Früchte des Rating-Misstrauens

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China will nicht mehr von der Allmacht der drei großen Ratingagenturen abhängen. Die Wirtschaftsmacht verlässt sich nun auf die eigene Expertise.

Angesichts des noch zarten Pflänzchens einer konjunkturellen Erholung blicken die globalisierten Ökonomien mit Argusaugen auf den Wirtschaftsmotor China. Wird seine Dynamik hoffentlich nicht ermatten? Die Erfolgsindikatoren Chinas sind jedenfalls nach wie vor erfreulich:

Das BIP Chinas, welches 2010 schon 5500 Mrd. US $ (USA 14.500 Mrd. $) erreicht, wächst auch weiterhin bis 2011 jährlich um rund 9–10 %. Das Handelsbilanzaktivum beträgt 232 Mrd. $ (USA Passivum von 660 Mrd. $), dabei wird aber auch vehement importiert und zwar im Ausmaß von $ 1180 Mrd. (USA 1720 Mrd. $). Über die Jahre haben sich Währungsreserven (ohne Gold) in Höhe von 2750 Mrd. $ (USA ca. 130 Mrd.) angesammelt. China ist auch bekanntermaßen der größte Gläubiger der US-Auslandsschulden; fast ein Viertel von US-Anleihen oder 880 Mrd. $ befinden sich in chinesischer Hand.

US-Anleihen nicht mehr gefragt

Allerdings wird die Bereitwilligkeit Chinas, weiterhin in steigendem Ausmaß amerikanische Anleihen zu kaufen, schwächer. Fällig gewordene US-Anleihen werden nicht mehr im selben Ausmaß durch Neuankäufe ersetzt. Das Vertrauen in den US-Dollar und in die Bonität der USA wird geringer. Unter den mittlerweile von China unverhüllt geäußerten Argumenten heißt es: Die Kreditwürdigkeit der USA ist im Sinken und gewiss unter jener von China selbst. Mit dieser Auffassung befindet sich China allerdings in Kontrast zu den durchwegs amerikanischen Ratingagenturen. Die Konsequenz ist klar:

Das chinesische Selbstbewusstsein ist ausgeprägt genug, um eine eigene Ratingagentur mit globalem Anspruch zu präsentieren. Dazu bedarf es eigentlich kaum einer Rechtfertigung: Nur die immer weniger vertrauenswürdigen US-Ratingagenturen würden die Bonität der USA nach wie vor hoch einstufen. Es waren aber dieselben Ratingagenturen, welche Mitschuld schon an der Krise 2008/09 trugen, indem sie auf den Subprime-Märkten strukturierte Instrumente hoch bewerteten. Ähnlich seien die Ratingagenturen bei den Länderratings (Sovereign Riks) vorgegangen. Dabei seien Entwicklungen (mediterrane Länder) nicht vorhergesehen worden, ja sie hätten sogar durch ihre Aktionen zur Krisenverschärfung beigetragen. Es müsse deshalb ein Beitrag zur Verbesserung der internationalen Finanzstabilität geleistet und das Oligopol der drei Agenturen gebrochen werden. Derzeit teilen sich die Agenturen Moody’s, Standard & Poor’s und Fitch den Rating-Markt. Was die EU anbetrifft, so stärken deren laufende Initiativen zwar die Kompetenzen des in Paris ansässigen Wertpapier-Ausschusses (Committee of European Securities Regulators – CESR), der für die Registrierung von Ratingagenturen zuständig ist. Damit eine Ratingagentur aber die hohen Ansprüche nach Transparenz und Vermeidung von Interessenkonflikten erfüllen kann, sind noch vielfältige Kriterien betreffend Annahmen und Modelle zu diskutieren.

Somit ist es nur folgerichtig, dass als Gegengewicht China mit einer eigenen Agentur – Dagong International Credit Rating Co. – auf den Plan tritt. Dessen Vorsitzender, Guan Jianzhong, äußert recht direkt, dass Dagong im Gegensatz zu den westlich geführten Ratingagenturen faire und realistische Bewertungen – aus einer „nicht-westlichen Perspektive“ – erstellen will. Diese Sichtweise kommt nicht von ungefähr, hat doch der chinesische Präsident Hu Jintao beim G20-Gipfel in Toronto gemeint: „… we must develop an objective, fair, reasonable and uniformed method and standard for sovereign credit rating, so that the rating result can precisely reflect a country’s economic situation as well as its level of credit risk.“

Im Gefolge dessen hat Dagong Global Credit Rating kürzlich eine Liste mit Ratings der Staatsanleihen von 50 Ländern vorgelegt. Damit würde eine historische Gelegenheit für China ergriffen, an der Gestaltung des internationalen Ratingsystems teilzunehmen und sich von den „unfairen“ Bewertungen unter der Kontrolle westlicher Agenturen abzuwenden. Deren Macht auf internationalen Finanzmärkten sei ungebrochen. Pensionsfonds sollen beispielsweise nur bestgeratete Wertpapiere kaufen. Bei Herabstufung von z. B. Staatsanleihen wird eine weitere Kreditaufnahme zumindest erheblich teurer.

Dagongs neue Reihungen

Diese neue Liste des Ratings von Sovereign Risks durch Dagong zeigt ganz neue Reihungen: China selbst erhält eine Bewertung von AA+ für Anleihen in eigener Währung, drei Ränge vor den USA, die auf AA mit negativem Ausblick kommen. Chinesische Yuan-Anleihen erhalten dagegen bei Moody’s nur (A1) und bei Standard & Poor’s (A+), obwohl Chinas Schulden im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt gering sind. US-Anleihen in Dollar genießen hingegen durch die US-Agenturen weiterhin beste Bewertungen. Internationale Anleihen aus China erhalten bei Dagong deshalb die Bestnote AAA. Deutsche Euro-Anleihen werden ebenso wie China mit AA+ geratet. Noch bessere Noten erhalten nur Norwegen, die Schweiz und Singapur.

Welche Wirkung diese Dagong-Ratings auf die Zinskonditionen in Zukunft haben werden, ist noch schwer abzuschätzen. Im Moment lautet die chinesische Meinung aber, dass die amerikanischen Agenturen die ökonomische Stärke Chinas unterschätzten und damit die Finanzierungskosten für chinesische Staatsanleihen hochtrieben. Längerfristig drückt jedoch Dagong nur auftretende Umgewichtungen im globalen Wirtschaftsgefüge zugunsten des asiatischen Jahrhunderts aus.

Westliche Überheblichkeit gegenüber dieser asiatischen Rating-Agentur ist wohl nicht am Platz. Sobald die Kapitalmärkte auch Dagong und nicht nur Fitch, Moody’s oder Standard & Poor’s vertrauen, schlägt sich dies auch in den Zinskonditionen nieder.

Das Auftreten einer eigenen chinesischen Ratingagentur mit globalem Anspruch ist nur ein notwendiger Puzzle-Stein und Voraussetzung für die Etablierung eines globalen Finanzplatzes in Peking.

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