Freundschaft, Heimat, Bildung -und...

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"Katholiken durften keine Mensur mehr ausfechten -sie wurden als satisfaktionsunfähig betrachtet und daher von Schlagenden als ehrlos angesehen."

Die ersten studentischen Vereinigungen kamen an den sogenannten Bursen, kurz nach Gründung der ersten deutschsprachigen Universitäten in Wien, Prag und Köln, Mitte des 14. Jahrhunderts, auf. Bursen wurden die Wohngemeinschaften der Studierenden genannt, die meist aus mehr oder weniger weit entfernten Regionen kamen und sich oft keine eigene Wohnmöglichkeit leisten konnten. (Davon leitet sich das heutige couleurstudentische Wort "Bursche" ab.)

Essen, trinken, studieren

Von den Bursen aus wurden die sogenannten Nationen gegründet, die in der Regel nach der Heimatregion benannt wurden. In diesen Nationen traten bereits Riten und Gewohnheiten auf, die sich auch heute noch im sogenannten Comment -dieser stellt eine Art Verhaltenskodex für Korporierte, das heißt Mitglieder einer studentischen Verbindung, dar - wiederfinden. Man aß, trank und lernte zusammen und so entstand ein enges Freundschaftsband zwischen den Mitgliedern, welches sich unter anderem mit der Waffe verteidigen ließ.

Die Waffe wurde aber auch bei Streitigkeiten untereinander eingesetzt. Studenten zählten nämlich zu den wenigen, die das Privileg innehatten, eine Waffe zu führen, den sogenannten "Schläger". Damit duellierte man sich im Konfliktfall und konnte sich auf Reisen, die ja damals ein nicht unbeträchtliches Risiko darstellten, gegen Straßenräuber und ähnliche Gefahren verteidigen. Im Laufe der Zeit wurden immer mehr Nationen gegründet, die in weiterer Folge unter der Bezeichnung Landsmannschaften auftraten.

An der Wende zum 19. Jahrhundert entwickelten sich sogenannte Corps, die den Landsmannschaften in vielen Punkten sehr ähnlich waren, aber auch von den Ideen des Deutschen Idealismus beeinflusst waren und verstärkt Wert auf Bildung und geistige Vervollkommnung legten.

Diese Entwicklung bewirkte eine weitere Tendenz, nämlich Abspaltung von den ein Weltbürgertum befürwortenden Corps, was in der Gründung der sogenannten Urburschenschaft gipfelte. Vor dem Hintergrund der napoleonischen Befreiungskriege gewannen Burschenschaften, die für ein geeintes Deutschland eintraten und ein Nationalbürgertum befürworteten, immer mehr an Bedeutung.

Im 19. Jahrhundert taten sich mit dem Aufkommen von Landund Partikularschulen auch Schüler mit der Begründung zu Verbindungen zusammen, dass ihre Ausbildung der an einer Universität gleichwertig sei, und trotzten damit dem Versammlungsverbot, von dem bislang im Wesentlichen nur Universitätsstudenten ausgenommen waren. Die Riten, Kleidungsbestimmungen und dergleichen der sogenannten Pennalen (Pennäler =Schüler) Verbindungen waren denen Akademischer Verbindungen sehr ähnlich und der Unterschied zwischen diesen Verbindungstypen ließ sich weniger im Bildungsstand, als in der Altersstruktur der Mitglieder feststellen.

In den dreißiger und vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts kam allerdings ein ganz anderes Problem auf: Die katholische Kirche wertete die Mensur, die bislang von allen Verbindungen gepflegt wurde, als Sünde, da dadurch das bewusste Verletzen eines Mitmenschen in Kauf genommen wurde, und untersagte die Ausübung derselben. Diese wurde mit Kirchenstrafen bis hin zur Exkommunikation sanktioniert. Katholiken waren von nun an nicht in der Lage, eine Mensur auszufechten, sprich sie wurden als satisfaktionsunfähig betrachtet und aufgrund dessen von Schlagenden als ehrlos angesehen. Diese Entwicklung führte dazu, dass sie ihre eigenen katholischen Verbindungen gründeten, die die Mensur ablehnten.

"Lebensbundprinzip"

Aus diesem historischen Abriss zeigt sich, dass folgende Wertekategorien eine besondere Bedeutung im studentischen Verbindungsleben einnehmen: Lebensfreundschaft (amicitia), Religion (religio), Vaterlandsliebe (patria), Bildung (scientia) und Ehre, verbunden mit der Satisfaktionsfähigkeit über die Mensur.

Landsmannschaften, deren Grundprinzipien sich im Allgemeinen Landsmannschafts-Convent finden, bekennen sich in erster Linie zu unbedingter Satisfaktion, sprich der Ehrverteidigung mit der Waffe. Sie gehen grundsätzlich weder politische noch religiöse Bindungen ein und zeichnen sich durch Ablehnung allfälliger religiöser Vereinigungen aus. Sie treten für die Gleichberechtigung aller schlagenden Verbindungen ein und verstehen sich auch selbst als Teil derer.

Corps, die aus den Landsmannschaften hervorgegangen sind, teilen mit diesen viele Gemeinsamkeiten, wie beispielsweise das Fechtprinzip. Eines der ältesten Prinzipien der Corps ist die Freundschaft (amicitia) auf Lebenszeit, die auch "Lebensbundprinzip" genannt wird. Dazu gehört neben gegenseitigem Respekt und bedingungsloser Hilfe auch der sogenannte Du-Comment, nach dem man, ungeachtet des Standes, mit all seinen Corpsbrüdern per Du ist. Ein weiteres Grundprinzip der Corps ist das ewige Streben nach Bildung (scientia). Dieses Studienprinzip verlangt von Corpsangehörigen, den Anforderungen ihres Studiums nachzukommen und einen Hochschulabschluss anzustreben. Um den Grad des sogenannten "alten Herren" zu erlangen, muss man ein abgeschlossenes Studium vorweisen können.

Wie auch die Landsmannschaften fühlen sich Corps zu keiner politischen, religiösen oder weltanschaulichen Einstellung verpflichtet, stehen aber jeder Einstellung sehr liberal gegenüber. Extremismus wird generell abgelehnt und man setzt sich für die Wahrung der demokratischen Rechte und der akademischen Freiheit ein, was mit "Toleranzprinzip" überschrieben wird.

"Deutsch in Worten und Werken"

Burschenschaften hatten bereits seit ihrer Gründung in den Anfängen des 19. Jahrhunderts eine klare Prioritätensetzung. Ehre und Vaterland geht bei ihnen über alles, so lautet ein Ausschnitt aus den Statuten wie folgt: "Immer muss der ehrliche und wehrliche Bursche die Ehre höher schätzen als das Leben. Vaterland und Volk über alles. Über alles hoch muß ihm das deutsche Vaterland gelten, und er muß deutsch sein in Worten, Werken und Leben." Wie daraus erkennbar, legen sie einerseits großen Wert auf Freiheit und Ehre und die damit verbundene Verteidigung der Ehre mit der Waffe, und andererseits gibt es (zumindest historisch) ein Bekenntnis zum "deutschen Vaterland". Diese sehr stark national orientierte Gesinnung ist bis heute erhalten.

Für Kirche und Europa

Katholische Verbindungen halten trotz der Aufteilung in Akademische und Pennale Verbindungen dieselben vier Grundprinzipien -amicitia, religio, scientia und patria -hoch. Dem Prinzip der religio entsprechend ist für die Aufnahme eine Zugehörigkeit zur katholischen Kirche durch die Taufe und ein nach den Prinzipien der katholischen Soziallehre geprägtes Leben Voraussetzung. Wie die meisten Verbindungen legen auch katholische Verbindungen Wert auf Bildung, womit allgemein das ewige Streben nach Wissen, konkret jedoch zumindest die positive Absolvierung der Matura gemeint ist. Das Prinzip der patria wird als Liebe zur Republik Österreich inmitten eines friedlichen und geeinten Europas, welches auf Demokratie, Freiheit und Gerechtigkeit beruht, verstanden. Auch haben katholische Verbindungen das Prinzip der Lebensfreundschaft, ähnlich den Corps.

Gerade heute ist ein offener Blick und eine Sachkenntnis zur Differenzierung unerlässlich, um die - oftmals nach außen zum Verwechseln ähnlichen - Verbindungstypen nicht allesamt als "Burschenschaften" einzuordnen, sondern entsprechend ihrer ideologischen Ausrichtung zu beurteilen.

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