Gaming: Renaissance einer Kartause

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Zehn Jahre ist es heuer her, dass die Landesausstellung "Kunst des Heilens" in der Kartause Gaming stattfand, die mit rund 370.000 Besuchern eine der erfolgreichsten Landesausstellungen in Niederösterreich war. Mit der Landesausstellung ist aber das Interesse an der Kartause nicht zurückgegangen. Das liegt wohl nicht nur an der ungebrochenen Anziehungskraft dieses besonderen Ortes im Ötscherland sondern auch am Ideenreichtum des Retters der Kartause Gaming, dem es gelungen ist, dieser Ruine im wahrsten Sinn des Wortes neues Leben einzuhauchen.

Begonnen hatte der Niedergang des Baukomplexes mit der Säkularisierung der Klöster unter Josef II., der auch die Kartause Gaming zum Opfer fiel. Bereits 1820 ist von Kaiser Franz I. überliefert, dass er anlässlich eines Besuchs in der Gegend " über den Zustand der Kartause sehr traurig war". Nicht nur der Zahn der Zeit nagte weiter an den Gebäuden, der Komplex war auch vor Plünderungen, Devastierungen und Zweckentfremdungen nicht sicher. Zuletzt waren es von 1945 bis 1955 russische Besatzungssoldaten, die große Verwüstungen verursachten, die auch behördlicherseits aufgrund eines "Antrages auf Wertminderung durch Nachkriegshandlungen" dokumentiert sind. Die Finanzmittel des Stiftes Melk, das 1915 die Kartause erworben hatte, erlaubten damals nur eine notdürftigste Reparatur der gröbsten Schäden.

Liebevoll restauriert

Melk hatte die Kartause bereits von der Erbin des 1914 kinderlos verstorbenen Grafen Gabor Festetics erworben, der in seinem Testament verfügt hatte, die Anlage möge "wieder ein Kloster werden". Melk konnte - nicht nur aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Situation der Zwischenkriegszeit - den großen und baufälligen Komplex nicht ökonomisch nutzen, ein Antrag an das Bundesdenkmalamt um eine Subvention zumindest für die Kartausenkirche wurde abschlägig beschieden, sodass das Stift beträchtliche Eigenmittel aufwenden musste, um zu erhalten, wofür man gar keine richtige Verwendung hatte.

Mit 35 Bauwerken, zwölf Höfen und insgesamt 3,5 Hektar Dachfläche war die Kartause Gaming eine der größten Anlagen des Ordens im 14. Jahrhundert gewesen; 1983 existierten noch zwölf Bauwerke mit vier Höfen und der Zustand war höchst desolat. Die notwendigen Sanierungsmaßnahmen wurden damals auf 380 Millionen Schilling geschätzt! Eine astronomische Summe für das Stift, das damals vor der Aufgabe stand, Melk selbst zu renovieren und so kam es dazu, dass der engagierte Architekt Walter Hildebrand 1983 die Kartause (ohne Waldbesitz) zu einem symbolischen Kaufpreis kaufte, mit dem Ziel Sanierungskonzepte auszuarbeiten um die Kartause dann an einen interessierten Orden weiterzugeben.

Hildebrand gelang es mit einem Gesamtaufwand von 190 Millionen Schilling nicht nur Kartause und Kirche zu renovieren, sondern auch die historischen Gebäude einer zeitgemäßen Nutzung zuzuführen, und dies bei maximaler Schonung der denkmalgeschützten Anlage. Hier war offensichtlich kein profitmaximierender Baulöwe am Werk, sondern ein begabter Architekt, der seine Liebe zur Gotik nicht verhehlen kann.

Die Intention, wieder Kartäuser oder einen anderen Orden anzusiedeln ging allerdings nicht auf, dafür gibt es heute eine geisteswissenschaftliche universitäre Einrichtung für internationale Studenten, ein Sprachinstitut für Studenten aus Osteuropa, ein Hotel mit einem besonderen Ambiente für Seminare, Konferenzen und kulturelle Veranstaltungen sowie einen Gesundheitstrakt, Festräume (wie zum Beispiel der restaurierte Prälatensaal und die Bibliothek) sowie insbesondere auch ein sehenswertes Museum.

Ein Restaurant mit einer Küchenkapazität für 500 Personen erlaubt auch größere Events in dem ehrwürdigen Gemäuer. So etwa findet seit 1993 jeden August eine "Europa- Sommeruniversität" statt, die jährlich hunderte Jugendliche aus ganz Europa nach Gaming bringt. Seit 1990 - ein Jahr nach der Wende - finden hier jährlich Symposien der mitteleuropäischen Militärvereinigung statt.

Chopin-Festivals

Auf kulturellem Gebiet sind regelmäßige Chopin-Festivals zu erwähnen. Dazu kommen eine Vielzahl von privaten oder Firmenveranstaltungen, die den besonderen Reiz dieser Anlage im niederösterreichischen Mostviertel schätzen, das auf touristischem Gebiet einiges zu bieten hat. Der "Vaterberg" Ötscher wacht über eine teils sehr ursprüngliche Landschaft, wie zum Beispiel die wildromantischen Ötschergräben oder den Naturpark Tormäuer-Ötscher.

Wem das zu wenig aufregend ist, der kann Rafting auf der Ybbs versuchen und auch für Mountainbiker gibt es viele interessante Strecken. Der Kulturpark NÖ Eisenstraße liegt ebenso nahe, wie der Lunzer See und auch nach Mariazell ist es nicht weit. Für Liebhaber von Eisenbahnromantik bietet sich nicht nur die Mariazeller Bahn (die älteste elektrische Schmalspurgebirgsbahn) an, sondern auch die Museumsstrecke der Ybbstalbahn mit den schönen Trestlework-Brücken. Im Mendlingtal, nahe Göstling, kann man nicht nur ein "Schmiedegesellenhaus" besichtigen, in dem das Leben der Schmiedegesellen um 1900 nachempfunden werden kann, man kann sich auch dort "auf den Holzweg" begeben und eine Holztriftanlage besuchen. Ein 2,5 Kilometer langer Wanderweg führt durch drei Klammen, über Triftwege und Brücken vorbei an einer Klause und einer Mühle. Was dem Weinviertel die Weinstraße ist dem Mostviertel die Moststraße: die rund 200 Kilometer lange und gut beschilderte Strecke führt zu den schönsten Plätzen und kulturellen Highlights der Region, wobei über 70 "Stationen" zur Einkehr einladen. Für Hubertus-Jünger hat diese Region ohnehin einen ganz besonderen Reiz.

Kultur und Kulinarik, Romantik und Entspannung beziehungsweise Abenteuer und Sport verbinden sich in diesem Teil Niederösterreichs auf sympathische Weise.

Kräuter wie damals

Als Kaiserenkel Karl von Habsburg 1993, nach der Hochzeit in Mariazell, die Kartause für die Privatsoiree wählte, war dies wohl mehr als nur die Auswahl einer idealen "location" für über 600 Ehrengäste, denn die Habsburger sind mit Gaming seit über 670 Jahren verbunden. Immerhin beherbergt die Klosterkirche das Grab ihres Stifters, Herzog Albrecht II., der als erster Habsburger im heutigen Österreich seine Residenz errichtete. Bereits 1330 - im ersten Jahr seiner Regentschaft - stiftete er die Kartause Gaming, die später für ihn und seine Nachfahren als Grabstätte dienen sollte (bis dahin war das Kloster Königsfelden im Aargau die Familiengrablege der Habsburger gewesen). Bereits 1332 legte der Herzog selbst den Grundstein für das gotische Bauwerk, das architektonisch eine Mittlerstellung zwischen Freiburg im Breisgau und Wien einnimmt, denn die Gaminger Architektur hat den Wiener Stephansdom entscheidend mitgeprägt. Der "Prälatenhof" - auf Intention Albrechts geschaffen - weist auf die Bedeutung der Kartause als Klosterresidenz hin. Aber die Kartause ist nicht nur ein gotisches Kleinod, in der Bibliothek finden sich die einzigen Fresken, die der böhmische Barockmaler Wenzel Lorenz Reiner außerhalb seiner Heimat geschaffen hat. Und die Exponate des Museums vermitteln einen lebhaften Eindruck der Kartause im Lauf der Jahrhunderte, wobei vor allem auch die Fotos beeindrucken, die die Gebäude vor der Restaurierung zeigen; Gebäude, die dem Verfall gerade noch entrissen wurden aber andrerseits nicht - wie leider so oft - "zu Tode renoviert wurden".

Auch die alte Kräutertradition der Kartäuser wurde in Gaming wiederbelebt. Immerhin hatten die Kartäuser-Mönche eine durchschnittliche Lebenserwartung von 85 Jahren (bei damals 35 Jahren für die Bevölkerung), was unter anderem zweifellos auf ihre sehr gesunden Ernährungsgewohnheiten zurückging, wozu auch ein gut sortierter Kräutergarten gehörte. Anlässlich der Ausstellung "Vielfalt des Heilens" wurde wieder einer in Gaming errichtet, der auch heute bei Führungen gezeigt wird.

Auch eine andere Klostertradition wurde wiederbelebt: die Produktion eines Klosterlikörs, der hilft, sich Stimmung und Atmosphäre der Kartause wieder in Erinnerung zu rufen.

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