfolgreichen Freiheitskämpfers gegen das vermeintlich in Serbien manifeste Böse umflort - andererseits als politischer Stratege mit Handschlagqualität.

Wir wissen nicht, was in diesen Tagen tatsächlich hinter den Kulissen vorging. Was wir sagen können, ist, dass es schon damals relativ detaillierte Berichte mehrerer internationaler Geheimdienste über das gab, was Hashim Thaçi und seine Kosovo-Befreiungsarmee UÇK so trieben, wenn sie nicht gerade auf andere Soldaten schossen: Drogenhandel, Menschenhandel, Ermordung Kriegsgefangener, Zusammenarbeit mit der albanischen Mafia. Konsequenzen daraus: ein diplomatisch schelmisches Augenzwinkern über solche "Jugendsünden" eines Verbündeten, die angesichts Thaçis strategischer Wichtigkeit sofort verblassten.

Die Nonchalance hatte sogar rechtsstaatliche Konsequenzen. Die ernsteste darunter: Im Kosovo gab es nach dem Krieg gleich dreierlei Recht - Justiz für Kosovo-Albaner, Lynchjustiz für Serben und Roma, Schonung hingegen für wirkliche Verbrecher, solange sie der richtigen Gruppe angehörten. So liest sich jedenfalls ein Europaratsbericht über Kriegsverbrechen an Serben durch die UÇK.

Ist das noch immer so? Zumindest der dritte Zustand scheint ohne Einschränkung durch die internationalen Organe des Kosovo noch zu bestehen. Vielmehr scheinen eben diese Rechtsverweser, ob sie nun UNMIK oder KFOR heißen, eine ganze Oligarchie organisierten Verbrechens gestützt statt verfolgt zu haben. Von den vielen immer wieder namhaft gemachten und angezeigten Führern der UÇK befindet sich kein einziger in Haft, empört sich der Berichterstatter des Europarates, der Schweizer Liberale Dick Marty. Die Veröffentlichung seines Berichtes über Kriegsverbrechen der UÇK wurde aufgrund der Brisanz des Inhalts vorsorglich auf die Woche nach den Kosovo-Wahlen geschoben - um unschöne Kundgebungen am Wahltag zu vermeiden.

Doch nun, nach dem beeindruckenden Sieg Hashim Thaçis stellen sich an den mächtigsten Politiker des Kosovo neue Fragen. War Thaçi der Kopf der innerhalb der UÇK führenden "Drenica-Gruppe"? Hat er als solches 1999 eigene Gefängnisse für Kriegsgefangene der UÇK in Nordalbanien eingerichtet, und zwar an vier Orten, an denen laut Berichten und Zeugenaussagen Gefangene gefoltert und ermordet wurden?

Hat er serbische Frauen aus ihren Dörfern entführen lassen, die danach von UÇK-Kämpfern vergewaltigt und an Prostitutionsringe weiterverkauft wurden?

Hat er über die damals freie Grenze zu Albanien den Handel mit Heroin und anderen Drogen über die UÇK kontrolliert? Hat er gemeinsam mit anderen der Drenica-Gruppe Serben gekidnappt, sie medizinischen Tests unterzogen, danach ermordet und die Nieren der Toten als Spenderorgane verkauft?

Angesichts des horrenden Europaratsberichtes sollte die Frage für die Europäische Union nun eigentlich nicht mehr sein, ob die Wahlen im Kosovo fair verlaufen sind, sondern, wann sich der Wahlsieger endlich vor Gericht verantworten muss. Es ginge um die eigene Glaubwürdigkeit.

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